Rohrpostnetze in Amerika

Rohrpostnetze in Amerika
Kartenbrief der Rohrpost in Buenos Aires, ca. 1920
bedarfsgebrauchte Rohrpostkarte der Rohrpost in Sao Paulo aus dem Jahre 1916. Die Karte ist durch einen offiziellen Handstempelaufdruck der Telegraphenverwaltung von 300 Reis auf 500 Reis aufgewertet worden.

Außerhalb Europas existierte die größte Rohrpostanlage, die auch Päckchen transportieren konnte, in New York City. Daneben bestanden entsprechende Anlagen in Boston, Chicago, Philadelphia und Saint-Louis. Außerdem hat es Rohrpostanlagen in Buenos Aires (Argentinien) als expreso urbano (Stadtschnellverkehr) des Telegraphenamtes sowie in Rio de Janeiro und São Paulo (beide Brasilien) gegeben. In Brasilien wie in Argentinien sind die Rohrpostganzsachen von der Telegraphenverwaltung herausgegeben worden, was auf den ursprünglichen Sinn des Rohrpostnetzes zur Beschleunigung der Telegrammübermittlung in Großstädten hinweist. Ebenfalls gab es eine Rohrpostanlage in Algier (Algerien), die wenigstens bis kurz nach dem Ende der französischen Kolonialherrschaft noch in Betrieb war (Betriebsdauer vom 4. April 1910 bis zum 5. Juli 1962) und, so weit bekannt geworden ist, teilweise als exprès urbain (Stadtschnellverkehr) auch mit anderen Transportmöglichkeiten versorgt wurde.

Inhaltsverzeichnis

Vereinigte Staaten von Amerika

Boston (Massachusetts)

Die Rohrpostanlage von Boston (Boston Postal Pneumatic Tube System) wurde am 6. August 1926 und damit erst recht spät in Betrieb genommen. Über den Umfang des Rohrpostnetzes in Boston und seine weitere Geschichte liegen keine Informationen vor.

Chicago (Illinois)

Postkarte aus Baton Rouge nach Chicaco, dort am 8. Oktober 1910 durch die Western Tube in Chicago wegen Nachsendung nach Charlotte in North Carolina zum Abgangspostamt befördert. Der entsprechende Stempel aus Chicago dokumentiert diese Behandlung der Sendung.

Einzelheiten über das Rohrpostnetz von Chicago sind bisher wenige bekannt. Der Stempel auf der abgebildeten Sendung zeigt, dass es sich um eine postalische Weiterbeförderung der Sendung handelt und dass die Post diese Postkarte in den pneumatic dispatch von Chicago eingespeist hat. Wie überall in der Welt wurde auch hier das Rohrpostsystem u.a. dazu genutzt, nachzusendende Postsendungen auf dem schnellsten Weg in die richtigen Verbindungen einzuspeisen.

Die Hausrohrpost des Versandhauses Sears, Roebuck & Co (1905)

Die Abbildung einer stereoskopischen Werbekarte des Jahres 1905 zeigt die Rohrpostzentrale des in Chicago ansässigen Versandhändlers Sears, Roebuck & Co.
Die Werbekarte zeigt den von Menschen begehbaren großen Verbindungstunnel mit Leitungsbauten für Wasser, klimatisierte Luft, Elektrizität und die Rohrpoströhren der Hausrohrpostanlage.

Das älteste und für lange Zeit auch größte Versandhaus der Welt, die Firma Sears, Roebuck & Co verfügte an ihrer Zentrale in Chicago im Jahre 1905 über eine Hausrohrpost, die täglich bis zu 70000 Bewegungen von Rohrpostbüchsen mit Bestellungen, firmeninternen Informationen, Packzetteln etc. durchführen konnte. Im Tagesdurchschnitt wurden 7000 per Post eingegangene Bestellungen bearbeitet. Dieses Volumen entspricht ca. 2,5 Millionen jährlich bearbeiteter Sendungen, was dem Rohrpostaufkommen von Großstädten dieser Zeit entsprach oder es sogar übertraf. Diese Hausrohrpost erstreckte sich über das gesamte, 40 Hektar umfassende Areal des Firmensitzes mit Verwaltungsgebäude, Lagerhallen und Versandabteilungen und umfasste ein Liniennetz von 15 Meilen (ca. 24 km). Es damit vergleichbar mit den postalischen und telegraphischen Rohrpostnetzen von Berlin, Paris und Marseille zum Zeitpunkt ihrer Inbetriebstellung.

New York (New York City)

Entwurf für die Verteilerstation des Pneumatic Dispatch für New York, 1868.

