Riebesehl

Riebesehl

Heinrich Riebesehl ( * 9. Januar 1938 in Lathen an der Ems) ist ein bedeutender deutscher Fotograf der Nachkriegszeit.

Riebesehl beginnt im Rahmen seiner Drogistenlehre 1955 mit der Fotografie. Erste Erfolge hat er mit Reportagefotos für eine Lokalzeitung. Nach Abschluss seiner Lehre arbeitet er als Fotospezialist in einer hannoverschen Drogerie. Er studiert von 1963 bis 1965 bei dem einflussreichen Fotografen und Hochschullehrer Otto Steinert an der Folkwang-Hochschule in Essen. Während seines Studiums fotografiert er mehrere Serien zu besonderen Themen wie Lokomotiven und Happenings. Sein Bild von Joseph Beuys mit blutig geschlagener Nase aus dem Jahr 1964 wird zu einem der berühmtesten Porträts des Düsseldorfer Künstlers. Nach der Heirat mit Gisela Remane unterbricht er sein Studium. 1967 beginnt er für die Hannoversche Presse zu arbeiten. In dieser Zeit entstehen die Serien „Gesichter“ und „Menschen im Fahrstuhl“. Für letztere erhält Riebesehl internationale Aufmerksamkeit. 1971 wird er Mitglied in der Gesellschaft deutscher Lichtbildner, schon im nächsten Jahr sitzt er der Jury vor. Er eröffnet mit anderen Fotografen 1972 eine der ersten Fotogalerien in Europa, die Spectrum-Fotogalerie in Hannover, mit dem Ziel, der Fotografie als einer jungen Kunstform Raum zu verschaffen.

Riebesehl nimmt zeitgleich sein Studium bei Otto Steinert wieder auf und macht seinen Abschluss. In diese Zeit fallen Aufnahmen für das Projekt „Situationen und Objekte“, die er in verschiedenen internationalen Zeitschriften und schließlich 1978 mit einer Auswahl in dem gleichnamigen Buch veröffentlicht. Das Buch versammelt ungewöhnliche Motive in teilweise surrealer Art, die auf den Betrachter rätselhaft, verbergend wirken: Poetische Wolkenmotive, Menschen von hinten, einsame Maschinen. Starke Kontraste und schwarze Himmel ziehen sich leitmotivisch durch die Serie. Manche Kritiker ordnen sie deshalb der Richtung des magischen Realismus zu, Ähnlichkeiten mit Werken von Herbert List und Ralph Gibson sind spürbar. Das Buch erhält den Kodak-Fotobuchpreis 1978.

Nur ein Jahr später erscheint sein Buch „Agrarlandschaften“, welches zu den wichtigsten Werken deutscher dokumentarischer Fotografie der 1970er gezählt wird und den Fotografen international berühmt macht. Riebesehl vollzieht hier einen deutlichen Bruch. An die Stelle der rätselhaften Objekte und flüchtigen Situationen tritt ein zumeist nüchterner Blick auf norddeutsche Agrarlandschaften in feinen Grauwert-Abstufungen, die vielen Betrachtern zunächst als banal erscheinen müssen. Ähnlich wie bei den Fotografen Bernd und Hilla Becher entfaltet sich die Wirkung hier erst bei der Betrachtung der Bilder als Serie.

Spätestens jetzt gilt Riebesehl als Teil der Kunstszene, seine Werke werden von Museen und Sammlern in aller Welt angekauft. 1982 erhält Riebesehl den Sprengel-Preis der Stadt Hannover. Er wird 1984 als Professor für Fotografie an die Fachhochschule Hannover berufen, an der er bis 1997 lehrt. Es entstehen verschiedene Serien, unter anderen „Industrielandschaften“, „Gewerbebauten“, „Bahnlandschaften“, „Dorfansichten“. 2004 zeigt das Sprengel-Museum in Hannover in einer Retrospektive eine Auswahl aus seinen Serien. Im gleichen Museum wird seit 2001 sein Archiv gelagert. Als Künstler wird er von der Galerie Kicken in Berlin vertreten.

Literatur

  • Krichbaum, Jörg: Heinrich Riebesehl. Situationen und Objekte. Eine Monografie. Riesweiler 1978
  • Riebesehl, Heinrich: Agrarlandschaften. Text von Peter Sager. Bremen 1979.
  • Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst: Heinrich Riebesehl. Hannover 1986.
  • Thomas Weski: Heinrich Riebesehl. Bahnlandschaften. Hannover 1997
  • Heinrich Riebesehl: Agrarlandschaften. Erw. Neuauflage. Köln 2002.
  • Schneider, Ulrike: Heinrich Riebesehl. Fotografische Serien 1963-2001. Ostfildern: 2004.

Weblinks


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