- Salvatorrede
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Der Nockherberg ist eine kleine Geländeterrasse an einer Hangkante des östlichen Isarhochufers zwischen den Münchner Stadtteilen Giesing und Au.
In der dort gelegenen Paulaner-Brauerei findet jährlich der Salvator-Ausschank auf dem Nockherberg statt, ein traditionsreiches Starkbierfest. Der Begriff Nockherberg wird oft synonym für dieses Fest verwendet oder für dessen Auftakt, die Starkbierprobe (auch: Starkbieranstich).
Inhaltsverzeichnis
Namensherkunft und Lage
Der Name des Nockherbergs und zweier dortiger Straßen geht auf die Bankiersfamilie Nockher zurück. Diese war seit dem frühen 18. Jahrhundert in München ansässig und besaß seit 1789 auf der östlichen Isarhöhe zwischen der Au und Giesing ein Sommerhaus an der heutigen Straße Am Nockherberg, das so genannte „Nockherschlösschen“.[1]
Der Nockherberg liegt in der Hochau im Stadtbezirk Au-Haidhausen, wird gelegentlich aber auch dem unmittelbar angrenzenden Obergiesing zugerechnet. Vom Nockherberg (etwa 535 m ü. NN) fällt das Gelände in nordwestlicher Richtung zur Isar hin um ungefähr 20 m ab. Unterhalb der Anhöhe befindet sich die Straße Am Neudeck mit der Justizvollzugsanstalt Neudeck, nördlich hiervon der Mariahilfplatz und südwestlich die alten Paulaner-Brauereianlagen.
Vom Neudeck windet sich die Bergstraße Am Nockherberg, die davor Ohlmüllerstraße heißt, den Hang hinauf, und geht oben in die Sankt-Bonifatius-Straße über. Den nordöstlichen Teil des Nockherbergs bildet das neue Brauereigelände – mit Gleisanschluss zum Ostbahnhof – zwischen der Regerstraße im Osten und der Hochstraße im Westen. Diese zweigt von der Straße Am Nockherberg nahe dem oberen Ende ab und ist über den kleinen Zacherlweg nochmals mit ihr verbunden.
Überquert man vom neuen Brauereigelände aus die Straße Am Nockherberg, gelangt man in den städtischen Kronepark, der den südwestlichen Teil der Anhöhe einnimmt. Westlich unterhalb des Parks mit Spielplatz verläuft die Nockherstraße, früher „Bei den Jägerhäusln“[2], zu der verschiedene Steige hinabführen. Das südwestliche Ende der Nockherstraße bildet der Kolumbusplatz.
Starkbierfest
Das Starkbierfest wird jedes Jahr während der Fastenzeit im Paulaner-Festsaal in der Hochstraße 77 veranstaltet. Es beginnt um den Josefstag (19. März) und dauert 17 Tage, in München oft als Starkbierzeit oder Fünfte Jahreszeit bezeichnet. Das Fest steht in der Tradition des Heilig-Vater-Festes am 2. April, wo dem heiligen Franz von Paola gedacht wurde, dem Gründer des Paulaner-Ordens.
Mit seinen Bierbänken, der Stimmungsmusik und dem großen Besucherandrang ähnelt der Salvator-Ausschank in seiner heutigen Form in mancherlei Hinsicht den Bierzelten auf dem Münchner Oktoberfest. Auf dem Nockherberg wird das Bier nicht wie sonst üblich in Glaskrügen, sondern in Keferloher Maßkrügen aus Ton ausgeschenkt, was das Bier länger kühl hält, aber auch „zurückhaltendes“ Einschenken erleichtert [3].
