Räumung der Mainzer Strasse

Räumung der Mainzer Strasse

Die Räumung der Mainzer Straße im Bezirk Friedrichshain in Berlin am 14. November 1990 war eine Straßenschlacht um zwölf besetzte Häuser und gilt als einer der massivsten Polizeieinsätze Berlins in der Nachkriegszeit.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Besetzte Häuser in der Mainzer Straße

Nach der Wende zog es viele Autonome aus der Kreuzberger Hausbesetzerszene in den Osten der Stadt. Am 29. April 1990 wurden zwölf Häuser in der Mainzer Straße besetzt. Dabei entstand unter anderem auch das heute noch existierende Tuntenhaus, das später in die Kastanienallee zog. Zum 24. Juli übernahm der Ost-Berliner Magistrat die so bezeichnete „Berliner Linie“ aus Westberlin für den Osten der Stadt, nach der neben der Tolerierung bereits besetzter Häuser Neubesetzungen umgehend unterbunden werden sollten.

Alternative Wohnprojekte im Juni 1990

Am Morgen des 12. November wurden daraufhin drei neu besetzte Häuser in der Pfarrstraße und der Cotheniusstraße von der Polizei geräumt, worauf es mittags auf der Frankfurter Allee zu einer Demonstration der Bewohner in der Mainzer Straße kam. Aufgrund errichteter Barrikaden und ausgehobener Gräben am Ende der Straße kämpfte die Polizei mit Wasserwerfern und Räumpanzern bis ca. drei Uhr früh und zog sich anschließend zurück. Am nächsten Tag beschloss der Regierende Bürgermeister Walter Momper gemeinsam mit dem Innensenator Erich Pätzold die Häuser in der Mainzer Straße räumen zu lassen, nach Aussage des Koalitionspartners Alternative Liste (AL), ohne dies mit ihm abzusprechen. Momper dagegen behauptet, der Senatsbeschluss sei „unter Einschluss der Grünen“ gefasst worden und sieht in der Gegenposition eine „Legende“.[1]

Räumung

In der Nacht zum 14. November wurden die Barrikaden von den Hausbesetzern erhöht, um ein Durchkommen der Polizei zu verhindern. Mit dem Einsatz von Wasserwerfern, Hubschraubern, Tränengas und Schusswaffen stürmten etwa 4.000 Polizisten gegen fünf Uhr morgens die Straße, die von ca. 500 Autonomen mit Steinen und Molotowcocktails verteidigt wurde. Ein Großteil der Häuser war nach circa zwei Stunden geräumt. Die letzten Besetzer und deren Unterstützer, die sich zum Teil in einzelnen Zimmern verbarrikadiert hatten, wurden erst einige Zeit später von der Polizei festgesetzt und, nachdem man sie auf den Hinterhöfen durchsucht hatte, einige Stunden später in verschiedene Polizeireviere verbracht. Insgesamt gab es mindestens 300 Festnahmen und viele zum Teil schwer Verletzte. Etwa 10.000 Demonstranten versammelten sich am Abend um gegen die Räumung zu protestieren.[2]

Folgen und weitere Entwicklung

Nach der Schlacht war die Mainzer Straße stark verwüstet. Die Senatorinnen Anne Klein, Michaele Schreyer und Sybille Volkholz traten zurück, und die Rot-Grüne Koalition wurde seitens der Alternativen Liste (AL) beendet.

Als Reaktion auf die heftigen Straßenschlachten rief der Bezirk Mitte einen runden Tisch ein, der eine Legalisierung der Besetzungen erreichen sollte. In der Folgezeit wurden für zahlreiche andere besetzte Häuser im Osten und im Westen der Stadt Verträge mit den Besetzergruppen abgeschlossen, so beispielsweise auch bei der Köpi in Berlin-Mitte. Teilweise wurden die Häuser saniert. Zwischen 1996 und 1998 ließ der damalige Innensenator Jörg Schönbohm von der CDU nach und nach die noch besetzten Häuser in Friedrichshain räumen. Heute erinnert in der Mainzer Straße nichts mehr an die Vorfälle und Auseinandersetzungen von 1990.

Medien

  • Berlin - Mainzer Straße 264 Seiten, 87 Dokumente und Fotos, u.a. von Harald Hauswald, Merit Pietzker und Heinrich Zille ISBN 3-86163-020-6
  • Kollektiv Mainzer Straße: „Sag niemals nie“, Berlin 1991, 100 min. Video-Dokumentation über die Mainzer Straße und die Räumung
  • Die US-amerikanische Regisseurin Juliet Bashore drehte zwei Filme über das Tuntenhaus. Im ersten („The Battle of Tuntenhaus“) geht sie neben dem Leben im Haus vor allem ein auf die Nazi-Bedrohung, die u.a. von dem von Rechten besetzten Haus in der Weitlingstraße ausging. Im zweiten interviewt sie Bewohner ca. 2 Jahre nach der Räumung. [1]

Einzelnachweise

  1. „Ihre Stadt steht in Flammen“ Tagesspiegel vom 14. November 2005
  2. Die Räumung der Mainzer - Chronik bei taz

Weblinks

52.51277777777813.4622222222227Koordinaten: 52° 30′ 46″ N, 13° 27′ 44″ O


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