Rückenschule

Rückenschule

Als Rückenschule werden Kurse und Bücher bezeichnet, die Übungen und Informationen zur Verminderung oder Vorbeugung bei Rückenschmerzen vermitteln. Sie haben zum Ziel, die „Rückengesundheit“ der Teilnehmer bzw. Leser zu fördern und einer Chronifizierung von Rückenbeschwerden vorzubeugen.

Solche Kurse werden z. B. von Fitnessstudios, Krankenkassen, Ergotherapeuten und Physiotherapeuten angeboten. Ziel ist, die relevanten Muskelgruppen zu stärken und so die Wirbelsäule zu entlasten, da die Muskulatur mit zunehmendem Alter als Stütze der Wirbelsäule immer wichtiger wird. Neben den regelmäßigen Übungen wird auch das Bewusstsein für eine rückenfreundliche Haltung und Bewegung im Alltag gefördert.

Rückenschulen werden von den gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland einmal jährlich (8–12 Sitzungen je 60–90 Minuten) mit etwa 80 % bezuschusst (Stand 2005). Die hierbei anerkannten Rückenschulkurse sind auf max. 15 Teilnehmer begrenzt und müssen von Sportlehrern und Ärzten mit entsprechender Zusatzqualifikation, Gymnastiklehrern und von Physiotherapeuten geleitet werden (§ 20 SGB V).

Inhaltsverzeichnis

Zielgruppen

Zielgruppen der Rückenschule sind Personen

  • die sich wenig bewegen (<1 Stunde körperlicher Aktivität pro Woche),
  • die schon Rückenschmerzen hatten, da Rückenschmerzen den stärksten Prädiktor darstellt, wieder Rückenschmerzen zu bekommen,
  • die Risikofaktoren für Rückenschmerzen aufweisen,
  • Teilnehmer mit ärztlich abgeklärten unspezifischen Rückenschmerzen, vor allem im frühen Stadium der Chronifizierung, und
  • Personen mit chronischen Rückenschmerzen, da Rückenschul- und Bewegungsprogramme von besonderer Bedeutung in der Behandlung von Rückenschmerzen sind.[1]

Geschichte

Die erste Rückenschule wurde als „Svenska Ryggskola“ von Zachrisson-Forssell 1969 im Danderyd Hospital (Stockholm, Schweden) eingerichtet, wobei schon Fahrni und White in den 1960er Jahren Maßnahmen zur Schulung der Rückenfürsorge („back education“) für ihre Patienten anboten. Die schwedische Rückenschule umfasste vier Sitzungen á 45 Minuten.[2] Die verschiedenen Rückenschulansätze basierten in den 1990er Jahren auf unterschiedlichen Herangehensweisen, die medizinisch-funktionell, medizinisch-psychologisch, sportpädagogisch oder biomechanisch-funktionell orientiert waren.

In die Kritik ist die Rückenschule in den 1990er Jahren geraten, weil für die allgemeine Rückenschule kein eindeutiger Wirksamkeitsnachweis vorlag, die Ergebnisse der Untersuchungen uneinheitlich waren und die angebotenen bzw. untersuchten Rückenschulprogramme sich in ihren Zielen, Inhalten, Dauer und Vermittlungsformen stark unterschieden. Im Jahr 2004 haben sich deshalb neun Rückenschulverbände

  • Bundesverband staatlich anerkannter Berufsfachschulen für Gymnastik und Sport (BBGS),
  • Bundesverband der deutschen Rückenschulen (BdR) e.V.,
  • Berufsverband staatlich geprüfter Gymnastiklehrerinnen und -lehrer (DGYMB) e.V.,
  • Deutscher Verband für Gesundheitssport und Sporttherapie (DVGS) e.V.,
  • Forum Gesunder Rücken – besser leben e.V.,
  • Bundesverband selbstständiger Physiotherapeuten – IFK e.V.,
  • Seminar Wirbelsäule-Rückenschule-Schmerztherapie,
  • Verband Physikalische Therapie (VPT) e.V. und der
  • Zentralverband der Physiotherapeuten/ Krankengymnasten (ZVK) e.V.

zur Konföderation der deutschen Rückenschulen (KddR) zusammengeschlossen. Die KddR führte im Jahr 2007 ein verbindliches Curriculum für die Kursinhalte ein.

Kursinhalte

Die Ansteuerung der Leitziele „Rückengesundheit fördern“ und „einer Chronifizierung vorbeugen“ erfolgt in Anlehnung an die Kernziele bewegungsbezogener Gesundheitsprogramme[3]:

  • Stärkung der physischen Gesundheitsressourcen
  • Stärkung der psychosozialen Gesundheitsressourcen
  • Aufbau von und Bindung an gesundheitsorientierte Aktivität
  • Sensibilisierung für haltungs- und bewegungsförderliche Verhältnisse
  • Verminderung von Risikofaktoren für Rückenschmerzen
  • Bewältigung von Beschwerden und Missbefinden.

Die Rückenschule nutzt dazu folgende Inhalte zur Erreichung der o.g. Ziele. Abhängig von den Rahmenbedingungen und der Kursleiterqualifikation können einzelne Bausteine einen mehr oder weniger großen Raum einnehmen:

  • Übungen zur Körperwahrnehmung
  • Übungen zur Verbesserung der motorischen Grundeigenschaften
  • Kleine Spiele, Spielformen und Parcours
  • Vorstellung von Life-Time-Sportarten
  • Übungen zur Haltungs- und Bewegungsschulung
  • Entspannungsmethoden
  • Strategien zur Stressbewältigung
  • Strategien zur Schmerzbewältigung
  • Strategien und Hinweise zur Verhaltens- und Verhältnisprävention
  • Wissens- und Informationsvermittlung

Die Wirksamkeit von Rückenschulprogrammen als präventive Maßnahme gegen „unspezifische“ Rückenschmerzen ist mit moderater bis starker Evidenz gesichert. Das gilt besonders für Programme mit chronischen Rückenschmerzenpatienten, für Programme am Arbeitsplatz und für Programme, die einen umfangreichem aktiven Übungsanteil beinhalten.[4][5] Aufgrund der geringen Anzahl hochwertiger Studien mit positiven Belegen ist eine weitere Erforschung notwendig und gerechtfertigt.[6]

Literatur

  • Kempf H-D (Hrsg.): Rückenschule: Grundlagen, Konzepte und Übungen. 2. Auflage. München: Urban & Fischer 2003, ISBN 3-437-45077-8
  • Kempf H-D: Die Rückenschule. 3. vollständig überarbeitete und erweiterte Neuauflage. Rowohlt: Reinbek 2008 (1990, 1995). ISBN 978-3-499-62346-2
  • Kempf H-D: Die Neue Rückenschule. Das Praxisbuch. Springer Medizin Verlag, Heidelberg 2010, ISBN 978-3-540-89536-7
  • Nentwig C, Krämer J, Ullrich C-H (Hrsg.): Die Rückenschule. Neubearb. Auflage. Enke 2002, ISBN 978-3432982335
  • Pfeifer K: Rückengesundheit 2007. Deutscher Ärzte-Verlag, Köln 2007, ISBN 978-3-7691-0525-4 (Grundlagen und Module zur Planung von Kursen)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Schäfer et al. 2000
  2. Zachrisson-Forssell 1980, 1981
  3. Bös u. Brehm 2006
  4. Heymanns 2005
  5. Airaksinen et al. 2006
  6. Brox et al. 2008
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