Geschichte des Starkbierausschanks
Der Starkbierausschank zur Fastenzeit lässt sich auf eine Ordensregel der im Kloster Neudeck ob der Au ansässigen Paulaner-Mönche zurückführen, die in ihrer Klosterbrauerei spätestens ab 1634 Bier brauten. Sie mussten sich generell sehr karg ernähren und brauchten daher vor allem während der noch strengeren Fastenzeiten zur Stärkung „flüssiges Brot“, welches das Fasten nicht brach. Zu Ehren des Ordensgründers wurde seit 1651 jedes Jahr im Frühling eine besonders starke Biersorte ausgeschenkt, das „Sankt-Vater-Bier“, der spätere Salvator [2]. Dieses verkauften die Ordensbrüder mit der Zeit auch außer Haus, zur Aufbesserung der Klosterkasse, in erster Linie aber zur Versorgung der armen dörflichen Bevölkerung.
Im 18. Jahrhundert wurde es üblich, den bayerischen Kurfürsten zum alljährlichen Anstich des Starkbiers am 2. April einzuladen und ihm den ersten Krug Bier auszuschenken. Mit Mandat vom 31. März 1751 gestattete Kurfürst Maximilian III. Joseph ausdrücklich den öffentlichen Bierausschank am Festtag Franz von Paolas. Am 26. Februar 1780 erlaubte dann Karl Theodor, seit 1777 Kurfürst von Bayern, den Paulanern den ganzjährigen Bierausschank. Das Heilig-Vater-Fest 1799, an dem der gesamte Hofstaat von Kurfürst Maximilian IV. Joseph teilnahm, wurde das bis dahin größte Volksfest in der Stadt. Doch noch im gleichen Jahr wurde das Kloster Neudeck aufgehoben. Das gegenüber gelegene Klosterbräuhaus wurde im Zuge der Säkularisation enteignet und 1803 zunächst an den Johanniterorden veräußert.[2]
Der Bräu Franz Xaver Zacherl (* 1772; † 1849) pachtete 1806 die Paulanerbrauerei und kaufte sie 1813 schließlich, wodurch sie zur bürgerlichen Brauerei wurde; nach ihm ist der Zacherlweg auf dem Nockherberg benannt [1]. Zacherl führte die Tradition des alljährlichen Starkbieranstichs am 2. April und des festlichen Ausschanks in der anschließenden Oktav (acht Tage) fort. Zur Mitte des 19. Jahrhunderts verschob sich der Beginn des Ausschanks in den März hinein und die Starkbierzeit verlängerte sich: 1861 begann der Salvator-Ausschank am Sonntag vor Josefi und dauerte zwölf Tage [2]. Seit 1858 ließ die Brauerei zur Umsatzsteigerung Gstanzlsänger und Volksschauspieler auftreten. Beim Anstich 1891 gab es erstmals eine Salvatorrede, und nach einer kriegsbedingten Unterbrechung von 1939 bis 1950 gewann die Starkbierprobe ihre heutige Form, in der bevorzugt Politiker „derbleckt“, also kabarettistisch aufs Korn genommen werden.
Die „Salvator-Schlacht“ von 1888
Zur einzigen unfriedlichen Ausnahme in der Geschichte des Bürgerfestes kam es am 21. März 1888, als eine kleinere Rauferei zur Massenschlägerei ausartete. Aus geringfügigem Anlass kam es in der Kellerhalle zu einem Streit zwischen Soldaten und Zivilisten. Als ein Artillerist seinen Säbel zog, entbrannte eine größere Schlägerei, bei der auch Stöcke und Maßkrüge zum Einsatz kamen und daher relativ viele Verletzungen zu beklagen waren. Nach und nach griffen die Gewalttätigkeiten auf Saal und Garten über. Die hinzukommende Gendarmerie und auch die Zuchthauswache aus Neudeck konnten der Menge nicht Einhalt gebieten, bis schließlich eine 50 Mann starke Einheit der Schweren Reiter eintraf und Säbel schwingend in die Halle ritt. Als die Streitigkeiten ausbrachen, war auf dem Nockherberg nur ein einziger Gendarmerie-Wachtmeister im Einsatz, was in einer späteren Untersuchung als ein Grund für die Eskalation angesehen wurde. Teilweise wird auch vertreten, dass ein erhöhter Salvatorpreis die eigentliche Ursache für die Reizbarkeit der Festbesucher gewesen sei. Das „Skandaljahr“ 1888 blieb auf Jahre hin Gesprächsstoff in München.[4]
Veranstaltungsort
Der Salvator-Ausschank fand ursprünglich nicht auf dem Nockherberg statt, sondern im alten Brauereigebäude am Neudeck an der Ecke Falkenstraße und Ohlmüllerstraße. 1822 wurde dort auf dem Gelände des Paulanergartens für den ganzjährigen Ausschank des „Fastenbiers“ die Wirtschaft Zacherlgarten errichtet, die bis 2008 bestand. Von 1846 bis 1860 erfolgte der Ausschank im so genannten Neudecker Garten[5] in der Au. Im Jahr 1858 verkaufte dann der Bankier Georg Nockher seine Sommerresidenz auf dem Nockherberg an die Paulaner-Brauerei (damals noch „Zacherlbräu“), die sie zu einer Gartenwirtschaft umbaute [1]. Ab dem Frühjahr 1861 fand der Ausschank nun hier im neuen Zacherl-Keller statt, spätestens seit 1928 Salvator-Keller genannt.[2] Die Gastwirtschaft Zum Nockhergarten, das ehemalige „Nockherschlösschen“, wurde 1903/1904 abgerissen [1][6].
