Rota-Viren

Rota-Viren
Humane Rotaviren
Humanes Rotavirus
Systematik
Reich: Viren
Ordnung: nicht klassifiziert
Familie: Reoviridae
Gattung: Rotavirus
Art: Humanes Rotavirus A, B, C, D, E, F, G
Taxonomische Merkmale
Genom: dsRNA segmentiert
Baltimore: Gruppe 3
Symmetrie: ikosaedrisch, doppelt
Hülle: keine

Die Humanen Rotaviren sind beim Menschen vorkommenden Viren der Gattung Rotavirus (Familie Reoviridae). Der Name beruht auf der radähnlichen Struktur (lat. rota = das Rad) der Viren unter dem Elektronenmikroskop. Sie wurden 1973 durch Ruth Bishop in Dünndarmbiopsien von erkrankten Kindern entdeckt. Rotaviren sind die häufigste Ursache für schwere Durchfallerkrankungen. Bei klinisch relevanten Durchfallerkrankungen sind Rotaviren mit einem Anteil von 35-52% vertreten. In den Entwicklungsländern sterben insbesondere aufgrund unzureichender medizinischer Versorgung nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation etwa 850.000 Kinder im Jahr an einer Rotavirus-induzierten Dehydratation. Der Nachweis von Rotaviren ist in Deutschland nach § 7 Infektionsschutzgesetz meldepflichtig.

Rotaviren sind auch im Tierreich weit verbreitet. Im veterinärmedizinischen Bereich haben Rotavirusinfektionen von Kälbern eine große wirtschaftliche Bedeutung.

Inhaltsverzeichnis

Aufbau der Rotaviren

Humane Rotaviren sind 76 nm große RNA-Viren mit einem doppelschaligen, ikosaedrischen Kapsid. Eine Virushülle ist nicht vorhanden. Das Genom besteht aus 11 doppelsträngigen RNA-Segmenten von 0,6 bis 3,3 kb Länge. Jedes dieser Segmente kodiert ein virales Protein. Durch die Segmentierung des Genoms besteht die Möglichkeit der Reassortantenbildung. Insgesamt sind sieben humanpathogene Spezies innerhalb der Gattung Rotavirus bekannt, zu denen eine Reihe von Serotypen gehören. Die Spezieseinteilung ist komplex und umfasst Serotypen, Subtypen, G- und P-Typen. In den Gruppen A bis C sind 11 humanpathogene Serotypen und Subtypen enthalten.

Übertragung und Krankheitsbilder

Die Infektion mit Rotaviren erfolgt meist klassisch fäkal-oral, wobei kontaminierte Lebensmittel oder in einigen Ländern kontaminiertes Trinkwasser eine Rolle spielen können. Ihre Vermehrung findet in den apikalen Enterozyten der Dünndarmzotten statt. Nach einer Inkubationszeit von 1-3 Tagen treten die klinischen Symptome, häufig Erbrechen, gefolgt von hohem Fieber und Diarrhoe bis hin zu akuten Durchfallerkrankungen auf. Bei schweren Krankheitsverläufen kann der Durchfall 4 bis 5 Tage andauern und durch den daraus folgenden Wasser- und Elektrolytverlust zur Exsikkose führen, die ohne Gegenmaßnahmen innerhalb weniger Stunden zum Tod führen kann. Die übliche Erkrankungsdauer kann 6 bis 8 Tage betragen. Weltweit sterben jährlich bis zu 1 Million Kinder an dieser Viruserkrankung. Vermutlich wird durch das virale Protein (NSP4), welches Eigenschaften eines Enterotoxins aufweist, die Wirkung noch verstärkt.

Diagnose

Der Nachweis von Rotaviren erfolgt aus dem Stuhl meist mittels ELISA, Elektronenmikroskopie oder RT-PCR. Virusisolierung, RNA-Elektrophorese und Nukleinsäurehybridisierungsreaktion sind nur in wenigen Laboratorien etabliert. Sofortdiagnostik ist heute mittels Schnelltests ebenfalls möglich.

Epidemiologie

Rotaviren sind weltweit verbreitet. Bis zum Ende des dritten Lebensjahres haben die meisten Kinder (>90%) bereits eine Rotavirusinfektion durchgemacht. Im Laufe der ersten Lebensjahre werden infolge von Kontakten mit Rotaviren zunehmend Antikörper gebildet. Frühere Erkrankungen können bei einer späteren Reinfektion mit demselben bzw. anderen Rotaviren-Typen vor erneuter Erkrankung schützen. Im Erwachsenenalter treten Erkrankungen vor allem als Reisediarrhoe auf, wobei nur ca. 20% der Reisediarrhoen durch Rotaviren entstehen. Die schwersten Krankheitsverläufe sind in der Altersgruppe zwischen 6 Monaten und 2 Jahren zu finden. In den gemäßigten Klimazonen sind Rotavirusinfektionen hauptsächlich während der Wintermonate zu beobachten, da sich die Erreger im warmen, trockenen Klima der geheizten Wohnungen leichter verbreiten. Außer bei Kindern sind schwere Erkrankungen durch Rotavirusinfektion bei Älteren oder Immunsupprimierten zu verzeichnen. Labordiagnostischer Nachweis im Stuhl erfolgt durch Enzym-Immun-Test und Latex-Schnelltests. Beide Testsysteme weisen Rotavirusantigen im Stuhl nach.

Prophylaxe und Therapie

Als Prophylaxemaßnahme dient die Einhaltung allgemeiner Hygienestandards. Gezielte Desinfektionsmaßnahmen haben im Normalfall wenig Erfolg. Rotaviren werden weder durch UV-Strahlung noch durch hohe Chlor-Konzentrationen zerstört, weshalb sie auch als persistent einzustufen sind. Die Schutzwirkung durch das Vorhandensein von Antikörpern im Darm ist entscheidender.

Eine Schluckimpfung gegen Rotaviren - RotaShield® von Wyeth Lederle - wurde 1998 in den USA in den normalen Impfplan aufgenommen, am 15. Oktober 1999 jedoch wieder zurückgezogen, nachdem 76 Fälle einer Intussuszeption (Invagination, Darmeinstülpung) aufgetreten waren und ein möglicher Zusammenhang mit der Impfung angegeben wurde.
Nach intensiven klinischen Studien sind seit dem 2. Quartal 2006 wieder Rotavirus-Impfungen für Kinder im Alter bis zu 6 Monaten in Europa und den USA zugelassen. Es stehen 2 unterschiedliche Impfstoffe folgender Hersteller zur Verfügung: Rotarix® von GlaxoSmithKline und RotaTeq® von Sanofi Pasteur MSD, die zur Zeit intensiv beworben werden.

Das Impfschema besteht aus 2 bzw. 3 Teilimpfungen. Es handelt sich um Schluckimpfungen. Die Immunisierung muss mit dem vollendeten 6. Lebensmonat abgeschlossen sein. Ohne Impfung erkrankt bis zum 5. Lebensjahr nahezu jedes Kind an Rotaviren.

Eine spezielle Therapie existiert nicht. Es ist in jedem Fall auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr (ggf. Elektrolytlösung) zu achten. Von der Einnahme von Antidiarrhoika ist abzuraten, da diese die Ausscheidung des Erregers erschweren und somit den Krankheitsverlauf verlängern.

Meldepflicht

Eine Rotavirus-Infektion ist in Deutschland gemäß § 6 und 7 des Infektionsschutzgesetzes meldepflichtig.

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