Römerkastell Böhming

Römerkastell Böhming

hf

Kastell Böhming
ORL 73a
Limesabschnitt Rätischer Limes,
Strecke 14
Datierung (Belegung) 1. Hälfte des 2. Jh. n. Chr.
bis spätestens 260 n. Chr.
Typ Numeruskastell
Einheit höchstwahrscheinlich ein Numerus, Name unbekannt
Größe 95 × 78 (74) m = 0,7 ha
Bauweise a) Holz-Erde b) Steinkastell
Erhaltungszustand deutlich sichtbare 1,5 m hohe Erderhebung
Ort Böhming
Geographische Lage 48° 56′ 46″ N, 11° 21′ 39″ O48.94611111111111.3608333333337Koordinaten: 48° 56′ 46″ N, 11° 21′ 39″ O
Vorhergehend Kastell Pfünz (rückwärtig, südwestlich)
Anschließend Kleinkastell Güßgraben (südöstlich)

Das Kastell Böhming ist ein ehemaliges römisches Kastell, das nahe am Obergermanisch-Rätischen Limes, einem UNESCO-Weltkulturerbe, errichtet wurde und westlich des Dorfes Böhming im Landkreis Eichstätt in Bayern liegt. Die höchstwahrscheinlich für eine 150 bis 200 Mann starke Besatzung (Numerus) zur Grenzsicherung errichtete Befestigung ging mit dem Limesfall im Jahr 260 n. Chr. unter.

Inhaltsverzeichnis

Lage und Forschungsgeschichte

Das in der Altmühlniederung gelegene Kastell Böhming liegt 400 m westlich von Böhming auf der Flur „Kirchfeld“ und ist durch seine markanten 1,5 m hohen Wallkanten sehr gut im Gelände sichtbar. Den Bereich des Stabsgebäudes, der Principia, überlagert heute teilweise die freistehende Dorfkirche St. Johannes mit Mesnerhaus, Friedhof und Nebengebäude. Bis zum südlich gelegenen Kohortenkastell Pfünz sind es rund 15 km. In etwa 900 m westlicher Entfernung des Numeruskastells Böhming läuft der Limes auf einem bewaldeten Bergsporn, der von hochaufragenden, steilen Felswänden getragen wird. Ein antiker Weg läuft über den Steilhang direkt zur ehemaligen römischen Reichsgrenze und zu den Wachtürmen Wp 14/74–78. Bis Kipfenberg, dort quert der Limes das Altmühltal, sind es 2,5 km.

Der Ausgräber Friedrich Winkelmann, ein Streckenkommissar der Reichs-Limes-Kommission (RLK), erläuterte die Lage des Kastells mit seinem Vicus folgendermaßen:

Sehr auffallend ist die Lage des Kastells, das sich nur 2,2 m über den mittleren Wasserstand der Altmühl erhebt, also noch innerhalb des Bereiches der häufig auftretenden Hochwasser. Ein zwingender Grund, diese Lage zu wählen, kann wenigstens in den Terrainverhältnissen nicht gefunden werden, da hinter der Südostseite der Boden ganz flach ansteigt. Es scheint, daß das Bett der Altmühl in römischer Zeit tiefer eingeschnitten war.[1]

Bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatte man die Wälle von Böhming als römerzeitlich erkannt. Unter Winkelmann fanden dann von 1898 bis 1905 die ersten gezielten Ausgrabungen statt. Wichtigster Fund war neben dem Architekturbefund die vollständig erhaltene Bauinschrift. 1959 konnte man zusätzlich zu den Beobachtungen der RLK einen weiteren Zwischenturm an der südöstlichen Schmalseite der Anlage ausmachen. Im gleichen Jahr entdeckte man das Brandgräberfeld.