Im Zweiten Weltkrieg wurden die massiven Gewölbe der Brauereistollen als Befehlsstand der Münchner Luftschutzstellen genutzt [7], ein Teil war auch als Luftschutzraum für die Bevölkerung freigegeben. Nachdem der Keller bei einem Bombenangriff am 24. April 1944 vollständig zerstört wurde, kam es am 11. März 1950 zur Wiedereröffnung der Gaststätte und des von Professor Franz Zell entworfenen neuen Salvator-Kellers.
Am 28. August 1965 hielt die rechtsextreme Partei NPD ihren ersten Bundesparteitag im Salvatorkeller ab. [8] In der Nacht vom 27. auf den 28. November 1999 wurde der Keller, nunmehr Paulaner-Keller genannt, durch eine Brandstiftung fast gänzlich zerstört. Die Löscharbeiten mit 89 Feuerwehreinsatzfahrzeugen dauerten zwei Tage, es entstand ein Schaden von etwa 15 Millionen Euro. Der Täter wurde unter 650 Verdächtigen trotz intensiver Bemühungen bis heute nicht ermittelt. Im März 2004 wurde der 39-jährige Karl R., ein Nenn-Stiefbruder von Nockherberg-Wirt Peter Pongratz und Verwandter der Fischer-Vroni-Familie, in Untersuchungshaft genommen.[9] Er wurde aus Mangel an Beweisen aber nach einigen Monaten wieder freigelassen.
In den Jahren 2000 bis 2002 fand der Salvator-Ausschank in einem eigens dafür aufgestellten Zelt auf dem Mariahilfplatz unterhalb des Nockherbergs statt. Der Paulaner-Keller wurde im Jahr 2001 abgerissen und schließlich 2003 durch den neu errichteten, oberirdischen Paulaner Festsaal ersetzt, der bis zu 2.500 Besuchern Platz bietet. Die Kosten für den Neubau beliefen sich auf etwa 25 Millionen Euro [9]. Ein Raum im Gewölbekeller des neuen Wirtshauses Paulaner am Nockherberg – mit dem aus der Paulaner Fernsehwerbung bekannten Biergarten[10] – wird heute wieder „Salvatorkeller“ genannt.
Politischer Auftakt: Die Starkbierprobe
Auftaktveranstaltung des jährlichen Salvator-Ausschanks ist die Starkbierprobe. Die Besonderheit dieser Veranstaltung liegt in der Anwesenheit vieler bayerischer Landes- und Bundespolitiker. Durch die Übertragung im Bayerischen Fernsehen seit 1982 ist der Starkbieranstich auf dem Nockherberg auch einem breiten Publikum zugänglich. Die Fernsehübertragung 2004 wurde von etwa 2,8 Millionen Zuschauern verfolgt [11].
