Hausbesetzung

Hausbesetzung
Besetztes Haus in Stuttgart (2005)

Eine Hausbesetzung ist die widerrechtliche Inbesitznahme leerstehenden Wohnraums gegen den Willen oder ohne Berücksichtigung des Willens des Eigentümers. Besetzte Häuser werden in einigen Ländern, z. B. Frankreich, Großbritannien, Polen und Ungarn, als Squats bezeichnet. Als Beweggründe geben die Hausbesetzer häufig an, dass Wohnraum oder Räume für soziale und kulturelle Veranstaltungen fehlten oder nicht bezahlbar seien.

Inhaltsverzeichnis

Ursachen und Unterscheidungen

Symbol der Hausbesetzer

Hausbesetzungen werden aus verschiedenen, sich oftmals überlappenden Motiven durchgeführt: Diese sind der Wunsch nach kostenlosem Wohnraum, eigener Wohnungsmangel oder sogar Obdachlosigkeit und Protest gegen spekulativen Leerstand und hohe Mieten. Hausbesetzer grenzen sich meist bewusst von gesellschaftlichen Normen ab und versuchen, alternative Formen des Zusammenlebens zu entwickeln.

Das selbsterklärte Ziel von Instandbesetzungen ist es, verfallene Häuser vor dem Abriss zu retten und wieder bewohnbar zu machen.

Bei den Hausbesetzungen gibt es grundsätzlich zwei Klassen:

  • „offene besetzte Häuser“, bei denen die Öffentlichkeit wissen darf – und soll – dass das Haus besetzt ist. Häufig hängen Transparente an der Fassade, es werden Flugblätter verteilt, etc.
  • so genannte „stille Besetzungen“, hierbei ziehen die Menschen einfach ein und versuchen, die Besetzung nicht öffentlich zu machen.

Das Symbol der Hausbesetzerbewegung ist ein Kreis, durch den ein N-förmiger Blitz von links unten nach rechts oben verläuft. Das Symbol soll in der niederländischen Hausbesetzerszene der 1970er-Jahre entstanden und einem Zinken nachempfunden worden sein, der ebenfalls aus einem Kreis mit einem Blitz bestand und so viel wie „hier kann man gut eine Nacht bleiben“ bedeutet haben soll. Der Buchstabe N, als der sich der Blitz lesen lässt, wird als Abkürzung für „neemt“ interpretiert, dem niederländischen Wort für „genommen“ oder im übertragenen Sinn „besetzt“.

Eine andere Erklärung ist die Herkunft aus dem nordamerikanischen Indianersymbolschatz: ein im Kreis liegender, nach oben zeigender Pfeil bedeutet "Der Kampf geht weiter". Ein Blitzsymbol bedeutet "schnell".

Geschichtliche Entwicklung

Viele der in den 1970er-, 1980er- und 1990er-Jahren in Deutschland und den Niederlanden durchgeführten und andauernden Hausbesetzungen sind heute legalisiert. Dies bedeutet, dass die Bewohner mit den Eigentümern Duldungs-, Miet- oder Nutzungsverträge abgeschlossen haben. Einige Mietverhältnisse sind nicht formell legalisiert, haben aber einen inoffiziellen Status durch Duldung. In der Schweiz haben besetzte Häuser häufig einen „Gebrauchsleihevertrag“, der sichert, dass die Hausbesetzer auch Strom und Wasser bezahlen.

Dänemark

Mit der seit 1971 bestehenden Freistadt Christiania, einer autonomen Wohnsiedlung auf einem ehemaligen Militärgelände in Kopenhagen, befindet sich eine der ältesten und am längsten existierenden Besetzung Europas in Dänemark. Eine weitere bekannte Hausbesetzung war jene des Ungdomshuset (Jugendhaus), das 1982 besetzt wurde und 2007, begleitet von Krawallen, geräumt wurde.

Deutschland

Im September 1970 hatten Studenten, Familien aus Obdachlosensiedlungen und ausländische Arbeiter in der Eppsteiner Straße 47 im Frankfurter Stadtteil Westend vermutlich zum ersten Mal im Nachkriegsdeutschland ein leer stehendes Haus besetzt,[1] die Häuser in der Liebigstraße 20 und Corneliusstraße 24 folgen einen Monat später[2] (siehe hierzu auch: Frankfurter Häuserkampf).