Ähnlich wie in Berlin hatte auch in New York eine Telegraphengesellschaft die Federführung bei der Entwicklung der Rohrpost. Das New Yorker Rohrpostnetz wurde im ausgehenden 19. Jahrhundert von der Western Union Telegraph Company installiert und verband in Form von pneumatic dispatches, die im Stadtgebiet verteilt waren, die benachbarten Postämter sowie die Endstationen der Eisenbahn, d.h. die Bahnpostämter. Vorgesehen waren im Jahre 1868 auch Verbindungen in die Nachbarstädte Brooklyn, Staten Island, Jersey City, von denen wenigstens die Verbindung nach Brooklyn über die Brooklyn-Bridge in Betrieb genommen wurde. Für den Betrieb des Systems kam die Stadtverwaltung von New York auf, welche dem Besitzer eine Miete sowie das Personal für den Betrieb zu zahlen hatte. Dem ökonomisch günstigen Ausbau des New Yorker Rohrpostnetzes kam die quadratische Grundanlage der Stadt (vor allem in Manhattan) entgegen. Zudem stellte die Unterquerung der Wasser um New York eine preiswerte Alternative zu technisch aufwendigeren Installationen wie Brücken dar. In Zuge seiner größten Ausdehnung erreichte das Netz eine Länge von 27 Meilen (ca. 44 km).

Die Rohrpostbehälter in New York konnten bis zu 600 Briefe befördern. Das Netz diente aber neben dem Transport von Telegrammen und Eilsendungen vor allem auch der Beförderung von zu verteilender Post zwischen den Verteilämtern und den einzelnen Zustellämtern. Die Rohrpost konnte die Post etwa fünf mal schneller von einem Amt zum anderen transportieren, als es die Postwagen auf der Straße zu leisten imstande waren. Dadurch war in der Regel die Verteilung der Post einer Lieferung bereits zu einem Zeitpunkt erledigt, zu dem der Postwagen sein Ziel noch nicht erreicht hätte. Das Rohrpostnetz in New York war bis in die 1950er Jahre hinein in Betrieb. Während einer Rekonstruktion der Brooklyn-Bridge im April 1950 wurde der Dienst zwischen New York und Brooklyn unterbrochen und anschließend nie wieder aufgenommen. Dies spricht dafür, dass der Bedarf nicht mehr sehr groß gewesen sein kann. In den übrigen Stadtteilen von New York wurde der Rohrpostdienst im Jahre 1953 zum Zwecke einer Revision unterbrochen und danach nicht wieder aufgenommen.

Sendungen, die mit der Rohrpost von New York transportiert worden sind, können rückseitig einen oder mehrere Stempelabschläge aufweisen. Dies ist in erster Linie bei Sendungen der Fall, die per Eilboten (special delivery) aufgegeben worden sind. Gewöhnliche Sendungen weisen diese Stempel üblicherweise nicht auf. Aus dem erhaltenen postgeschichtlichen Material kann auf die folgende Verfahrensweise geschlossen werden: Sendungen, die per Rohrpost transportiert wurden, erhielten zumeist rückseitig einen Ankunftstempel der entsprechenden Rohrpoststation. Dieser Stempel weist den Schriftzug REC.D für received auf. Im Gegensatz zu den üblichen Stempeln der US-amerikanischen Post, die eine Stundeneinstellung mit dem zusätzlichen Hinweis AM (ante meridiem = vormittags) oder PM (post meridiem = nachmittags) aufweisen, zeigen die Stempel der Rohrpostaustausch- oder Empfangsstationen eine 30-Minuteneinstellung. Damit lässt sich auf die halbe Stunde genau rekonstruieren, auf welchem Wege eine Rohrpost-, Eilboten- oder telegraphische Sendung befördert worden ist. Diese Zeiteinstellung entspricht offensichtlich auch dem Fahrplan der Rohrpostzüge, die wegen des großen Fassungsvermögens der New Yorker Rohrpostkapseln nicht in so dichtem Abstand fahren mussten wie die in Berlin oder Paris.

Debeg Ocean-Letter Vs 10-12-1936 SW.jpg Ocean-Letter des New Yorker Agenten der DEBEG (Deutsche Betriebsgesellschaft für drahtlose Telegraphie) vor dem 10. Dezember 1936 als Telegramm von der Telegraphenstation eines in Richtung New York fahrenden deutschen Atlantik-Liners aufgenommen und nach Ankunft in New York am 10. Dezember 1936 dem dortigen Hauptpostamt (G.P.O.) wie bei Telegrammen üblich zur weiteren Bearbeitung als Eilbotensendung übergeben. Stempelabschlag 8:00 pm = 20:00 Uhr.
Debeg Ocean-Letter Rs 10-12-1936 SW.jpg Die Rückseite des gleichen Briefes zeigt den received-Stempel der New York Station (STA.N) abgeschlagen um 8.30 PM = 20:30 Uhr.
Debeg Ocean-Letter DASeepost 20-12-1935 Vs SW.jpg Ocean-Letter der DEBEG am 20. Dezember 1935 als Telegramm von der Telegraphenstation des in Richtung New York fahrenden Dampfers Hamburg aufgenommen mit deutschen Briefmarken freigemacht und entwertet und nach Ankunft in New York dem dortigen Hauptpostamt (G.P.O.) zur weiteren Bearbeitung übergeben.
Debeg Ocean-Letter DASeepost 20-12-1935 Rs SW.jpg Die Rückseite des gleichen Briefes zeigt den Eingangs-Stempel des Hauptpostamtes New York (G.P.O) 9 PM = 21:00 Uhr sowie den received-Stempel des Hauptpostamtes von Brooklyn 10 PM = 22:00 Uhr. Der Brief ist demnach durch die Rohrpostverbindung über die Brooklyn-Bridge weiterbefördert worden. Da die Sendung offensichtlich zu Betriebsschluss der Rohrpost in Brooklyn eintraf, wurde die Sendung erst am folgenden Tag, dem 21. Dezember 1935 per Rohrpost weitergeleitet und um 630 AM (= 6:30 Uhr vormittags) von der Cravesand Station in Brooklyn weiterbearbeitet.