Die Veranstaltung beginnt mit der eigentlichen Bierprobe. Die erste Maß, die früher dem Kurfürsten zustand, wird seit 1965 dem bayerischen Ministerpräsidenten gereicht. Der Brauereichef übergibt den Krug mit den traditionellen Worten: Salve pater patriae! Bibas, princeps optime! (lat. „Sei gegrüßt, Vater des Vaterlands! Trinke, Fürst, auf das Wohlste!“) Vom Landesvater wird allerdings nicht erwartet, dass er die „klassische“ Salvatorprobe durchführt, die heute aufgrund einer veränderten Rezeptur ohnehin nicht mehr funktionieren würde: Das Fastenbier galt früher als stark genug, wenn eine Bank, über die das Bier verschüttet worden war, beim Aufstehen an der Lederhose kleben blieb.
Höhepunkt der Veranstaltung ist das Politiker-Derblecken, ein politisches Kabarett vor geladenen Gästen, bestehend aus einer Festrede und einem anschließenden Singspiel. In beiden Beiträgen werden aktuelle Themen der Münchner sowie der Landes- und Bundespolitik behandelt, mit mehr oder weniger feiner Ironie und teils heftigen Seitenhieben auf Politiker gleich welcher Partei. Nicht derbleckt, also in den Festbeiträgen nicht auf die Schippe genommen zu werden, kann für einen bayerischen Politiker beinahe schon als Zeichen mangelnder Bedeutung oder fehlender Persönlichkeit angesehen werden.
„Es stimmt schon, Herr Rothemund, dass Sie 70 Prozent kennen, denn die anderen 30 Prozent haben Sie ja gewählt.“
– Hannes Burger: Fastenpredigt 1983, über den bayerischen SPD-Vorsitzenden Helmut Rothemund
Tradition des Derbleckens
Das Derblecken (bairisch, etwa „sich über jemanden lustig machen“) geht auf die Begrüßung von Gästen durch ihren Wirt zurück, der früher noch alle Dorfbewohner persönlich kannte und mit den im Ort kursierenden Geschichten und Gerüchten bestens vertraut war. Von humorvollen und selbstbewussten Wirten wurden die Stammgäste gern mit diesen Geschichten aufgezogen („'naufg'schossen“). Rhetorisch weniger begabte Wirte oder Gastgeber beauftragten bei Veranstaltungen, zu denen die Gäste auf ähnliche Weise begrüßt werden sollten, professionelle Hochzeitslader oder Gstanzlsänger, die sich im Vorfeld nach den Eigenheiten und Empfindlichkeiten der Gäste umhörten. Von den jeweiligen Opfern des Spotts wurde erwartet, diesen mit Humor zu nehmen; eine beleidigte Reaktion löste umso größere Erheiterung bei den anderen Gästen aus.[12]
Dieser Hintergrund ist bis heute prägend auch für das Politiker-Derblecken auf dem Nockherberg. Da es sich bei den „Opfern“ um geladene Gäste handelt, verbietet sich allzu grobe oder gar beleidigende Kritik, die auf den Gastgeber – die Brauerei – zurückfallen würde. Dementsprechend sind die Autoren der Festbeiträge bemüht, besonders kritische „Angriffe“ augenzwinkernd oder indirekt vorzubringen.[12]
Festrede
Der erste Salvatorredner war 1891 der Münchner Humorist Jakob Geis. Ihm folgten ab 1922 der Volksschauspieler Weiß Ferdl, der Conférencier Adolf Gondrell, der Gstanzlsänger Roider Jackl sowie der Radiomoderator Emil Vierlinger, der nach dem Zweiten Weltkrieg die Übertragung des „Derbleck'ns“ auf dem Nockherberg im Hörfunk organisierte. Nach dessen schwerer Erkrankung in den Siebziger Jahren übernahmen Michl Lang, Klaus Havenstein, Franz Schönhuber, Ernst Maria Lang und schließlich der Schauspieler und Paulaner-Werbeträger Walter Sedlmayr (1982–1990). 1991 fiel die Salvatorprobe wegen des Golfkriegs aus, ebenso 2003, als der Irakkrieg begonnen wurde. Im Jahr 2009 war die Starkbierprobe mit Festrede und Singspiel ursprünglich am 12. März 2009 vorgesehen, wegen des Amoklaufs in Winnenden aber wurden die Veranstaltung aus Rücksicht auf die Opfer abgesagt. Der Bayerische Rundfunk, der die Starkbierprobe überträgt, die Paulaner-Brauerei und das Künstler-Team entschieden sich am 13. März 2009, die Starkbierprobe unter dem Titel „Nachg'schenkt“ am 2. April 2009 nachzuholen.[13][14]