Hausbesetzer in Berlin-Kreuzberg (1981)

Die Hausbesetzerszene Westdeutschlands war insbesondere Ende der 1970er und in den 1980ern aktiv. Anfang der 1980er fand in Münster der erste bundesweite Kongress der Hausbesetzer statt. In der Wendezeit wurden viele Häuser in der DDR besetzt (weil dort ein Machtvakuum herrschte, die Ostberliner Polizei war nicht mehr und die Westberliner Polizei noch nicht befugt einzugreifen). Die Besetzung von Häusern war oft ein „politischer Protestakt gegen das politische System“ des jeweiligen Staates. Es kam nicht selten zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Dies geschah vor allem bei Demonstrationen und Räumungen.

Kundgebung im Berliner Häuserkampf
Besetzte Häuser in der Mainzer Straße in Berlin-Friedrichshain (1990)

In West-Berlin kam es insbesondere in Kreuzberg infolge der Flächensanierungspolitik des Senates seit 1964/1965, die den flächendeckenden Abriss von Altbauquartieren und gleichzeitigem Neubau von modernen Großsiedlungen vorsah (wie beispielsweise Gropiusstadt oder das Märkische Viertel), zu einer Wohnungsknappheit. Die Nachfrage nach Wohnungen war größer als das Angebot, weil sich Abriss und Neubau von Wohnungen nicht in gleicher Geschwindigkeit entwickelten. Das Flächensanierungskonzept sah aus Kostengründen vor, Straßenzüge nur als Ganzes abzureißen. Hierfür mussten jedoch erst einmal alle Wohnungen des jeweiligen Straßenzuges „entmietet“ werden, was zu einem langwierigen, jahrelangen Prozess ausartete. Die bereits „entmieteten“ Wohnungen wurden nicht wieder neu vermietet und standen somit teilweise seit mehr als einem Jahrzehnt leer, obwohl zwischenzeitlich insbesondere viele jüngere zugezogene Menschen, die beispielsweise in West-Berlin der Pflicht zum Wehrdienst entgehen wollten, dringend nach Wohnraum suchten. Von den hunderten leerstehenden Häusern wurden dann von der aufkommenden Hausbesetzerszene etliche in Beschlag genommen, um ihren weiteren Verfall und den darauf folgenden Abriss zu verhindern. Ein weiteres Motiv war die Verhinderung von gentrifizierenden "Luxussanierungen" im Altbaubestand. Forderungen der "InstandbesetzerInnen" waren u.a.: preiswerten Wohnraum erhalten und nur jene Baumaßnahmen (möglichst in Eigenarbeit) durchführen, die von den Bewohnern als notwendig erachtet wurden. 1980/81 waren mehr als 160 Häuser besetzt. Bei Versuchen, diese polizeilich zu räumen, lieferten sich HausbesetzerInnen und Polizei zum Teil dramatische Straßenschlachten (siehe auch: Schlacht am Fraenkelufer). Berlins erste Bewegung mündete im Jahre 1981 in Rückzugsgefechten, als der Senat die „Berliner Linie“ verkündete, die keine Neubesetzungen mehr möglich machte. Zuvor hatten sich die BesetzerInnen über die Legalisierung der Häuser in zwei Lager gespalten: Die einen wollten ihr neues Wohn- und Lebensverhältnis sichern, während die anderen den Besetzerstatus und ihre damit verbundenen politischen Ziele nicht aufgeben wollten. Durch Verhandlungen mit Besitzern und Senat wurden ca. 80 Häuser legalisiert, die meisten davon als Selbsthilfeprojekte, für die Senatsgelder zur Verfügung gestellt wurden. Die anderen Häuser wurden Zug um Zug geräumt. Ab 1983 ging der West-Berliner Senat zu einer Politik der sogenannten „behutsamen Stadterneuerung“ über, die die Entwicklung von Sanierungskonzepten in Absprache und mit der Beteiligung der betroffenen Bewohner vorsah.[3]

Bekannte Hausbesetzungen sind die 1980 besetzte ehemalige Stollwerck-Schokoladenfabrik in Köln, die 1989 besetzte Rote Flora in Hamburg, das 1990 besetzte Kunsthaus Tacheles, das im selben Jahr besetzte und 1991 legalisierte Wohnprojekt Köpi, die Hafenstraße in Hamburg, die Kiefernstraße in Düsseldorf, die Besetzung des Topf-und-Söhne-Geländes in Erfurt von 2001 bis 2009 und die Häuser in der Mainzer Straße (Berlin-Friedrichshain). Nicht zuletzt durch den Rauch-Haus-Song von Ton Steine Scherben ist das Georg-von-Rauch-Haus in Berlin-Kreuzberg bekannt, eine seit 1971 bestehende Besetzung.