2007 fand eine flächendeckende Begehung des Kastellplatzes mithilfe der Geomagnetik statt, wobei ohne Ausgrabung erstmals die Strukturen des Areals detaillierter nachgewiesen werden konnten, als dies zu Zeiten der Reichs-Limes-Kommission möglich gewesen ist. Eine Ausgrabung wurde aber vom bayerischen Landeskonservator für Bodendenkmäler, Sebastian Sommer, „kategorisch abgelehnt“. Fördermittel ständen nur für eine Bepflanzung des Areals zur Sichtbarmachung der ehemaligen Strukturen zur Verfügung.[2]

Die nichtbebauten Flächen des Kastells werden heute landwirtschaftlich genutzt.

Baugeschichte

Die Kirche von Böhming steht auf Teilen der Principia des ehemaligen Kastells.
Nordostwall des Kastells. Auf dem Bergsporn im Hintergrund stand der Limesturm Wp 14/78 in Sichtkontakt mit dem Kastell
Südostwall des Kastells. Auf dem Höhenzug im Hintergrund läuft die Limesmauer

Unter dem Steinkastell wurden immer wieder Hinweise auf eine ausgedehnte Brandschicht entdeckt, darin Eichen- und Fichtenbohlen, Terra Sigillata und verbrannte Lehmbrocken. Daraus konnte geschlossen werden, dass dem späteren Steinkastell eine durch Feuer zerstörte Holz-Erde-Anlage mit Fachwerkbebauung vorausgegangen ist. Deren Gründung ist unsicher. Zu diesem Zerstörungshorizont gehört die zeitliche Stellung der Markomannenkriege (166–180), die auch in diesem Gebiet wüteten.

Wie die 1898 von Winkelmann aufgefundenen Bauinschrift aus Ellinger Sandstein vermerkt, wurde in Böhming im Jahr 181 unter der Statthalterschaft des Spicius Cerialis von einer Abteilung der Legio III Italica aus Regensburg, die der Centurio Iulius Iulinus führte, die Wehrmauer mit Toren und Türmen erbaut. Danach errichtete die in Pfünz stationierte Cohors I Breucorum unter ihrem Kommandanten Aelius Fortis, ebenfalls ein Centurio der Regensburger Legion, die Innenbebauung. Man nimmt an, dass der in Böhming stationierte Numerus zu wenig eigene Bauhandwerker hatte und daher andere Kräfte den Steinausbau übernahmen. Dies ist vermutlich der Grund, warum der Name des Numerus nicht in der Bauinschrift, die ursprünglich am Südwesttor angebracht war, auftaucht.[3]

Die 95 × 78 (74) m große und 0,7 ha umfassende Wehranlage von Böhming war in seiner Längsachse genau von Südosten nach Nordwesten gedreht, dort lag auch die Prätorialfront. Das Stabsgebäude (Principia) lag in der kleineren Südosthälfte der Fortifikation. Das Lager war von einem Spitzgraben umgeben, der an den beiden Toren aussetzte. Diese Tore besaßen jeweils nur eine Durchfahrt, flankiert von jeweils zwei Tortürmen. Neben den vier Ecktürmen wurden in Böhming zwei weitere Türme an der kürzeren Nordwest- und Südostmauer entdeckt.

Das kleine Kastellbad (Balineum) lag rund 100 Meter vom Südwesttor entfernt an der dort ausfallenden Römerstraße.

Mit den Alamannenkriegen verlieren sich auch in Böhming, dessen antiker Name unbekannt ist, die Spuren der Besiedlung, obgleich bislang keine Anzeichen einer gewaltsamen Zerstörung wie im rückliegenden Kastell und Vicus Pfünz beobachtet werden konnten.

Für den Bau der ersten Kirche von Böhming, die um 1182 an der gleichen Stelle geweiht worden war, wurde das Baumaterial aus dem Kastellbereich geholt.