Von 1992 bis 2006 traten die Festredner in der Rolle des Mönchs Bruder Barnabas auf, der den Gästen eine Fastenpredigt hielt. Die Rolle geht zurück auf den Paulaner-Mönch Frater Barnabas (* 1750; † 1795), der mit bürgerlichem Namen Valentin Stephan Still hieß, seit 1774 Braumeister in München war und die Grundrezeptur des modernen Salvator-Starkbiers erfunden haben soll. Der erste Salvatorredner, der in dieser historischen Rolle auftrat, war Max Grießer (1992–1996), gefolgt von Erich Hallhuber (1997–1998), Gerd Fischer (1999–2003) und zuletzt dem Kabarettisten Bruno Jonas (2004–2006). Der Autor Hannes Burger hatte 22 Jahre lang, von 1982 bis 2003, die Festreden geschrieben. Erst seit Bruno Jonas sind Schreiber und Redner wieder eine Person.
2007 hielt der niederbayerische Kabarettist Django Asül [15] die Salvatorrede. Seit 2008 hält das vormalige Stoiber-Double Michael Lerchenberg − wieder in der Rolle des Bruder Barnabas − die Fastenpredigt [16].
Singspiel
Der Festrede schließt sich das Salvatorspiel an, in dem zahlreiche Politiker parodiert werden. Bis 1985 wurde das Singspiel von Regisseur Olf Fischer inszeniert, bis 1988 dann vom früheren BR-Hörfunk-Unterhaltungschef Helmut Kirchhammer, der auch das Autorenteam leitete. Seither wurde das Gesangskabarett unter der Regisseurin Eva Demmelhuber nach und nach zu einem echten Bühnenstück ausgebaut, eingebettet in ein jährlich neues Thema mit entsprechendem Bühnenbild.
Einer der Hauptautoren des Salvatorspiels war von 1999 bis 2009 Holger Paetz, der auch den FDP-Politiker Guido Westerwelle spielte.[17]. Besonders bekannt als Darsteller wurden auch Walter Fitz als Franz Josef Strauß, Michael Lerchenberg als Edmund Stoiber, Co-Autor Uli Bauer als Münchner Oberbürgermeister Christian Ude, sowie Veronika Fitz, Georg Blädel, Max Grießer und Klaus Havenstein. Nach dem Singspiel lassen sich die anwesenden Politiker zusammen mit den Darstellern, die sie parodiert haben, von den Kameras der Journalisten und des Fernsehens ablichten.
Künstlerische Würdigung
Das traditionelle Salvatorfest inspirierte zahlreiche Münchner Künstler zu Werken über das Starkbier und seinen Ausschank auf dem Nockherberg, hauptsächlich zu Gedichten und Zeichnungen. Viele Werke finden sich im Gästebuch der Brauerei oder wurden in Münchner Magazinen veröffentlicht, darunter auch Beiträge namhafter Autoren wie Karl Valentin oder Paul Heyse. Die 1911 in München uraufgeführte Operette Salvator (Musik von Theo Rupprecht; Text von Max Ferner, Ph. Weichand und M. A. Weikone) mit Frater Barnabas als einer Hauptfigur war Vorlage für den Spielfilm Mönche, Mädchen und Panduren[18] aus dem Jahr 1952.[19]
Der Münchner Maler, Illustrator, Karikaturist und Schriftsteller Eduard Ille (* 1823; † 1900) avancierte ab 1890 zum „Salvator-Dichter“. In vielen Beiträgen in der humoristischen Zeitschrift Fliegende Blätter verherrlichte er das Salvator-Bier und seinen „Erfinder“ Frater Barnabas. Fast schon als Hymne des Fastenbiers kann folgendes Gedicht gelten, in dem er die – in den März vorverlegte – kurfürstliche Bierprobe beschreibt:[20]
- War im März gen Judica / wiederum der Frühling nah,
- kam – zu ehren alte Sitten – / der Herr Kurfürst selbst geritten
- auf die Neudeck ob der Au / zum Paulaner-Klosterbau.
