Schicksalsymphonie

Schicksalsymphonie
Anfangsmotiv der 5. Sinfonie

Ludwig van Beethovens 5. Sinfonie in c-Moll, op. 67 gehört zu den berühmtesten Sinfonien Beethovens und ist eines der populärsten Werke der klassischen Musik. Sie ist auch unter der Bezeichnung Schicksalssymphonie bekannt. Der Beiname stammt jedoch nicht vom Komponisten, sondern von seinem ersten Biografen Anton Schindler und wird daher kaum noch verwendet.

Das viersätzige Werk beginnt mit dem prägnanten, eher unorthodoxen Anfangsmotiv, mit dem vielfach die ganze Sinfonie identifiziert wird: den drei markanten Achteln auf G, denen in derselben Dynamik (fortissimo) ein langgezogenes Es folgt.

Im Zuge der sogenannten romantischen Beethoven-Rezeption, die bis in das 20. Jahrhundert reichte, wurde Beethovens „Fünfte“ als eine „musikalisch objektivierte Erzählung von Niederlage und Triumph, vom ewigen menschlichen Schicksalskampf, von Leid und Erlösung“ interpretiert (Schicksalsdrama). Ähnlich wie die 9. Sinfonie mit ihrer „Ode an die Freude“ behandele sie mit ihrem per aspera ad astra, ihrem Weg durch Nacht zum Licht, von c-Moll nach C-Dur einen grundlegenden Gedanken der europäischen Kultur. Auch wenn diese pathetische Deutung in der heutigen Zeit einer objektiveren Sichtweise gewichen ist, kann trotzdem festgestellt werden, dass Beethovens 5. zusammen mit der 3. Sinfonie und mehr noch der 9. Sinfonie das sinfonische Schaffen des 19. Jahrhunderts maßgeblich beeinflusst hat – von Brahms über Tschaikowski und Bruckner bis hin zu Gustav Mahler. Sie ist außerdem eines der Werke, die sowohl den Liebhaber klassischer Musik als auch Menschen, die sonst kaum der klassischen Musik zugeneigt sind, immer wieder in ihren Bann zu ziehen vermag, nicht zuletzt durch ihre rhythmische Kraft, die schon im Anfangsmotiv mittels des Unisono der Streicher besonders prägnant in Erscheinung tritt.

Ludwig van Beethoven (1770–1827)

Inhaltsverzeichnis

Daten zum Werk

Entstehungszeit: Erste Aufzeichnungen reichen in das Jahr 1800 zurück. Direkte Niederschriften finden sich in Beethovens Skizzenbuch vom Februar und März 1804. Die Fertigstellung erfolgte in der Zeit von April 1807 bis zum Frühjahr 1808.

Uraufführung: Zusammen mit der Pastorale, dem Klavierkonzert Nr. 4, G-Dur op. 58, Teilen der Messe C-Dur op. 86 und der Chorfantasie am 22. Dezember 1808 im Theater an der Wien.

Besetzung: 1 Piccoloflöte, 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 1 Kontrafagott, 2 Hörner, 2 Trompeten, 3 Posaunen, Pauken, Streichorchester (1. Violine, 2. Violine, Viola, Violoncello, Kontrabass; Violoncello und Kontrabass an einigen Stellen getrennt).

Entstehungsgeschichte

Die ersten Skizzen Beethovens zur 5. Sinfonie, deren Entstehung ein Kompositionsauftrag des oberschlesischen Grafen Franz von Oppersdorff zugrunde lag, sind in den Jahren 1803 und 1804, also zwischen dem Abschluss der Eroica und vor den Arbeiten an der 4. Sinfonie (vollendet im Herbst 1806), entstanden. Die Fertigstellung des Werkes erfolgte im Jahr 1807 und im Frühjahr 1808, in dem auch die Arbeiten an der 6. Sinfonie abgeschlossen wurden. Damit kann die musikalische Aussage des Werkes auch im Zusammenhang mit der ab 1798 beginnenden Taubheit Beethovens sowie dessen erschütternder Erkenntnis im Heiligenstädter Testament (1802) gesehen werden. Im Juni 1808 bot Beethoven das Werk dann in Erwartung besserer Bezahlung dem Verlag Breitkopf & Härtel an.