Auch in kleineren Städten gab es spektakuläre und erfolgreiche Hausbesetzungen. In Tübingen sind dies etwa das Richard-Epple-Haus und das ehemalige Polizeihauptquartier im Stadtzentrum, die Münzgasse 13, das zum selbstverwalteten Wohnprojekt wurde, in Hanau ist seit 1986 das Haus in der Metzgerstraße 8 besetzt und wird als autonomes Kulturzentrum genutzt, in Weimar die Gerberstraße I und III, in Paderborn die ehemaligen Häuser am Ort der heutigen Libori-Gallerie (um 2000) und am Hauptbahnhof das ehemalige DB-Verwaltungsgebäude, welches als Autonomes Zentrum RABATZ über Wochen genutzt und gewaltsam durch ein Polizei-Großaufgebot geräumt wurde (2007)[4], in Leipzig die Häuser in der Stockartstraße in der Nähe des Conne Islands und in Potsdam das Boumans. Im Zusammenhang mit der (wenig erfolgreichen) Hausbesetzerbewegung in München standen die Gruppen Freizeit 81 und Robin Haus (Rob in House).[5]

Niederlande

Die ersten Hausbesetzungen in den Niederlanden fanden im Rahmen der Provo-Bewegung in den 60er Jahren des 20.Jahrhunderts statt. In Amsterdam war in dieser Zeit bezahlbarer Wohnraum knapp geworden. Leerstehende Häuser wurden nach dem Weiße-Häuser-Plan nicht nur besetzt, um ihren Abriss zu verhindern und damit einen Beitrag zum Erhalt der Innenstadt zu leisten, auch fanden Wohnungssuchende - vor allem Studenten - auf diese Weise eine Bleibe. Die Aktionen dienten außerdem dem Protest gegen verschiedene Bauvorhaben großer Banken und wendeten sich gegen das Spekulantentum. Es entstand eine Hausbesetzer-Bewegung (kraakbeweging), die zunächst von den „Wohnbüros" De Kraker und De Koevoet organisiert wurde und bald weitere Aktionen im ganzen Land hervorrief.

Die niederländische Bevölkerung stand dem zunächst skeptisch gegenüber, was sich aber 1980 änderte: Bei der wiederholten Besetzung und Räumung eines Hauses in der Amsterdamer Vondelstraat kam es zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung, bei denen der Staat Panzer einsetzte, die die aufgestellten Barrikaden durchbrachen. Dieses Vorgehen gegen die eigenen Landsleute bei anhaltender Wohnungsnot brachte der Hausbesetzerbewegung Sympathien seitens der Bevölkerung ein. Anlässlich der bevorstehenden Krönung von Beatrix zur Königin der Niederlande am 30. April 1980 entstand die Losung „keine Wohnung – keine Krönung“ („geen woning, geen kroning“), um den Forderungen der Hausbesetzer Nachdruck zu verleihen[6].

Inzwischen sind einige der besetzten Häuser legalisiert und in selbstverwalteten Wohnkollektiven aufgegangen[7], beispielsweise das ehemalige Römisch-Katholische Krankenhaus (Oude RKZ) in Groningen – das größte besetzte Gebäude der Niederlande, wo etwa 260 Menschen in 232 Wohneinheiten leben[8] – oder Eurodusnie in Leiden.

Die Immobilienbesitzer wiederum versuchten zunächst mit Selbsthilfe den Krakern Einhalt zu gebieten, und zwar in dem sie Familienmitglieder, Freunde oder Bekannte in ihrem leerstehenden Eigentum unterbrachten, was das Eindringen von "fremden" Krakern verhindern sollte. Daraus haben sich professionelle Vermittlungsagenturen (Antikraakbureaus) entwickelt, die Wohnungssuchende auswählen, damit diese im Sinne des Eigentümers so lange im betreffenden Objekt verweilen, bis der Abriss oder ein ähnliches Vorhaben ansteht. Die Gebühren für die Nutzungserlaubnis sind oft deutlich niedriger als die Miete in Wohnkollektiven. Der vermittelte Wohnungsnutzer gilt nicht als Bewohner und erhält keinen Mietvertrag, so dass ihm im Falle der Wohnungskündigung keine Rechtsmittel zur Verfügung stehen. Für den Auszug hat der Antikraker in diesem Fall nur 14 Tage Zeit, jedoch sichern viele Agenturen ihren Kunden zu, ihnen bis dahin einen neuen Antikraak-Einsatzort zu vermitteln.