- Dort empfing den Landesvater / Barnabas, der Bräuhausfrater,
- ihm beglückt und freudeglänzend / einen Humpen Bier kredenzend
- mit dem Gruß, der bis zur Stunde / sich erhielt im Volkesmunde:
- „Salve, pater patriae! / Bibas, princeps optime!“
Weitere landschaftliche Aspekte
Die vor knapp 10.000 Jahren entstandene Geländeform am Nockherberg stellte der Auer Bevölkerung neben einer Schutz und Lagerraum bietenden Anhöhe auch Wasser und Energie zur Verfügung, woraus sich immer wieder interessante Nutzungsmöglichkeiten nicht nur für Brauereien ergeben haben.
Entstehung und Geologie
In der Tertiärzeit erstreckte sich ein Meer vom Fuß der Alpen bis zum Mittelgebirge des Bayerischen Waldes, das sich immer stärker mit Verwitterungsmaterial der Alpen füllte. Die feinste und jüngste Ablagerungsschicht aus dem Tertiär, der Flinz, bildet heute eine wasserstauende Bodenschicht, und wirkt damit als Grundwasserträger. An mehreren Stellen in München ergießen sich deshalb Quellen aus den Hängen am Isartal, so etwa an der Quellenstraße unterhalb der nördlichen Hochstraße [5].[21] Diese Quellen spielten mindestens bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts eine wichtige Rolle bei der Trinkwasserversorgung der örtlichen Bevölkerung [22].
In den Eiszeiten des Quartär bedeckten die Gletscher und Schmelzwasser den Flinz dann mit grobem Verwitterungsmaterial aus den Alpen und bildeten die Münchner Schotterebene. Da auch immer neue Abtragungen stattfanden, blieben nur die letzten beiden Schotterlagen in der Giesinger Landschaft liegen. So wurde terrassenförmig unter anderem die Giesinger Schotterfläche ausgebildet, vier bis zehn Meter höher die benachbarte Harlachinger Schotterfläche. Aus diesen Terrassen schürfte die Isar gegen Ende der letzten Eiszeit vor etwa 10.000 Jahren ihr heutiges Tal heraus, die Au. Auf diese Weise entstanden neben der Hangkante Nockherberg/Hochstraße auch die weiteren Hochränder in dieser Gegend, so etwa der Drumberg mit der Rampe der Candidstraße, „Am Bergsteig“ und der Giesinger Berg. Da sich die starken Steigungen der hier angelegten Bergstraßen von über 12 % als deutliche Verkehrshindernisse erwiesen, wurden zwischen 1890 und 1935 mehrere aufwändige Bergregulierungen vorgenommen. Am Nockherberg erfolgte die Regulierung in den Jahren 1904/1905, wobei auch das ehemalige „Nockherschlösschen“ abgerissen wurde.[21][23] Ebenfalls seit 1904 verbindet die Nockherberg-Treppe die Hochstraße vor der Paulaner-Brauerei mit der Ohlmüllerstraße am Fuß des Nockherbergs [24].
