Römerkastell Obernburg

Römerkastell Obernburg
Kastell Obernburg
Alternativname Nemaninga (nur im örtlichen Sprachgebrauch, ohne wissenschaftliche Grundlage) [A 1]
ORL 35
Limesabschnitt Obergermanischer Limes, Mainlinie
Datierung (Belegung) um 90 (evtl. etwas früher)
bis um 260 n. Chr.
Typ Kohortenkastell
Einheit Cohors IIII Aquitanorum equitata civium Romanorum
Größe 185/188 x 150/166 m
= rund 3 ha
Bauweise Steinkastell,
möglicherweise zuvor Holz-Erde-Mauer
Erhaltungszustand vollständig überbaut
Ort Obernburg am Main
Geographische Lage 49° 50′ 28″ N, 9° 8′ 45,5″ O49.8411111111119.1459722222222129Koordinaten: 49° 50′ 28″ N, 9° 8′ 45,5″ O
Höhe 129 m ü. NHN
Vorhergehend ORL 34 Kastell Niedernberg (nördlich)
Anschließend ORL 36 Kastell Wörth (südlich)

Das ehemalige römische Kastell Obernburg befindet sich inmitten der Altstadt von Obernburg am Main, einer Stadt des Landkreises Miltenberg in Unterfranken. Das Kohortenkastell gehört zur Mainlinie des Obergermanischen Limes.

Inhaltsverzeichnis

Kohortenkastell

Das bereits im 18. Jahrhundert lokalisierte Kastell Obernburg wurde in den Jahren 1882 bis 1884 durch die Reichs-Limes-Kommission erstmalig archäologisch untersucht. Es handelt sich bei dem Kastell Obernburg um ein viertoriges, annähernd rechteckiges Kohortenkastell von rund drei Hektar Größe, das von einer steinernen Mauer und einem einfachen, etwa 1,60 m tiefen und 3,7 m breiten Spitzgraben umgeben war. Mit seiner Porta Praetoria (Haupttor) war das Kastell nach Südosten, zum Main hin ausgerichtet. Spuren der Innenbebauung festzustellen fiel in dem dichtbesiedelten mittelalterlichen Stadtkern von Obernburg naturgemäß schwer, jedoch konnte die Principia (Stabsgebäude) zweifelsfrei nachgewiesen werden. Zahlreiche Brandspuren im Kastellinneren weisen auf die Zeit der Chatteneinfälle um 162 hin.

Das Kastell wurde gegen das Jahr 90 errichtet und war bis zum Fall des Limes in Folge der Alemanneneinfälle um 259/260 belegt. Die hier stationierte Auxiliartruppe bestand aus der knapp 500 Mann starken Cohors IIII Aquitanorum equitata civium Romanorum ("4. Teilberittene Kohorte der Aquitaner römischen Bürgerrechts").

Bauinschrift von der principia aus dem Jahr 162 n. Chr. mit Nennung der Cohors IIII Aquitanorum equitata civium Romanorum im Römermuseum Obernburg.

Vermutetes Numeruskastell

Neben dem Kohortenkastell wird im Bereich des heutigen Friedhofs von Obernburg auch noch das Kastell eines Numerus vermutet. Dort soll möglicherweise ein Numerus Brittonum et Exploratorum Nemaningensium (zu Deutsch etwa: "Numerus der Brittonen und Aufklärungseinheit von der Mümling") stationiert gewesen sein. Diese Zuordnung ist jedoch insofern nicht ganz unproblematisch, als dieselbe Einheit auch dem Kastell Wörth zugewiesen wird. Ferner stützt sich die Zuordnung im Wesentlichen nur auf einen als Spolie im nahen Aschaffenburg verbauten Inschriftenstein.

Vicus

An seinen Landseiten wurde das Kastell von einem weitläufigen Lagerdorf (Vicus) mit ausgedehnten Gräberfeldern umgeben. Das Kastellbad jedoch konnte bis heute nicht lokalisiert werden.

Benefiziarierstation

Bereits 1954 waren im Zuge einer Baumaßnahme sieben Weihealtäre von Benefiziarieren gefunden und damit eine Benefiziarierstation etwa 100 m südlich des Kastells, aber noch innerhalb des Vicus lokalisiert worden. Im Jahre 2000 konnte diese dann freigelegt und wissenschaftlich untersucht werden. Die Benefiziarier waren eine Art Straßenpolizei im Unteroffiziersrang, abgeordnet von den nahe gelegenen Legionen und mit ordnungs- und zollpolizeilichen Befugnissen ausgestattet. Die Benefiziarierstation in Obernburg befand sich von etwa Mitte des 2. bis gegen Ende des ersten Viertels des 3. Jahrhunderts in Betrieb.