Vicus, Tempel, Brandgräberfeld

Der für das kleine Kastell verhältnismäßig große Vicus konnte vor allem im Süden und Südwesten beobachtet werden. Unmittelbar neben dem Kastellbad wurde ein weiteres kleines Gebäude aufgedeckt, das vielleicht als Tempel interpretiert werden kann, da dort ein Altar für die Göttin Fortuna redux aus dem Jahre 215 aufgefunden worden ist.[4]

Das 1959 beim Bau einer Wasserleitung entdeckte Brandgräberfeld mit Bestattungen aus dem 2. und 3. Jahrhundert befand sich in 200 m südöstlicher Entfernung des Kastells an der römischen Straße nach Kipfenberg und reicht heute bis unter das Dorf Böhming.

Der Torso einer aus Bronze gegossenen Jupiter-Plastik wurde zusammen mit der Bauinschrift in das ur- und frühgeschichtliche Museum Eichstätt verbracht.[4]

Von all diesen Grabungen ist heute nichts mehr sichtbar.

Numerus

Die nach Böhming abkommandierte, namentlich unbekannte Abteilung, war ein Numerus (dt. „Einheit“). Diese Einheiten gehörten zu den römischen Hilfstruppen, waren aber nicht so standardisiert, wie die Auxilia, welche in den Gründungstagen der Numeri bereits fester Bestandteil des römischen Heeres waren. Die Numeri entstanden am Ende des 1. Jahrhunderts, als die ersten Limesstrecken eingerichtet wurden. Der Bedarf an kleineren Einheiten zur Grenzüberwachung wuchs enorm, was auch finanzielle Folgen für das Reich hatte. So wurden junge Einheimische regional ausgehoben und mit geringerem Sold und weniger striktem Standard in neuerrichtete Standorte abkommandiert. Die Numeri wurden wie die Auxilia nach ihrer ursprünglichen völkischen Herkunft benannt und haben scheinbar bei der Entlassung nicht das römische Bürgerrecht erhalten.[5]

Limes

Spuren der Limesbauwerke zwischen Pfahldorf und der Altmühl

Die nach 170 schrittweise ausgebaute rätische Mauer in der Nähe von Kastell Böhming.

ORL[A 1] Name/Ort Beschreibung/Zustand
Wp 14/74[A 2] Nur vermutete, archäologisch nicht nachgewiesene Turmstelle östlich von Pfahldorf [A 3]. Rund 150 m südöstlich von dieser Stelle entfernt wird die rätische Mauer im Wald, begleitet von einem Weg, als deutlicher Schuttwall sichtbar.
Wp 14/75 Östlich von Pfahldorf 50 Meter nach dem Beginn des Schuttwalls werden die Reste von WP 14/75 sichtbar [A 4]. Der 6,6 × 5,8 Meter große Steinturm wurde rund 25 Meter von der Limesmauer entfernt errichtet. Er hatte einen 0,9 Meter breiten ebenerdigen Zugang an seiner Rückseite. In seinem Inneren konnten Feuerstellen nachgewiesen werden. Kurz nach Wp 14/75 macht der Schuttwall des Limes einen leichten Knick nach Südosten.
Wp 14/76
Die Limesmauer zwischen Wp 14/75 und Wp 14/76 (links) und zwischen Wp 14/76 und Wp 14/77 (rechts)
Der nächste Wachturm, Wp 14/75 kann ebenfalls nur vermutet werden[A 5].
Wp 14/77 Im Bezirk Taferlschlag
Wp 14/77
Genau an einem Knick der rätischen Mauer liegen die Reste des 5,9 × 5,2 Meter großen Limeswachturms Wp 14/77[A 6]. Auf seinem Boden wurde ein Estrich und Feuerstellen vorgefunden. An seiner Rückseite befand sich ein 0,9 m breiter ebenerdiger Eingang. Von hier bis zur Spitze des Bergsporns, wo die rätische Mauer naturbedingt endet, um sich dann im Tal fortzusetzten, kann die Limesmauer als mächtiger Damm, nur gestört von alten Grabungsschnitten und Wegedurchstichen, besucht werden.
Wp 14/78 Auf dem Pfahlbuck bei Kipfenberg
Wp 14/78 mit Holzturmhügel und älterer Palisade
Wp 14/78, Steinturmreste
Bei Wp 14/78 wird die Lage des Limes auf dem Bergsporn besonders deutlich[A 7]. Im Norden liegt talwärts das Kälbertal; im Süden und Westen fließt tief unten die Altmühl. In der Antike hatte man vor hieraus Sichtkontakt zum Kastell Böhming. Am sichtbaren älteren Holzturmhügel lassen sich der Ringwall sowie die vier von der RLK ergrabenen Pfostenlöcher erkennen. Ein wenig westlich davon, wieder in einem Limesknick nach Norden, liegt ein 5,5 × 6,5 Meter umfassender Steinturm. Nach diesem Turm kann die nun in west-östliche Richtung laufende Limesmauer noch gut 53 Meter zum Ende des Bergsporns an einem Steilhang verfolgt werden. Dann bricht sie ab. Noch im 18. und 19. Jahrhundert soll das Bauwerk aber weiter den Hang hinab verfolgbar gewesen sein. Im Tal an der Altmühl fand die RLK gut erhaltene hölzerne Grenzsperren.