Süd-Amerika

Buenos Aires (Argentinien)

Kartenbrief des expreso urbano / Rohrpost in Buenos Aires, ca. 1920 mit vorausbezahlter Antwort (con respuesta pagada)
Übersichtsschema des Liniennetzes des expreso urbano / Rohrpost von Buenos Aires (ca. 1920).

Über die Rohrpost von Buenos Aires ist in Europa nur sehr wenig bekannt und auch in Argentinien ist die Lage der Dokumentation sehr schlecht. Bekannt hingegen ist die Ausdehnung des Rohrpostnetzes von Buenos Aires, da auf den Rohrpostganzsachen der Argentinischen Post ein Übersichtsplan über das Netz von Buenos Aires abgebildet ist. Ebenso sind einige Details des Verfahrens bekannt, da es auf den Kartenbriefen ausführlich beschrieben wird. So konnten Rohrpost-Kartenbriefe bei den angeschlossenen Telegraphenämtern aufgegeben werden. Sie wurden dann mit den expreso urbano zum Empfänger weitertransportiert. Ebenso konnten diese Sendungen auf offener Straße dem Boten des expreso urbano gegen Empfangsquittung zur Beförderung übergeben wurden. Nutzte man die Möglichkeit der vorausbezahlten Antwort, dann hatte der Empfänger die Möglichkeit, eine Antwort im Umfang von nicht mehr als 20 Worten einschließlich der Adresse in ein eigens dafür vom Boten zur Verfügung gestelltes Formular einzutragen. Diese Antwort wurde dann, da ja vorausbezahlt, ohne weitere Kosten zugestellt. Brauchte der Antwortende jedoch mehr als 20 Worte, wurde die Antwort mit normaler Post befördert. Eine Einlieferung über den Briefkasten war auch möglich. Man wurde jedoch darauf hingewiesen, die Leerungszeiten der Briefkästen zu beachten.

Bei dem abgebildeten Linienplan des expreso urbano ist nicht klar, welche Strecken per Rohrpost und welche durch einen Stadtschnelldienst bedient wurden. Sicher ist hingegen, dass seit 1928 die Hamburger Firma Carl August Schmidt & Söhne mit dem Ausbau der Stadtrohrpost von Buenos Aires beauftragt war. So heißt es in der zum 100-jährigen Bestehen dieser Firma im Jahre 1941 herausgegebenen Festschrift:

"Der von uns im Jahre 1928/29 mit der argentinischen Regierung für die Post- und Telegraphen-Direktion in Buenos Aires auf Grund einer internationalen Ausschreibung abgeschlossene Auftrag auf Lieferung einer Stadtrohrpostanlage für Buenos Aires brachte uns in schwerste Bedrängnis. Die Anlage umfasste die Verbindung von 14 Post- und Telegraphenämtern der Stadt mit einer Gesamtfahrrohrstrecke von 72000 Metern mit 42 Maschinensätzen. Infolge Revolutionen und wiederholter Regierungswechsel in Argentinien blieben die vereinbarten Ratenzahlungen aus, obwohl die Anlage bereits bis zu 65% betriebsfertig hergestellt war. Die Bauzeit, die mit 1½ Jahren vorgesehen war, dauerte schließlich 8 Jahre. Große Zins- und Kursverluste waren die unausbleibliche Folge. Als endlich die ersten Ratenzahlungen eingingen, wurde die Anlage von uns fertiggestellt und auch die Restraten von der argentinischen Post- und Telegraphenverwaltung bezahlt, jedoch in stark entwerteter Valuta. Nach endgültiger Fertigstellung der Anlage erfolgte ihre Abnahme durch die argentinische Behörde ohne jede Beanstandung, da sich der absolut störungsfreie Betrieb schon seit längerer Zeit erwiesen hatte."[1]

Es geht aus diesen Angaben nicht hervor, welche Strecken von der Hamburger Firma in Buenos Aires ausgebaut wurden. In jedem Fall wurde dem Rohrpostnetz die beträchtliche Verlängerung von 72 km für nur 14 Post- und Telegraphenämtern hinzugefügt.

Einzelnachweise

  1. 100 Jahre C. Aug. Schmidt & Söhne, Hamburg 1941, 28.

Literatur

Rohrpost New York

  • Beach, Alfred Ely: The pneumatic dispatch, with illustrations: a compilation of notices and information concerning the pneumatic system of transportation as new building and operating in England; together with accounts of its first trial in the United States, and of proposed applications of the system to passenger and postal service. .., New York 1868

Weblinks

Rohrpost New York


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