Seit 1. Oktober 2010 ist die Hausbesetzung gesetzlich verboten.

Österreich

Transparent bei einer „EKH Bleibt“-Aktion (2005)

In Österreich gab es mit der Besetzung des heutigen legalen Veranstaltungszentrums Arena in Wien durch Jugendliche in den 1970er-Jahren die erste große Besetzung. Bis zum Ankauf durch die Stadt Wien illegal war das seit 1990 besetzte Ernst-Kirchweger-Haus (EKH), das als Zentrum linker, antifaschistischer und sozialer Gruppierungen sowie als Veranstaltungszentrum bekannt ist.

Seit 2009 versucht eine Gruppe namens „Hausprojekt“ immer wieder ein Gebäude dauerhaft zur kulturellen Nutzung zu besetzen. Zuerst wurde am 2. Oktober jenes Haus in der Triester Straße besetzt, das der bekannten Beamten-Sitcom MA 2412 als Drehort diente.[9] Die Räumung erfolgte zehn Tage später, völlig unangekündigt.[10] Die nächste Besetzung dauerte nur eine Nacht, da bereits am nächsten Morgen mit Räumung gedroht wurde, und fand am 25. März 2010 im seit Jahren leer stehenden Gründerzeithaus in der Praterstraße 10 statt.[11] Zuletzt wurde im Juli 2010 für 12 Tage ein verlassenes ÖBB-Wohngebäude an der Philadelphiabrücke besetzt.[12][13]

Abgesehen von vereinzelten Hausbesetzungs-Versuchen gibt es in Wien auch zwei Wagenplätze, Gruppen von Menschen, die in ihren Fahrzeugen leben, hierfür jedoch Abstellplätze benötigen, die ihnen bisher nicht oder nur vorübergehend zur Verfügung gestellt wurden.[14]

Außerhalb Wiens gab es bekannte Besetzungen mit der Stadtwerkstatt in Linz, einer 1980 besetzten Fabrikhalle, die 1990 geräumt und abgerissen wurde und seither in einem kleinen angrenzenden Gebäude untergebracht und legalisiert ist, der ARGE in Salzburg und der Villa Kuntabunt in Innsbruck, die von 2003 bis 2005 besetzt war.[15] In Graz ereignete sich 2008-2010 eine Kampagne für ein Autonomes Zentrum, im Zuge deren lange leer stehende Häuser (Elisbethinergasse 21, Grendiergasse 5, Annenstrasse 2, Merangasse 50, Grazbachgasse [16], Grabenstrasse 45) vorübergehend besetzt wurde. Gespräche der AktivistInnen mit der Stadt scheiterten.[17]

Schweiz

Das „Sidi“ in Winterthur (2006)

Auch in der Schweiz gab und gibt es eine Hausbesetzerszene. Die bekannteste Hausbesetzung war jene der Roten Fabrik in Zürich Mitte der 1970er-Jahre, als Jugendliche und Studenten nach einem Jugend- und Kulturzentrum verlangten. In diesem Zusammenhang kam es zum Opernhauskrawall, der ausbrach, als die Stadt mit einem Volksfest für den Bau eines 61 Millionen Franken teuren Opernhauses warb, während der Entscheid einer Volksinitiative zur Schaffung eines Kulturzentrums in der Roten Fabrik seit 1977 nicht umgesetzt wurde. Ab Ende der 80er-Jahre wurde die Rote Fabrik legalisiert und wird seither subventioniert. Heute ist die Rote Fabrik das größte alternative Kulturzentrum der Schweiz.

