Außerordentliche Befriedungsaktion

Außerordentliche Befriedungsaktion

Die AB-Aktion (Außerordentliche Befriedungsaktion) war eine Aktion der Nationalsozialisten während des Zweiten Weltkrieges. Ziel war es, den Widerstand gegen die deutsche Besetzung Polens durch die gezielte Tötung potentieller Widerstandsführer im Keim zu ersticken. Im Frühling und Sommer des Jahres 1940 wurden im Rahmen dieser Aktion im Generalgouvernement etwa 7500 Personen verhaftet und ermordet.

Inhaltsverzeichnis

Vorläufer

Einer der Vorläufer der AB-Aktion stellte die sogenannte „Intelligenz-Aktion“ dar, die direkt nach dem deutschen Einmarsch in Polen gestartet wurde. Ziel war die Ermordung der polnischen Intelligenz, wie beispielsweise von Ärzten, Lehrern, Geistlichen. Sie war zunächst auf die in das Deutsche Reich eingegliederten Gebiete (Danzig-Westpreußen, Posen) beschränkt. Ausgeführt wurde sie vom „Volksdeutschen Selbstschutz“ und den Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei. Reinhard Heydrich hatte diese Aktion bis zum 1. November 1939 befristet, allerdings wurde sie noch einige Zeit darüber hinaus fortgeführt. Insgesamt fielen der Intelligenz-Aktion etwa 60.000 Polen zum Opfer. [1]

Vorbereitung und Verlauf

Die Sicherheitsbehörden des Deutschen Reichs besaßen keine genauen Kenntnisse über das Vorhandensein einer polnischen Widerstandsbewegung, anhand von einigen Hinweisen seitens der Wehrmacht wurde aber ein allgemeiner Aufstand befürchtet. Dieser Gefahr wollte der Generalgouverneur Hans Frank durch die Ausschaltung der polnischen Führungsschicht entgegentreten. Das Thema wurde im Februar und März 1940 im Reichsverteidigungsrat behandelt und beschlossen, dass potentielle Anführer ausgeschaltet werden sollten. Als Anführer wurde in diesem Fall die polnische Intelligenz angesehen. Auf einer Sitzung am 22. April 1940 berichtete SS-Brigadeführer Bruno Streckenbach, der als Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD in Krakau für das gesamte Gebiet des Generalgouvernements sicherheitspolizeilich verantwortlich war, dass von Ende November 1939 bis Ende Januar 1940 ein Anwachsen der Zahl von Widerstandsgruppen zu beobachten gewesen sei. Ende Februar hätten dann Anzeichen für das Entstehen einer einheitlichen Leitung vorgelegen. Aufgrund der Zerstrittenheit der Führer sei es jedoch gelungen, die Widerstandsbewegung zu infiltrieren. Aufgrund der dadurch gewonnenen Erkenntnisse konnten am 30. März 1940 etwa 1.000 Polen festgenommen werden, von denen rund 700 in der Widerstandsbewegung eine Rolle gespielt hätten. Insgesamt verfügten nach Streckenbachs Angaben die Sicherheitsbehörden über 2.200 bis 2.400 Decknamen von Mitgliedern der Widerstandsbewegung, von denen 1.200 identifiziert wurden. [2]

Der Beginn der Aktion wurde von Hans Frank auf den 16. Mai gelegt. Dieses Datum begründete Frank auf einer Polizeisitzung am 30. Mai damit, dass sich das Interesse der Weltöffentlichkeit seit dem 10. Mai auf die Geschehnisse im Westen konzentrieren würde. Auf der genannten Sitzung berief er sich auf eine direkte Anweisung Hitlers für die AB-Aktion: „Was wir jetzt an Führungsschicht in Polen festgestellt haben, das ist zu liquidieren, was wieder nachwächst, ist von uns sicherzustellen und in einem entsprechenden Zeitraum wieder wegzuschaffen.“[3] Für Frank war es wichtig, dass jeglicher Anschein der Willkür vermieden wurde, weshalb er auf die Anwendung des Standgerichtsverfahrens Wert legte. Mit der Durchführung und Koordinierung der Aktion hatte er den SS-Obergruppenführer Friedrich-Wilhelm Krüger und den SS-Brigadeführer Streckenbach beauftragt.

Während der Aktion wurden etwa 3.500 Personen, die zur Führungsschicht gerechnet wurden, und 3.000 als Kriminelle bezeichnete Personen verhaftet und nach summarischen Standgerichtsverfahren hingerichtet [4]. Die Aktion sollte bis Mitte Juni 1940 beendet sein, dauerte aber darüber hinaus an. Mehr noch, sie wurde nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion auf das seit 17. September 1939 von der Sowjetunion besetzte Ostpolen ausgedehnt[5].

Bewertung

Das Ziel der AB-Aktion wurde nicht erreicht. Die Widerstandsbewegungen, zum Beispiel die Związek Walki Zbrojnej (Union für den bewaffneten Kampf), wurden zwar personell durch die Aktion zeitweilig hart getroffen, allerdings erholte sie sich und setzte den Kampf gegen die Deutschen fort. Ebenso wenig erfüllte sich die Ansicht der deutschen Seite, dass die polnische Bevölkerung nach der französischen Niederlage im Juni 1940 keinen Sinn in weiterem Widerstand mehr sehen würde.