Römermuseum

Die römische Vergangenheit Obernburgs wird im örtlichen Römermuseum präsentiert. Prunkstück des Museums ist die große Steinsammlung im Erdgeschoss. Sie enthält unter anderem Inschriftensteine der beneficiarii consulares[1], die Bauinschrift vom Stabsgebäudes des Kohortenkastells[2] sowie Bruchstücke mehrerer Jupitergigantensäulen. Vor dem Museum befindet sich die Rekonstruktion einer solchen Säule.

Interessant ist eine Gruppe von Inschriften, die Angehörige von vexillationes der Legio XXII Primigenia aus Mainz gestiftet haben, welche als Holzfällerkommandos (in lignariis) hierher abkommandiert waren[3]. Sie belegen eine Nutzung der Mittelgebirge Spessart und Odenwald sowie des Mains (und möglicherweise der Mümling) zum Schlagen und Transport in militärischer Regie. Weitere Inschriftenfunde dieser Art gibt es in Stockstadt und Trennfurt am Main.[4]

Während im Keller ein Mithrasstein mit nachempfundenen Heiligtum präsentiert wird, veranschaulichen Grab- und Weihesteine im Zwischengeschoss den Götter- und Totenkult. Das Obergeschoss enthält vorwiegend Kleinfunde aus der römischen Zeit wie Werkzeuge, Fibeln, kosmetische und medizinische Instrumente, Gebrauchskeramik und Münzen. Besonders hervorzuheben ist eine römische Glasschale des 4. Jahrhunderts n. Chr., aufgrund ihrer Verzierung eines der frühesten christlichen Zeugnisse der Region.

Siehe auch

Literatur

  • Dietwulf Baatz: Der Römische Limes. Archäologische Ausflüge zwischen Rhein und Donau. 4. Aufl. Gebr. Mann, Berlin 2000, ISBN 3-7861-2347-0
  • Dietwulf Baatz und Fritz-Rudolf Herrmann: Die Römer in Hessen. Lizenzausgabe, Nikol, Hamburg 2002, ISBN 3-933203-58-9
  • Wolfgang Czysz u. a.: Die Römer in Bayern. Lizenzausgabe, Nikol, Hamburg 2005, ISBN 3-937872-11-6
  • Josef Michelbach: Römerhaus, Obernburg. Funde aus dem Kastell Obernburg. Stadt Obernburg am Main, 1954.
  • Egon Schallmayer: Der Odenwaldlimes. Vom Main bis an den Neckar. Theiss, Stuttgart 1984, ISBN 3-8062-0328-8
  • Bernd Steidl: Welterbe Limes – Roms Grenze am Main. Begleitband zur Ausstellung in der Archäologischen Staatssammlung München 2008. Logo, Obernburg 2008, ISBN 3-939462-06-3.

Grabungsbericht der Reichs-Limes-Kommission:

Weblinks

Anmerkungen

  1. Unbelastet von fehlenden wissenschaftlichen Belegen gingen Heimatforschung und Fremdenverkehrswerbung davon aus, dass Obernburg aufgrund des Umstandes, dass hier vielleicht auch eine kleine Hilfstruppeneinheit namens Exploratorum Nemanigensium stationiert gewesen ist, der Ort in antiker Zeit den Namen Nemaninga gehabt habe. Tatsächlich ist über den antiken Namen sowohl des Kastells wie auch des Vicus nichts bekannt. Mittlerweile (etwa nach 2000) wird der Name Nemaninga nicht mehr aktiv verwendet.

Einzelnachweise

  1. Die Zahl der Steine mit dem Fundort Obernburg ist eindrucksvoll: CIL 13, 06624; AE 2001, 01540; AE 2002, 01067; AE 2004, 01009; AE 1957, 00050; AE 1957, 00052; AE 1957, 00047; AE 1957, 00048; AE 1957, 00049; AE 1957, 00051 u.a.
  2. AE 1923, 00030
  3. CIL 13, 06623 sowie H. Castritius, M. Clauss, L. Hefner: Die Römischen Steininschriften des Odenwaldes (RSO). Beiträge zur Erforschung des Odenwaldes 2, 1977, 237-308. Nr. 28.
  4. D. Baatz in Baatz/ Herrmann 2002 (siehe Literaturliste) S. 103.

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