Eine der größten Hausbesetzungen war jene des Wohlgroth-Areals von 1991 bis 1993. In mehreren Gebäuden waren rund 100 Bewohner sowie zahlreiche kulturelle und soziale Einrichtungen untergebracht. Zuletzt wurde 2010 mit der „Kalkbreite“, einem mehrstöckigen Gebäude am gleichnamigen Tramdepot, eine größere, mehrjährige Besetzung geräumt. Die „Kalki“ war sieben Jahre besetzt und diente den Besetzern nicht nur zum Wohnen sondern hatte regelmäßig Barbetrieb und veranstaltete Konzertabende.[18] In Zürich gibt es mehrere Gruppen, die immer wieder über kurz oder lang Häuser besetzen. So wohnten zeitgleich zur Kalkbreite-Besetzung etwa 40 Personen im großen Fabriks-Komplex „Binz“. Das 2006 besetzte Areal sollte 2009 geräumt und abgerissen werden, ist jedoch auch im Sommer 2010 noch besetzt.[19] Für Aufsehen sorgte 2009 die medienwirksame „Überweisung“ von 20.000 Franken an Vertreter des Kantons Zürich, die diesen Betrag als Kaution für etwaige Aufräum- und Entsorgungskosten nach einer Räumung verlangt hatten. Die Besetzer überbrachten diesen Betrag mit Schubkarren, in denen sich 400.000 Fünf-Rappen-Stücke befanden, auf die Bank.[20]

Außerhalb von Zürich gab es zum Beispiel die Besetzung des Fabrikareals Sidi in Winterthur im Jahr 2004. 2006 räumten die Besetzer das Gelände, worauf dort eine Neubausiedlung entstand. Eine der längsten Besetzungen in der Schweiz dürfte jene des Rhino in Genf gewesen sein. Diese wurde 2004, nach 19 Jahren, geräumt.[21]

Immer wieder werden öffentliche Plätze, große Gebäude und Areale kurz und vorübergehend besetzt. So wurde 2003 für mehrere Tage das Sulzer-Hochhaus in Winterthur, damals noch das höchste Hochhaus der Schweiz, aus Protest gegen die Luxussanierung von Wohnraum besetzt und 2008 wurde für ein „Volksfest“ als „Gegenveranstaltung zur Euro 2008“[22] unter dem Titel „Brotäktschn“ ein Wochenende lang das ungenützte Hardturm-Stadion in Zürich besetzt. Die aufwändige Besetzung des Stadions wurde als Baustelle getarnt lange vorbereitet.[23] Die Polizei war völlig überrascht und sah nach Rücksprache mit dem Eigentümer des Stadions, der Credit Suisse, von einer Räumung ab.[22]

Spanien

Die besetzte Festung Kasa de la Muntanya in Barcelona-Vallcarca (2006)
C.S.A. Can Vies in Barcelona. Seit 1997 besetztes Gebäude auf einem Grundstück der Bahn (2007)

Eine der aktivsten Hausbesetzerszenen Europas befindet sich in Spanien und dort wiederum in Barcelona. Eine wesentliche Ursache ist hierfür in der Tatsache zu sehen, dass über 80 % der Wohneinheiten Barcelonas Eigentumswohnungen – und somit für allein lebende Jugendliche nicht bezahlbar – sind.[24] Im Jahr 2000 waren rund 70 Häuser im Raum Barcelona besetzt, vor allem in den an die Altstadt angrenzenden Stadtteilen Sants und Gràcia. Tatsächlich dürften es heute viele mehr sein. Unter den Besetzern befinden sich neben solchen, die das besetzte Haus als Sozial- und Kulturzentrum betreiben wollen, solche, die lediglich eigenen Wohnraum benötigen und nicht allzu viel Aufsehen erregen wollen.[24]

Eine herausragende Rolle spielte 1996 das Kino Princesa in der Via Laietana 14. Als ehemaliges Gebäude der franquistischen Einheitsgewerkschaft war es in Besitz der in zahllose Immobilienskandale verwickelten Firma Fincas Forcadell gelangt. Am 10. März wurde das Haus besetzt, in den Folgemonaten entwickelte sich die Princesa zum politischen und Kulturzentrum. Nach der Verabschiedung des neuen spanischen Strafgesetzbuches (Nuevo Código Penal; CP) im Mai 1996 wurde Besetzung leerstehender Immobilien als Verbrechen behandelt, das mit Gefängnis geahndet werden kann. Am 28. Oktober beendeten Sondereinheiten der spanischen Nationalpolizei die Besetzung mit 49 Verhaftungen.