Nutzung
Zwischen etwa 1150 und 1301 soll es auf dem Nockherberg im Bereich der heutigen Ruhestraße einen Rittersitz der Herren von Giesing gegeben haben. Ab dem 15. Jahrhundert lässt sich der Gutsbesitz auf dem Nockherberg bis zu der Veräußerung an die Familie Nockher am 13. Juli 1789 weiter verfolgen.[2]
Die Terrassenkante am „Berg“ und in der Nähe bot früher vielen Brauereien optimale Bedingungen für Lagerkeller und Tiefbrunnen [25]: Ab dem frühen 19. Jahrhundert hatten beinahe alle der knapp 60 Brauereien Sommerbierkeller am Isarhang in der Au sowie in Haidhausen angelegt. Der Übergang vom bloßen Lager- und Verkaufsbetrieb zum sommerlichen Bierausschank vor Ort wird allgemein als Beginn der bayerischen Biergartentradition angesehen. Die Paulaner Brauerei fördert das zum Brauen benötigte Wasser bis heute in eigenen Brunnen aus mehreren hundert Metern Tiefe [26].[27]
Zwischen Nockherberg und Neudeck fließt der Auer Mühlbach entlang, ein Seitenlauf der Isar, der erst seit 2002 an dieser Stelle wieder oberirdisch geführt wird. Der ehemals wilde Bach war seit dem Mittelalter[2] als Energielieferant von großer Bedeutung: Im Jahr 1816 trieb er in der Au insgesamt 60 Wasserräder an. Ab 1881 wurde der Stadtbach zum Antrieb der von Carl von Linde erfundenen Eismaschine genutzt, die der Paulaner Brauerei das ganzjährige Bierbrauen ermöglichte und noch heute besichtigt werden kann.[5]
Literatur
- Hannes Burger: 350 Jahre Paulaner-Salvator-Thomasbräu AG. 1634 – 1984. Jubiläums-Festschrift. Paulaner-Salvator-Thomasbräu AG, München 1984
- Hannes Burger: Politiker derblecken beim Salvator. Hinter den Kulissen vom Nockherberg. 2. Auflage. Rosenheimer Verlagshaus, Rosenheim 1998, ISBN 3-475-52911-4
- Hannes Burger: Am Nockerherberg hört der Spaß auf. In: Welt am Sonntag. 4. März 2001. Springer
- Gerd Holzheimer: Der Münchner Nockherberg. In: Charivari. 3/21/1995. Bergemann & Mayer, S. 14–17, ISSN 0343-2548
- Helmut Lindner (Hrsg.): Giesing, Au, Haidhausen. Alte Dörfer rechts der Isar vor den Toren Münchens. Seit 125 Jahren bei München. Aumeier, München 1979 (speziell die unter Einzelnachweise genannten Aufsätze)
Weblinks
- Paulaner am Nockherberg – Informationen der Brauerei über Veranstaltung, Starkbier und Festsaal
- Nockherberg bei br-online.de – Zahlreiche Bilder, Videos und Audiodateien zur Starkbierprobe
- Im Münchner Osten, wo der Berg ruft – Starkbierfest auf dem Nockherberg bei Bayerische Bierfeste von Manfred Wirth
- Nun muss ein anderer die Politiker derblecken von Cornelia Wohlhüter in PNP-Online am 23. Dezember 2003
Einzelnachweise
- ↑ a b c d Hans Dollinger: Die Münchner Straßennamen. 4. Auflage. Südwest, München 1999, ISBN 3-517-06115-8
Zitiert nach: Heinz-Peter Meyer u. a.: Straßen der Au, 3. Juni 2006
Sowie nach: Bettina Messinger u. a.: http://www.auer-muehlbach.de/strassen/, 29. Mai 2006 (dort die 1. Auflage) - ↑ a b c d e f g Johann Peter Weigl: Die Au – Ein Stück München. In: Helmut Lindner (Hrsg.): Giesing, Au, Haidhausen. Aumeier, München 1979, S. 87–117 (mit einem Nachdruck des zwischen 1899 und 1928 erschienenen Flugblatts Geschichte des Salvator-Bieres der „Aktiengesellschaft Paulanerbräu Salvatorbrauerei München“ auf S. 92)
