Russen in Deutschland

Russen in Deutschland

Als Russen in Deutschland oder auch Deutschrussen werden umgangssprachlich russischsprachige Bevölkerungsgruppen in Deutschland bezeichnet. Der Begriff Russlanddeutsche ist dagegen ein Sammelbegriff für die deutsche Minderheit in der ehemaligen Sowjetunion.

Es leben heute in Deutschland (ohne Berücksichtigung derer, die an einer deutschen Schule, vor allem zur DDR-Zeit, Russisch als Fremdsprache erlernt haben) etwa sechs Millionen Menschen, die mehr oder weniger die russische Sprache beherrschen, darunter etwa drei Millionen aus den Republiken der ehemaligen Sowjetunion[1], aber nur die Minderheit davon sind ethnische Russen. Die große Mehrheit der deutschen Russischsprachler kam in den Jahren kurz vor und nach der Wiedervereinigung nach Deutschland. Die meisten kamen entweder als Russlanddeutsche oder russischsprachige Juden bzw. als deren Familienangehörige (darunter viele Russen, Ukrainer, Weißrussen und Menschen aus sonstigen Völkern der ehemaligen UdSSR) nach Deutschland.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Bei den Auswanderungen aus Russland und der Sowjetunion nach Deutschland seit Anfang des 20. Jahrhunderts werden vier Einwanderungswellen unterschieden.

Die erste Welle war die Folge der russischen Revolution 1917. In den 1920er Jahren lebten viele Exilrussen, größtenteils geflohene Gegner der Bolschewiken, Adlige und Bürgerliche aus Mittel- und Oberschicht, im Deutschen Reich, rund 360.000 allein im Raum Berlin. Darunter waren der Schriftsteller Wladimir Nabokow, der Maler und Kunsttheoretiker Wassily Kandinsky und der Unternehmer Leontowitsch Gorbatschow (Betreiber der gleichnamigen Wodkadestillation). Aus dieser Zeit rührt die Bezeichnung "Charlottengrad" für Berlin-Charlottenburg. Viele verließen Deutschland nach der Machtergreifung Hitlers.

Zu der zweiten Welle zählen Kriegsgefangene und vor allem Verschleppte im Zweiten Weltkrieg, die nach dem Krieg in Deutschland geblieben sind. Es blieben etwa 200.000 bis 250.000 Verschleppte nach dem Krieg in Deutschland.

Die dritte Welle besteht aus sogenannten Dissidenten – Intellektuelle, deren Werke gegen die Leitlinien der Sowjetunion verstießen und die deswegen in den Westen ins Exil gingen. Oft wurden sie aus der Sowjetunion ausgebürgert. Unter diesen waren Philosophen und Schriftsteller, Lew Kopelew und Alexander Sinowjew. Diese Welle hatte ihren Höhepunkt in den 1970er und 1980er Jahren. Außerdem gelang es einigen Russen während des so genannten Kalten Krieges, sich in der Bundesrepublik Deutschland niederzulassen.

Die vierte Welle schließlich begann nach dem zweiten Weltkrieg und nahm erst mit der Perestroika-Ära Ende der 1980er Jahre den Massencharakter an. Die große Welle dauerte bis Mitte/Ende der 1990er Jahre an (seit 1995 von Jahr zu Jahr stark abnehmend). In dieser Zeit sind vergleichsweise mehr Menschen als bisher nach Deutschland gekommen. Im Gegensatz zu den bisherigen Einwanderungswellen haben die heutigen Einwanderer aus Russland keine so klare Charakterisierung, die Mischung ist viel bunter. Der größte Teil der nach Deutschland kommenden Russen besteht aus russischen Familienangehörigen von Juden oder Russlanddeutschen, welche selbst wiederum Wert auf ihre deutsche Nationalität legen, die sie von anderen Einwanderern (auch ihren mitreisenden russischen Verwandten) unterscheidet, obwohl auch Russlanddeutsche in der Regel schon 1990 bei ihrer Einreise nach Deutschland besser Russisch als Deutsch sprachen. Da die als solche anerkannten RusslanddeutschenDeutsche“ im Sinne von Art. 116 GG und „deutsche Volkszugehörige“ im Sinn von § 6 BVFG sind und bei der Einreise automatisch deutsche Staatsbürger werden, können auch die mitreisenden russischen Familienangehörigen als Ehepartner von Deutschen erleichtert eingebürgert werden. Dies gilt für andere nicht-deutsche Einwanderer aus Russland, etwa jüdische Kontingentflüchtlinge, nicht.

Rechtliche Grundlagen für die „vierte Welle“

Seit dem Beginn der Perestroika 1986 zogen erste größere Gruppen von Bürgern der Sowjetunion nach Deutschland. Dabei wird zwischen deutschen Aussiedlern (seit dem 1. Januar 1993 Spätaussiedler) sowie ihren russischen Angehörigen auf der einen Seite und jüdischen Kontingentflüchtlingen auf der anderen Seite unterschieden. Die ausgesiedelten Russlanddeutschen und ihre nicht-deutschen Familienangehörigen werden als Deutsche im Sinne des Grundgesetzes behandelt. Sie haben daher unmittelbar nach der Einreise einen Anspruch auf die deutsche Staatsbürgerschaft.