Das wahrscheinlich älteste noch besetzte „Haus“ ist das Kasa de la Muntanya, eine 1809 errichtete und 1989 besetzte Kaserne, die lange leer stand, aber nun als Immobilienobjekt in der gewachsenen Stadt wieder sehr begehrt ist. Unter anderem der Streit um den Besitz – zwischen Staat, der von der besitzenden Adelsfamilie nur ein Nutzungsrecht für eine Kaserne hatte – hat bislang eine Räumung des großräumigen Gebäudes verhindert.[24]

Die Hausbesetzerszene von Barcelona ist nach wie vor sehr aktiv und gut organisiert. So gibt es einen gemeinsamen nach Stadtteilen geordneten wöchentlichen, an einigen besetzten oder mit der autonomen Szene verbundenen Gebäuden ausgehängten Veranstaltungskalender („Info Usurpa“) für – schwankend – 40 bis 60 offene Zentren[25] und eine gemeinsame Wandzeitung („Contra-Infos“) der autonomen Szene, die in gleicher Weise ausgehängt werden. Darüber hinaus liegt an vielen Orten eine zwei Doppelseiten im A3-Format umfassende Hausbesetzerzeitung auf, die monatlich erscheint. Diese listet auch 39 centres socials okupats auf, also besetzte Häuser, die als offene Häuser geführt werden sowie eine Übersicht über Webseiten und Internetadressen an denen weiterführende Informationen bezogen werden können.[26] Darüber hinaus machen vor allem in Stadtvierteln mit einer erhöhten Anzahl von besetzten Häusern zahlreiche Graffiti, Stencils, Plakate und Sticker die Öffentlichkeit auf die Anliegen der autonomen sowie Hausbesetzerszene von Barcelona aufmerksam.

USA

In den USA unterscheiden sich die für Hausbesetzungen entscheidenden Gesetze von Staat zu Staat. Geschichtliche Bedeutung hatte das Besetzen von Land im Zuge der Besiedelung des Westens der USA, was als Squatting bezeichnet wird und wofür es eigene Gesetze gab. Besondere Bedeutung kommt der Hausbesetzung in der Hinsicht zu, als dass der soziale Wohnbau nur geringe Bedeutung am Wohnmarkt hat und die Immobilienspekulation, die lange Wohnungsleerstände in Erwartung steigender Wohnpreise in Kauf nimmt, große Bedeutung hat, während vor allem in den Städten Obdachlosigkeit ein großes Problem darstellt.

Vor diesem Hintergrund entstanden in der jüngeren Geschichte in den Ballungsräumen Bürgerinitiativen, die sich für das Recht von Obdachlosen auf Wohnraum einsetzen. Eine der bekannteren dieser Gruppen ist Homes Not Jails in San Francisco, die im Zuge der Rezession Ende der 80er-Jahre entstand und seit 1992 Hausbesetzungen organisiert und durchführt. Im Zuge der jüngsten Wirtschaftskrise entstand in Miami, eine der am meisten von der Immobilienkrise und in der Folge enormen Haus- und Wohnungsleerstand betroffenen Städte der USA, eine neue Organisation namens Take Back The Land. In Miami ging der Bauboom, der Auslöser der Immobilienblase und der folgenden Wirtschaftskrise, Mitte 2006 zu Ende. Die Stadt entwickelte sich in der Folge zum Ground Zero der Immobilienkrise. Ende 2008 befanden sich 5.500 Häuser vor der Zwangsversteigerung, ganze Neubauviertel stehen leer. Die Organisation möchte daher die 1.683 im Großraum Miami auf der Straße lebenden Personen in solchen Häusern unterbringen und als Gegenleistung für die Instandhaltung der Häuser sowie die Betriebskosten aufkommen.[27]

Juristische Bewertung

Deutschland

Der Eigentumserwerb durch eine Hausbesetzung ist in Deutschland nicht möglich. Zur Ersitzung des Eigentums an einem Grundstück (§ 900 BGB) ist nach deutschem Recht die 30-jährige unberechtigte Eintragung als Eigentümer im Grundbuch und ebenso langer Eigenbesitz erforderlich (Buch- oder Tabularersitzung).

Hausbesetzungen gegen den Willen des Eigentümers sind in Deutschland strafrechtlich Hausfriedensbruch nach § 123 Strafgesetzbuch (StGB). Wird die Einrichtung oder die Bausubstanz verschlechtert, können Sachbeschädigungen nach § 303 StGB vorliegen. Dem Eigentümer können überdies Ansprüche auf Schadensersatz oder auf Herausgabe der Nutzungen gegen die Besetzer zustehen (§ 985 BGB). Mit Hilfe einer Räumungsklage kann der Vermieter im Rahmen der Zwangsvollstreckung nach § 885 ZPO die Besetzer vor Gericht auf Räumung der besetzten Gebäude verklagen. Wird seiner Klage stattgegeben, kann er auf der Grundlage des Urteils (Räumungstitel) vom Gerichtsvollzieher die Durchsetzung der Räumung verlangen. Räumen die Besetzer nicht freiwillig, kann der Gerichtsvollzieher dabei unmittelbaren Zwang anwenden, also z. B. Schlösser aufbrechen und austauschen oder die Besetzer unter polizeilicher Gewaltanwendung aus der Wohnung setzen (Zwangsräumung).