Die Aktion wurde, obwohl sie ihr Ergebnis nicht erreicht hatte und Hitler ähnliche Aktionen wünschte, nicht wiederholt. Als Hauptmotiv wird in der Forschung der Bedarf an Arbeitskräften in den Konzentrationslagern angesehen.

Die AB-Aktion und die in ihrem Verlauf begangenen Verbrechen wurden in den Nürnberger Prozessen und den Prozessen vor dem Obersten Nationalgericht in Polen behandelt.

Siehe auch

Literatur

  • Wolfgang Benz; Herman Graml, Hermann Weiß (Hrsg.): Enzyklopädie des Nationalsozialismus. Stuttgart 1997
  • Martin Broszat: Nationalsozialistische Polenpolitik 1939–1945. Stuttgart 961
  • Imanuel Geiss, Wolfgang Jacobmeyer (Hrsg.): Deutsche Politik in Polen 1939–1945 – Aus dem Diensttagebuch von Hans Frank, Generalgouverneur in Polen. Opladen 1980
  • Eberhard Jäcke, Peter Longerich; Julius H. Schoeps (Hrsg.): Enzyklopädie des Holocaust – Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden. 3 Bde., Bd. 1, Berlin 1993
  • Czesław Madajczyk: Die Okkupationspolitik Nazideutschlands in Polen 1939–1945. Köln 1988
  • Wolfgang Schumann, Ludwig Nestler (Hrsg.): Nacht über Europa – Die Okkupationspolitik des deutschen Faschismus (1938–1945). Achtbändige Dokumentenedition, Bd. 2: Die faschistische Okkupationspolitik in Polen (1939–1945), Köln 1989

Anmerkungen

  1. (Benz/Graml/Weiß, S. 524.)
  2. (Geiss/Jacobmeyer, S. 70)
  3. (Geiss/Jacobmeyer, S. 71, eine schriftliche Überlieferung des Befehls ist allerdings nicht vorhanden.)
  4. Eberhard Jäckel, Peter Longerich, Julius H. Schoeps (Hrsg.): Enzyklopädie des Holocaust – Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden, Band 1, Berlin 1993
  5. MORD AN DEN PROFESSOREN LWÓW (LEMBERG) JULI 1941

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно решить контрольную?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Occupation of Poland (1939–1945) — Occupation of Poland redirects here. For other uses, see Occupation of Poland (disambiguation). For general history of Poland during that period, see History of Poland (1939–1945). Fourth Partition of Poland aftermath of the The Nazi Soviet Pact; …   Wikipedia

  • German AB-Aktion operation in Poland — AB Aktion or Außerordentliche Befriedungsaktion (German for Special Pacificational Action or Operation ), was a German campaign during World War II aimed to eliminate the intellectuals and the upper classes of the Polish nation. In the spring and …   Wikipedia

  • German AB-Aktion in Poland — AB Aktion A picture taken by the Polish Underground of Nazi Secret Police rounding up Polish intelligentsia at Palmiry near Warsaw in 1940 …   Wikipedia

  • AB — Ab= Ab may mean:* Ab is a Dutch name. *AB class, a locomotive class operated by the New Zealand Railways Department *Ab (Egyptian heart soul concept), the Egyptian concept of the heart soul * Abdominal muscles (abbreviated Ab), which are the… …   Wikipedia

  • A.B. — AB steht für: AB Aktion – „Außerordentliche Befriedungsaktion“ fand im Frühjahr 1940 in besetzten Polen statt, wobei rund 7500 Personen verhaftet und ermordet wurden. AB Groupe, eine französische Firmengruppe im Audio Video Bereich… …   Deutsch Wikipedia

  • AB — steht für: Blutgruppe AB, siehe AB0 System AB Groupe, eine französische Firmengruppe im Audio Video Bereich Advanced Bionics, ein amerikanischer Hersteller von Cochlea Implantaten, der zur Sonova Gruppe gehört Chevrolet AB, ein PKW Modell aus dem …   Deutsch Wikipedia

  • AB-Aktion — Die AB Aktion („Außerordentliche Befriedungsaktion“) war eine Mordkampagne der Nationalsozialisten während des Zweiten Weltkrieges auf polnischem Staatsgebiet. Ziel war es, den Widerstand gegen die deutsche Besetzung Polens durch die gezielte… …   Deutsch Wikipedia

  • Ab — steht für: AB Aktion – „Außerordentliche Befriedungsaktion“ fand im Frühjahr 1940 in besetzten Polen statt, wobei rund 7500 Personen verhaftet und ermordet wurden. AB Groupe, eine französische Firmengruppe im Audio Video Bereich… …   Deutsch Wikipedia

  • Hans Frank — Hans Frank, 1939 Hans Frank auf einer angeblichen Briefmarke des Generalgouvernements …   Deutsch Wikipedia

  • Hans Michael Frank — Hans Frank, 1939 Hans Frank auf einer angeblichen Briefmarke des …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”