Seit 1991 haben jüdische Emigranten aus der ehemaligen Sowjetunion die Möglichkeit, als Kontingentflüchtlinge nach Deutschland einzureisen. Grundlage hierfür ist ein Beschluss der Innenministerkonferenz vom 9. Januar 1991, nach dem das HumHAG (Gesetz über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommene Flüchtlinge) auf diesen Personenkreis entsprechende Anwendung findet. Das HumHAG ist durch Artikel 15 Abs. 3 Nr. 3 des Zuwanderungsgesetzes außer Kraft getreten. Juden aus der ehemaligen UdSSR außer Estland, Lettland und Litauen werden nach §23 (2) AufenthG aufgenommen. Der Beschluss der Innenministerkonferenz wurde als eine Übereinkunft der Regierung Kohl und des Zentralrates der Juden in Deutschland getroffen.

Beendigung der „vierten Welle“ durch Reform des Vertriebenenrechts

In einer 2003 veröffentlichten Befragung der Friedrich-Ebert-Stiftung gaben 64 Prozent der als Spätaussiedler Anerkannten zu, sie hätten in ihren Familien nicht Deutsch gesprochen[2].

Die Menschen, die jetzt noch nach Deutschland aussiedeln wollen, müssen die Behauptung, deutsche Volkszugehörige und nicht bloß russifizierte Deutschstämmige zu sein, dadurch glaubhaft machen, dass sie die ausreichende Beherrschung der deutschen Sprache nachweisen. Wenn ihre Sprachkompetenz unzureichend ist oder wenn ihnen nachgewiesen wird, dass sie ihre Sprachkenntnisse im Fremdsprachenunterricht einer Schule oder durch außerschulische Deutschkurse erworben haben, kann ihnen vorgehalten werden, dass ihre Eltern ihnen nicht hinreichend die deutsche Sprache vermittelt haben.

Die Konzentration auf die Deutschkenntnisse der Ausreisewilligen wurde 2001 bei den Beratungen zur Neufassung des § 6 BVFG im Deutschen Bundestag folgendermaßen begründet: „Spätaussiedler würden kaum noch als (ehemalige) Volksdeutsche wahrgenommen werden können, wenn sie ohne Deutschkenntnisse als solche anerkannt werden könnten; außerdem würde ihre Integration zusätzlich erschwert. Denn insbesondere fehlende Deutschkenntnisse stellen sich bei den russlanddeutschen Spätaussiedlerfamilien zunehmend als starkes Hindernis für deren Integration in Deutschland heraus. Dadurch entstehen Belastungen für die Sozialhaushalte, welche vor allem dann schwer zu erklären sein werden, wenn die Anerkennung als Spätaussiedler trotz fehlender Deutschkenntnisse möglich sein soll.“[3]

Um Deutschstämmige vor allem in Polen und in Russland zum Verbleib in ihren jetzigen Wohngebieten zu motivieren, hat die Bundesregierung auf der Grundlage des § 96 BVFG ein System von Bleibehilfen entwickelt.[4]

Die Einreise-Anträge sowohl von Deutschstämmigen als auch Kontingentflüchtlingen werden inzwischen in der deutschen Botschaft des Ausreiselandes gestellt. Die Bearbeitungszeit kann dabei bis zu einigen Jahren betragen. Angesichts der durchschnittlich schlechten und bei den meisten Antragstellern gar nicht vorhandenen Deutschkenntnisse[5] ist die Wahrscheinlichkeit, als Spätaussiedler anerkannt zu werden, sehr gering geworden.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Russische Sprache in der Welt, Bericht des Russischen Außenministeriums, Moskau 2003 (russisch)
    „По оценочным данным, русским языком в той или иной степени владеют около 6 млн. человек, в т.ч. 3 млн. – выходцы из республик бывшего СССР“
  2. Wolfgang Gärthe: Feststellung von Qualifikationen und Kenntnissen von Migrantinnen und Migranten: Assessmentverfahren als Grundlage von Integrationsplänen, S. 32 (PDF)
  3. Deutscher Bundestag: Bericht der Abgeordneten Günter Graf (Friesoythe), Hartmut Koschyk, Marieluise Beck (Bremen), Dr. Max Stadler und Ulla Jelpke. Drucksache 14/6573 (PDF)
  4. Bundeszentrale für politische Bildung: Deutsche „Bleibehilfen“ für die Minderheiten in den Herkunftsländern
  5. Gerd Stricker: Deutsche Geschichte im Osten Europas: Rußland. 1997. http://www.lib.ndsu.nodak.edu/grhc/order/german_language/strickerger.html

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