Österreich

Für Gebäude in Privatbesitz gelten in Österreich sehr ähnliche Bestimmungen wie in Deutschland.

Niederlande

In den Niederlanden heißen Hausbesetzer Kraker. Seit der Einführung eines Gesetzes im Oktober 2010 droht Hausbesetzern künftig mindestens 1 Jahr Haft, bei gewalttätigem Verhalten sogar bis zu 2 Jahren und 8 Monaten.

Davor war es unter bestimmten Voraussetzungen geduldet, ein Haus zu besetzen. Dazu gehörte der Leerstand des Hauses über mindestens ein Jahr, bei welchem der Besitzer nicht nachweisen konnte, dass er das Haus in Kürze wieder in Gebrauch nehmen oder vermieten wollte. Um sich selbst einer Straffreiheit zu versichern, schalteten Hausbesetzer selbst manchmal die Polizei ein, bevor sie ein Haus besetzten: diese konnte dann offiziell den Leerstand bestätigen. Hausbesetzung war in den Niederlanden kein Hausfriedensbruch, wenn weder Schlösser aufgebrochen wurden, noch das Haus durch eine andere Person in Gebrauch war.[28] Die Besetzung eines Hauses, das weniger als ein Jahr leer stand, war strafbar.

Maßnahmen bei drohender Räumung und Strafprozessen

In der Hausbesetzerszene werden Strafmaßnahmen wegen Hausfriedensbruch als ungerechtfertigt[29] und Einschüchterung[30] empfunden. Durch Öffentlichkeitsarbeit[31] und Demonstrationen wird vor allem in der linksalternativen Szene die Hausbesetzung unterstützt und sich gegen Repression und für den Erhalt der Häuser eingesetzt. Für die Kosten der Prozesse gegen Hausbesetzer und von Strafverfolgung Betroffenen wird Geld gesammelt und für anwaltliche Betreuung gesorgt. In den Gerichtsverhandlungen ist man bemüht, das politische Anliegen der Besetzung deutlich zu machen.[32]

Siehe auch

Filme

Musik

Literatur

  • Susan Arndt (Hrsg.): Berlin, Mainzer Strasse: „wohnen ist wichtiger als das Gesetz“. Basis-Druck, Berlin ISBN 3-86163-020-6
  • Autonome Lupus-Gruppe: Die Hunde bellen … Von A bis RZ. Eine Zeitreise durch die 68er Revolte und die militanten Kämpfe der 70er bis 90er Jahre. Unrast Verlag, Münster 2001, ISBN 3-89771-408-6
  • Bernd Drücke: Zwischen Schreibtisch und Straßenschlacht? Anarchismus und libertäre Presse in Ost- und Westdeutschland. Verlag Klemm & Oelschläger, Ulm 1998, ISBN 3-932577-05-1 (insb. Die Hausbesetzerbewegung und ihre Presse, S. 129 ff.)
  • Geronimo: Feuer und Flamme. 6. Auflage. ID-Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-89408-004-3
  • Ingrid Müller-Münch (Hrsg.): Besetzung: weil das Wünschen nicht geholfen hat. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 1981, ISBN 3-499-14739-4
  • Thomas Stahel: Wo-Wo-Wonige!: Stadt- und wohnpolitische Bewegungen in Zürich nach 1968, 2006 (Dissertation). PDF
  • Martin Veith: Selbstbestimmtes Leben im besetzten Haus - Die Schwabstrasse 16b. In: Eine Revolution für die Anarchie. Zur Geschichte der Anarcho-Syndikalistischen Jugend (ASJ) im Großraum Stuttgart 1990-1993. Verlag Edition AV, Lich 2009, ISBN 978-3-86841-005-1 (S. 184-197)
  • Leben, wo das Leben ist, basta. In: Der Spiegel. Nr. 1, 1985 (31. Dezember 1984, über Hausbesetzer in Amsterdam, online).