- ↑ Verein gegen betrügerisches Einschenken e.V.: Nockherberg derbleckt Starkbier-Besucher. Kontrollergebnis: 100% schlecht eingeschenkt, 3. Juni 2006 (Pressemitteilung vom 30. März 2006)
- ↑ Hannes Burger 1984, S. 60; ders. 1998, S. 17 f.;
Herbert Burger: Der Skandal am Nockherberg. Von der Bierschlacht anno 1888 und anderen Tumulten dieser Art. In: Charivari. 3/14/1988. Bergemann & Mayer, S. 21–25, ISSN 0343-2548 - ↑ a b c Bettina Messinger u. a.: Auer Mühlbach online, 29. Mai 2006 (mit weiteren Hintergrundinformationen zu Landschaft und Brauerei)
- ↑ Richard Bauer, Eva Graf: Nachbarschaften. Altmünchner Herbergsviertel und ihre Bewohner. 2. Auflage. Hugendubel, München 1985, S. 142, ISBN 3-88034-246-6
- ↑ Landeshauptstadt München: Auer Mühlbach, 29. Mai 2006
- ↑ Axel Schildt: Rebellion und Reform. Die Bundesrepublik der Sechzigerjahre, Bonn 2005, S. 130
- ↑ a b Christian Rost: Nockherberg-Brand. Feuer wegen privater Fehde. In: Süddeutsche Zeitung. 31. März 2004. Süddeutscher Verlag, ISSN 0174-4917
- ↑ Annette Baronikians: Freilicht-Bühne der Münchner Lebensart. In: Abendzeitung online. (Abgerufen: 28. Januar 2007)
- ↑ Bayerischer Rundfunk: Geschäftsbericht 2004. München 2005, S. 38 (PDF; 916 KB)
- ↑ a b Hannes Burger 1998, S. 63, 15
- ↑ Weitere Informationen über die Verlegung des Starkbieranstichs auf dem Nockherberg auf der Internetseite des Bayerischen Rundfunks, Stand: 13. März 2009, 11:44 Uhr
- ↑ [http://www.br-online.de/bayern/feste-und-feiern/nockherberg-DID1188597559/index.xml Umfangreiche Videos und Bilder über den Starbieranstich und das Singspiel 2009. Gefunden: 03. April 2009, 20:08 Uhr]
- ↑ Astrid Becker: Django Asül wird neuer Fastenprediger. In: Süddeutsche Zeitung. 22. Januar 2007. Süddeutscher Verlag, ISSN 0174-4917
- ↑ Sebastian Fischer: Stoiber-Double wird Fastenprediger. In: SPIEGEL ONLINE. 12. September 2007.
- ↑ Singspiel-Autor und Westerwelle-Double Holger Paetz nimmt Abschied vom Nockherberg Online-Bericht Süddeutsche Zeitung vom 06.04.2009, 09:18
- ↑ Mönche, Mädchen und Panduren in der deutschen und englischen Version der Internet Movie Database
- ↑ Hannes Burger 1984, S. 67–74
- ↑ Hannes Burger 1984, S. 45, 69; ders. 1998, S. 14, 18 f.
- ↑ a b Johann Peter Weigl: Kyesinga – Das Dorf Giesing. In: Helmut Lindner (Hrsg.): Giesing, Au, Haidhausen. Aumeier, München 1979, S. 30–50 (S. 33, 35)
- ↑ Richard Bauer, Eva Graf: Nachbarschaften. Altmünchner Herbergsviertel und ihre Bewohner. 2. Auflage. Hugendubel, München 1985, S. 108, ISBN 3-88034-246-6
- ↑ Folker Dohr: Grundwassersituation im oberen Grundwasserstockwerk – Isohypsen 1984, 18. Juni 2006 (mit einer Karte der Münchner Grundwasserverhältnisse 1984)
- ↑ Martin Schmitz (Hrsg.): Frisch restauriert. Historische Treppe zum Paulaner am Nockherberg, 3. Juni 2006
- ↑ Georg Konjovic u. a.: Au, 3. Juni 2006
- ↑ Helmut Lindner: Alteingesessenes Auer Gewerbe. In: Helmut Lindner (Hrsg.): Giesing, Au, Haidhausen. Aumeier, München 1979, S. 132–135 (S. 135)
- ↑ Hannes Burger 1984, S. 14, 56
48.12138888888911.5825Koordinaten: 48° 7′ 17″ N, 11° 34′ 57″ O
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