Denkmalschutz

Das Kastell Böhming sowie der Limes und seine Türme sind Bodendenkmale nach dem Bayerischen Denkmalschutzgesetz (BayDSchG). Nachforschungen und gezieltes Sammeln von Funden sind genehmigungspflichtig, Zufallsfunde an die Denkmalbehörden zu melden.

Siehe auch

Literatur

  • Dietwulf Baatz: Der Römische Limes. Archäologische Ausflüge zwischen Rhein und Donau. 4. Auflage, Gebr. Mann, Berlin 2000, ISBN 3-786-12347-0, S. 306ff.
  • Günter Ulbert, Thomas Fischer: Der Limes in Bayern. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1983, ISBN 3-8062-0-351-2.

Weblinks

Anmerkungen

  1. ORL = Nummerierung der Limesbauwerke gemäß der Publikation der Reich-Limes-Kommission zum Obergermanisch-Rätischen-Limes.
  2. WP = Wachposten, Wachturm. Die Ziffer vor dem Schrägstrich bezeichnet den Limesabschnitt, die Ziffer hinter dem Schrägstrich in fortlaufender Nummerierung den jeweiligen Wachturm.
  3. Ungefähr bei 48° 57′ 40,63″ N, 11° 20′ 33,43″ O48.96128611111111.3426194444447
  4. Bei 48° 57′ 33,76″ N, 11° 20′ 55,72″ O48.95937777777811.3488111111117
  5. Ungefähr bei 48° 57′ 24,61″ N, 11° 21′ 22,63″ O48.95683611111111.3562861111117
  6. Bei 48° 57′ 14,55″ N, 11° 21′ 48,7″ O48.95404166666711.3635277777787
  7. Bei 48° 57′ 3,48″ N, 11° 22′ 34,09″ O48.95096666666711.3761361111117

Einzelnachweise

  1. Zitiert nach: Der Limes in Bayern. Theiss 1983.
  2. [1] Eichstätter Kurier: Freilegung von Kastell abgelehnt, 5. Mai 2008
  3. Anne Johnson (dt. Berarbeitung von Dietwulf Baatz): Römische Kastelle. Verlag Philipp von Zabern, Mainz 1987, ISBN 3-8053-0868-X, S. 58.
  4. a b Walter E. Keller, Walter Grabert: Die Römer am Limes von der Ostalb bis zur Donau. 5. überarbeitete Auflage, Verlag Walter E. Keller, Treuchtlingen 1998, ISBN 3-924828-49-0, S. 79.
  5. Anne Johnson (dt. Bearbeitung von Dietwulf Baatz): Römische Kastelle. Verlag Philipp von Zabern, Mainz 1987, ISBN 3-8053-0868-X, S. 36–37

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