Weblinks

 Commons: Hausbesetzung – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Der Spiegel 47/1970 vom 16. November 1970, Aufgeben können wir nicht mehr, S. 49 ff.
  2. Serhat Karakayali Lotta Continua
  3. Häußermann&Kapphan: Berlin: von der geteilten zur gespaltenen Stadt? Sozialräumlicher Wandel seit 1990, Leske+Budrich Verlag, Opladen 2002
  4. RABATZ - ein selbstverwaltetes soziokulturelles zentrum für paderborn
  5. Münchner Merkur: Hausbesetzung im Westend 12/02
  6. http://geschiedenis.vpro.nl/artikelen/22138418/ "geen woning, geen kroning" 1980 (niederländisch, abgerufen am 12. Mai 2010)
  7. http://www.omslag.nl/wonen/woongroepen.html Überblick über verschiedene Wohnkollektive in den Niederlanden (niederländisch, abgerufen am 12. Mai 2010)
  8. http://www.orkz.nl/content/historie Geschichte des Oude Rooms-Katholieke Ziekenhuis in Groningen (niederländisch, abgerufen am 12. Mai 2010
  9. Österreich (oe24.at): Abbruchhaus in Wien-Favoriten besetzt 2. Oktober 2009
  10. hausprojekt.noblogs.org: Hausprojekt in der Triester Straße 114 geräumt! 12. Oktober 2009
  11. Indymedia Österreich: Ab sofort: Besetzung der Gruppe Hausprojekt
  12. derstandard.at: Besetzer, Lebenszeichen und die ÖBB. 8. Juli 2010
  13. derstandard.at: Haus in der Eichenstraße 9 geräumt. 13. Juli 2010
  14. Die Presse: Wiener Wagenplatz: Wien-Holding vermietet Areal. 19. Oktober 2009
  15. Villa Kuntabunt: Chronologie eines Häuserkampfes. Indymedia (abgerufen am 15. Oktober 2008)
  16. http://www.youtube.com/watch?v=78mHvedZ5zE
  17. http://www.kleinezeitung.at/allgemein/video/multimedia.do?action=showEntry_VideoDetail&project=462&id=46580
  18. Tagesanzeiger: Sonderkommando räumt nach sieben Jahren die "Kalkbreite". 17. März 2010
  19. Tagesanzeiger: Die Binz-Besetzer bleiben chancenlos. 2. August 2009
  20. Tagesanzeiger: Fünfräppler-Aktion kommt die Binz-Besetzer teuer. 29. September 2009
  21. Indymedia Schweiz: Das Rhino in Genf geräumt! 23. Juli 2007
  22. a b Neue Zürcher Zeitung: Linksautonome besetzen Hardturm-Stadion. 4. Juli 2008 (abgerufen am 15. Oktober 2008)
  23. Eine Besetzung für ganz Zürich. Fabrikzeitung, August 2008
  24. a b c Leben in der Lücke, Online-Wochenzeitung Jungleworld, 25. Oktober 2000
  25. Info Usurpa – Butlleti setmanal de contr@informació des del 1996. Nr. 486, 11. bis 17. Juli 2007 (seit 1996 öffentlich aushängender, wöchentlich aktualisierter Veranstaltungskalender für besetzte Häuser und autonome Zentren in Barcelona)
  26. okupar bon. offen und gratis aufliegende Zeitung der Hausbesetzerszene von Barcelona, Mai 2007, kein Impressum, keine Seitenzahlen
  27. Rita Neubauer: Obdachlose in ‚befreiten‘ Häusern. Der Standard, 20./21. Dezember 2008, S. 21
  28. Paragraph 138 des niederländischen Strafgesetzbuches („Nederlands Wetboek van Strafrecht; März 2008“)
  29. Videodokumentation: Irgendwie, Irgendwo, Irgendwann, hrsg. von Medienpädagogisches Zentrum HafenstraßenbewohnerInnen 1989 (DVD 2007)
  30. Zur Hafenstraße vom 19. Juli 1987
  31. Dokumentation eines Flugblattes zu den Kämpfen um die Hafenstraße 1987
  32. So fanden aus Solidarität und zur politischen Stärkung der Hausbesetzerbewegung für ein neues Ungdomshuset in Dänemark verschieden Aktionen statt Eckernförde, Karlsruhe, Flensburg und Jena 1 sowie Jena 2.
  33. Eintrag in der IMDB-Filmdatenbank
  34. Download über indypeer.org
  35. Züri brännt (Schnitt Online, DVD)
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