Sachenrechtsgrundsätze

Sachenrechtsgrundsätze

Das Sachenrecht bezeichnet im deutschsprachigen Raum das Rechtsgebiet, das der Regelung dinglicher Rechte dient.

Inhaltsverzeichnis

Deutsches Recht

Das Sachenrecht ist ein Teil des Zivilrechts und regelt die Rechtsbeziehungen von Personen zu Sachen. Es ist in Deutschland im dritten Buch (§§ 854 - 1296) des Bürgerlichen Gesetzbuches kodifiziert und regelt als objektives Recht sowohl die Ruhelage (also beispielsweise die Befugnisse des Eigentümers oder Besitzers) als auch die Veränderung (also beispielsweise Übereignung und Besitzverschaffung) des Rechtsverhältnisses.

Grundsätze des Sachenrechts

Das deutsche Sachenrecht kennt fünf Grundsätze: Die Publizität, die Absolutheit, die Spezialität, die beschränkte Zahl der Sachenrechte (Typenzwang) und die Abstraktheit. Teilweise wird auch das Prioritätsprinzip, das in § 185 Abs. 2 S. 2 verankert ist, zu den Sachenrechtsgrundsätzen gezählt.

Publizität

Die dinglichen Rechte, die jedermann zu respektieren hat, müssen für jeden erkennbar sein. Dies ist anders als im Schuldrecht, wo die Vereinbarung nur zwischen den Parteien gilt und deswegen nicht für andere offenkundig gemacht werden muss (Relativität der Schuldverhältnisse). Publizitätsträger bei beweglichen Sachen ist der Besitz und bei Grundstücken das Grundbuch. Die Veränderung der dinglichen Rechtslage an einer beweglichen Sache erfordert deswegen eine Übertragung des Besitzes, hingegen an einem Grundstück eine Eintragung im Grundbuch.

Absolutheit

Der Grundsatz der Absolutheit bedeutet, dass die Sachenrechte gegenüber jedermann wirksam sind (absolute Wirkung). Dies ist anders als im Schuldrecht, wo die Verpflichtungen nur zwischen den Parteien bestehen (relative Wirkung). Durch die dingliche Wirkung gegenüber jedem anderen bewirkt der Grundsatz der Absolutheit einen umfassenden Rechtsschutz.

Spezialität

Die dinglichen Rechte können nur an einer ganz bestimmten Sache bestehen. Das Sachenrecht kennt anders als das Schuldrecht keine Rechte an Gattungssachen. Damit kann nur über individualisierte Gegenstände verfügt werden. Dabei handelt es sich freilich um einen Grundsatz nicht nur des Sachenrechts, sondern aller Verfügungsgeschäfte.

Typenzwang

Die dinglichen Rechte, anders als im Schuldrecht, wo durch Vereinbarung neue Vertragstypen geschaffen werden können, sind auf die im Gesetz genannten Fälle beschränkt. Durch die enumerative Aufzählung der Rechte existiert im Sachenrecht ein numerus clausus dinglicher Rechte. Einhergehend mit dem Publizitätsgrundsatz sorgt der Typenzwang für Klarheit bei Dritten. Diese Rechtssicherheit ist notwendig, da die dinglichen Rechte absolut wirken. Eine Verfügungsfreiheit gibt es anders als im Schuldrecht in Form der Vertragsfreiheit (§ 311 BGB) daher nicht. Eine Ausnahme des Typenzwanges ist das Anwartschaftsrecht. Dies sind:

Abstraktheit

Der Grundsatz der Abstraktheit baut auf dem Trennungsprinzip auf. Das Trennungsprinzip trennt schuldrechtliche Verpflichtung und dingliche Verfügung. Das Abstraktionsprinzip stellt sicher, dass auch die rechtliche Wirksamkeit von Kausalgeschäft und Verfügung unabhängig sind. Auch die Abstraktheit gilt damit nicht nur für das Sachenrecht, sondern für nahezu alle Verfügungsgeschäfte.

Österreichisches Recht

Das Sachenrecht regelt die Rechtsbeziehung zwischen Sachen und Menschen. Es ist das Recht der Güterzuordnung. Das umfassendste aller dinglichen Rechte ist das Eigentum. Der Besitz ist kein dingliches Recht, sondern bloß eine gewollte faktische Sachherrschaft. Die wichtigsten sachenrechtlichen Institute sind:

Rechtsnormen

  • Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB): Die zentralen Normen des Sachenrechts befinden sich im Zweiten Teil des ABGB, wobei anzumerken ist, dass das ABGB als eine noch auf dem Institutionensystem aufgebaute Kodifikation unter dem Begriff dingliches Sachenrecht das Sachenrecht im heutigen Sinn und das Erbrecht i.h.S. und unter persönliches Sachenrecht das Schuldrecht i.h.S. bezeichnet. Diese Einteilung wird jedoch in Lehre und Rechtsprechung als historisch betrachtet; rechtswissenschaftlich werden Einteilung und Terminologie des moderneren Pandektensystems verwendet.
  • Nebengesetze
    • GBG (Allgemeines Grundbuchsgesetz 1955): Regelungen über das Grundbuch
    • WEG (Wohnungseigentumsgesetz 2002): Begründung und Erwerb von Wohnungseigentum, Eigentümerpartnerschaft, Verwaltung der Liegenschaft, Schutz des Wohnungseigentumsbewerbers
    • BauRG (Baurechtsgesetz 1912): Regelungen über das Baurecht

Charakter und Grundprinzipien

Publizitätsgrundsatz

Sachenrechte müssen, um von jedermann beachtet werden zu können, offenkundig sein. Dies wird insbes. beim Pfandrecht deutlich: An beweglichen Sachen existiert es nur soweit, als der Pfandschuldner (= Forderungsgläubiger) die Pfandsache tatsächlich innehat (Faustpfandprinzip); an unbeweglichen Sachen nur soweit das Pfandrecht im Grundbuch eingetragen ist.

Typenzwang

Das ABGB und die Nebengesetze stellen eine geschlossene Anzahl (numerus clausus) an Sachenrechten zur Verfügung, von denen der Rechtsunterworfene entweder Gebrauch machen kann oder nicht, diese jedoch nicht abändern und neue erfinden kann, wie es beispielsweise im Schuldrecht (atypische Verträge) möglich ist.

ius cogens

Darüber hinaus sind sachenrechtliche Normen zwingende Normen und nicht bloß, wie schuldrechtliche Bestimmungen, Normen im Zweifel (ius dispositivum).

Formpflicht

Ebenfalls im Gegensatz zu den (schuldrechtlichen) Verpflichtungsgeschäften sind (sachenrechtliche) Verfügungsgeschäfte grundsätzlich formpflichtig (Übergabe beziehungsweise Einverleibung im Grundbuch) und kausal: Das Verfügungsgeschäft bedarf zu seiner Gültigkeit eines geeigneten Verfügungsgeschäftes (beispielsweise für Übereignung: Kauf, Schenkung, Tausch, Darlehen); abstrakte Verfügungen sind ungültig.

Spezialität

Sachenrechte beziehen sich immer nur auf einzelne Sachen. Ein Unternehmen kann durch einen einzigen Kaufvertrag (Verpflichtungsgeschäft) verkauft werden, zur Eigentumsübertragung bedarf es jedoch einzelner Akte; so sind beweglichen Sachen (ggf. durch Zeichen) zu übergeben und alle Grundstücke einzeln grundbücherlich einzuverleiben.

Nemo plus iuris transferre potest quam ipse haberet

Niemand kann [ein] mehr [an] Recht übertragen, als er selbst hat. Derivativer (= vom Vormann abgeleiteter) Erwerb ist nur insoweit möglich, als der Vormann auch bereits entsprechend berechtigt war. So kann der bloße Inhaber einer Sache oder auch der Pfandgläubiger diese - derivativ - nicht übereignen. Ausnahmsweise kann dieses Prinzip jedoch dadurch umgangen werden, dass ein originärer Erwerb (beispielsweise gutgläubiger Erwerb nach § 367 ABGB) stattfindet.

Superficies solo cedit

Überbauten weichen [in rechtlicher Hinsicht] dem Boden [= Grundstück]. Werden demnach bisher bewegliche Sachen (beispielsweise Ziegel) mit einem Grundstück untrennbar verbunden, so werden diese zu einer unbeweglichen Sache; wird beispielsweise eine Einbauküche untrennbar mit dem Haus verbunden, so wird diese zu einer unbeweglichen Sache. Selbst der Wachhund kann als Liegenschaftszugehör als unbeweglich gelten. Ausnahmen von diesem Grundsatz sind: Superädifikate, Baurecht, Stockwerkseigentum

Absolutheit

Sachenrechte sind absolute Rechte. Als solche sind sie - im Gegensatz zu den relativen Rechten des Schuldrechts - gegen jedermann zivilrechtlich (Eigentumsklage, Schadenersatz, Unterlassungsansprüche) und strafrechtlich (v.a. durch [Vermögens-]Delikte wie Sachbeschädigung, Diebstahl, Raub, Veruntreuung, Betrug, etc.) geschützt.

Einteilungen der Sachen

§ 285 ABGB: „Alles, was von der Person unterschieden ist, und zum Gebrauche der Menschen dient, wird im rechtlichen Sinne eine Sache genannt.“

Nach dieser sehr weitreichenden Definition des ABGB sind alle Sachen, die zum Gebrauch dienen erfasst, womit vor allem auch unkörperliche Sachen (wie Arbeitsleistungen, Rechte, Anwartschaften, Software an sich [nicht auf einem Datenträger]) umfasst sind. Die Grenze zieht § 286 bei allem, was vom Menschen unterschieden ist und somit leicht von ihm getrennt werden kann (also Sachen sind beispielsweise Brillen, Kontaktlinsen, Gebissprothesen; keine Sachen sind beispielsweise Zahnplomben) sowie was dem Gebrauch dient und beherrschbar ist (keine Sache ist die Luft, das Meer, ein Fluss; eine Sache ist jedoch Beherrschbares wie beispielsweise Luft in einer Sauerstoffflasche).

Wenngleich unkörperliche Sachen ebenso wie körperliche als Sachen qualifiziert werden, ist anzumerken, dass die meisten sachenrechtlichen Bestimmungen des ABGB überwiegend für körperliche Sachen gedacht sind. Aus diesem Grunde ist mitunter durch Auslegung zu ermitteln, ob sich eine Bestimmung nicht vorwiegend auf körperliche Sachen bezieht.

Einfache und zusammengesetzte Sachen

  • einfache Sachen (beispielsweise ein lebendes Tier)
  • zusammengesetzte Sachen (Hauptsache + Zubehör)
    • unselbstständige Bestandteile: sind sonderrechtsunfähig (beispielsweise Lack eines Autos)
    • selbstständige Bestandteile: sind sonderrechtsfähig (beispielsweise Reifen eines Autos)
    • Zubehör (beispielsweise Warndreieck oder spezifisches Werkzeug eines Autos)

Beweglichkeit

Die Unterscheidung von beweglichen und unbeweglichen Sachen ist die wichtigste Differenzierung im Sachenrecht. Bewegliche Sachen können „ohne Verletzung ihrer Substanz von einer Stelle zur anderen versetzt werden“ (§ 293 ABGB). Demnach sind vormals bewegliche beispielsweise in ein Haus eingemauerte Sachen unbeweglich; eine Trennung würde die Substanz verletzen und einen wirtschaftlichen Aufwand darstellen.

Ausnahmen:

  • Superädifikate sind bewegliche Sachen: Ein Superädifikat ist ein (relativ) grundfester Bau, der in fehlender Belassungsabsicht errichtet wird. Diese Absicht wird beispielsweise durch einen Mietvertrag über den Aufstellungsort deutlich. So kann ein fest verschraubter Verkaufsstand (beispielsweise auf einem Markt, im Prater), ein eingemauerter Verkaufsstand oder sogar ein normales Haus als Superädifikat gelten.
  • Liegenschaftszugehör gilt als unbeweglich: Der beispielsweise Traktor, der im Betrieb eine Bauernhofes verwendet wird, ist eine unbewegliche Sache. Gemäß der Sonderregel des § 297a ABGB gelten bestimmte Sachen, Maschinen, grundsätzlich als Zugehör einer Liegenschaft, es sei denn das dingliche Recht eines anderen an ihnen ist grundbücherlich angemerkt.

Körperlichkeit

Körperliche Sachen fallen in die Sinne (§ 292 ABGB), unkörperliche Sachen nicht. Zu den körperlichen Sachen zählen demnach auch elektrischer Strom, Gas, Wärme; zu den unkörperlichen insbesondere Rechte, des Weiteren Software als solche - Software auf einem Datenträger ist eine körperliche Sache! - und Arbeitsleistungen.

Vertretbarkeit

Vertretbare Sachen (Genuss- oder Gattungssachen) sind in vielfacher Anzahl erhältlich (beispielsweise die Waren in einem Supermarkt), unvertretbare Sachen sind Einzelstücke (beispielsweise Waren in einem Antiquitätengeschäft). Die Unterscheidung ist im heutigen Wirtschaftsleben von untergeordneter Bedeutung.


Entwicklung

Das Sachenrecht ist eine relativ änderungskonstante Rechtsmaterie, sodass die meisten Bestimmungen aus dem Jahr 1811 unverändert in Geltung stehen. Abgesehen von geringfügigen Ergänzungen beziehungsweise Novellierungen wie der § 285a aus dem Jahr 1988, in dem Tiere - rein programmatisch - nicht mehr als Sachen bezeichnet werden und Änderungen des Nachbarrechts im Zuge der dritten Teilnovelle 1916 wurde im Jahr 2002 das Fundrecht gänzlich novelliert. 2003 wurde auch das Nachbarrecht geändert: § 364 schützt nun auch vor dem Entzug von Licht und gem. § 422 hat der Nachbar beim Entfernen von überhängenden Ästen nun „fachgerecht vorzugehen und die Pflanze möglichst zu schonen“.

Auf der Ebene der Nebengesetze wurde 2002 das WEG 1975 (Wohnungseigentumsgesetz) durch das - formell - gänzlich neue WEG 2002 ersetzt.

Literatur

Deutschland

Einführungen

Lehrbücher

  • Fritz Baur, Jürgen F. Baur, Rolf Stürner: Sachenrecht. 18. Auflage. Beck, München 2008, ISBN 978-3406544798. 
  • Hans Wieling: Sachenrecht. 5. Auflage. Springer, Berlin 2007, ISBN 978-3540374039. 
  • Jan Wilhelm: Sachenrecht. 3. Auflage. de Gruyter, Berlin 2007, ISBN 978-3899493252. 

Österreich

  • Gert Iro: Bürgerliches Recht IV –Sachenrecht. 3. Auflage. Springer, Wien 2008, ISBN 978-3211724156. 

Einzelnachweise


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