Autograph der ersten Seite der Partitur von Beethovens fünfter Sinfonie

Schließlich wurde das Werk, nun auf den Grafen Rasumowski, dem später auch die drei Streichquartette op. 59 gewidmet wurden, sowie den Fürsten Lobkowitz umgewidmet, im Jahr 1809 verlegt. Über die Gedanken und Motivationen Beethovens zur 5. Sinfonie lässt sich wenig sagen, da keine Äußerungen von ihm selber dazu überliefert sind. Die meisten angeblich authentischen Aussagen Beethovens beruhen auf den Aussagen seines Sekretärs Anton Schindler und sind als äußerst fragwürdig zu beurteilen. So meinte Beethoven nach Schindler: „Den Schlüssel zu diesen Tiefen gab dessen Schöpfer selber, als er eines Tages mit dem Verfasser über die demselben zu Grunde liegende Idee sprach, mit den Worten: So pocht das Schicksal an die Pforte, indem er auf den Anfang des ersten Satzes hinwies.“ Ungeachtet der Tatsache, dass keine originären Aussagen Beethovens vorhanden sind, wird das Werk von Musikwissenschaftlern als Bindeglied zwischen der 3., 7. und 9. Sinfonie gesehen, in denen Beethoven zu einer vollkommen eigenständigen sinfonischen Tonsprache gelangte.

Aufbau und Analyse

Die musikalische Analyse eines Werkes bedingt naturgemäß einander teilweise widersprechende Interpretationen. Wo der eine Musikwissenschaftler zum Beispiel mehrere Themen sieht, sieht ein anderer nur die Variation eines Themas.

Erster Satz

Erstes Thema

Allegro con brio, 2/4-Takt, c-Moll

Der erste Satz ist eine klassische Sonatenhauptsatzform, der sich vom herkömmlichen Formmodell der Sinfonie insofern unterscheidet, als sich der Komponist anstatt eines aus mehreren Motiven gebauten Themas eines äußerst kurzen, dafür aber sehr prägnanten Motivs bedient (man könnte beinahe von einem „Haupt-Rhythmus“ anstelle eines Hauptthemas sprechen). Außerdem spielt das Seitenthema eine sehr untergeordnete Rolle: Es erscheint nur in der Exposition und Reprise und wird schon bei seinem ersten Auftreten vom Rhythmus des Hauptthemas in den Bässen begleitet. Der Satz hat also eine starke Tendenz zur Monothematik, was auch bei den Sinfonien Haydns häufig vorkommt.

Die Exposition beginnt ohne langsame Einleitung direkt mit den 6 Takten des oben abgebildeten „Schicksalsmotivs“. Seine Spannung bezieht es aus den beiden Fermaten und vor allem daraus, dass die Tonart zunächst unentschieden ist. Der Hörer könnte genauso gut Es-Dur als Grundtonart vermuten, erst ab Takt 7 schafft der Grundton C der Celli und Fagotte harmonische Eindeutigkeit. Das Motiv wandert dann durch die Stimmen ( Hörbeispiel?/i) und geht dabei in einen rhythmischen Achtel-Fluss über, der im Tutti auf der Dominante beendet wird. Mit den Tönen des verminderten Septakkords wird das Anfangsmotiv wiederholt, um dann auf die gleiche Weise wie zuvor in ein akkordisches Tutti überzugehen, das dann das Seitenthema einleitet.

Hornüberleitung
Seitenthema (Beginn)

Ein kurzes Hornmotiv ( Hörbeispiel?/i), das mit dem gleichen Rhythmus, aber einer anderen Tonfolge beginnt, leitet über zum Seitenthema (Paralleltonart Es-Dur) in gleichmäßig fließenden Vierteln ( Hörbeispiel?/i).

Eine abwärtsbewegte Achtelfigur (zuerst in den Streichern, dann in den Bläsern) und der erneut erklingende Haupt-Rhythmus beenden die Exposition.

Der erste Teil der Durchführung verarbeitet das Thema, harmonisch vielfach abgewandelt. Nach einer 17-taktigen Überleitung mit zweimalig absteigenden Vierteln in den Bässen schließt sich eine Art Klangfläche an, die abwechselnd von Bläser- und Streichergruppe im Diminuendo gespielt wird ( Hörbeispiel?/i).

Klangfläche (Ausschnitt)

Nach einem abermaligen Tutti beginnt die Reprise, die – von einem eingeschobenen Oboen-Seufzer abgesehen – die Exposition wiederholt. Getreu der in klassischen Sinfonien häufig angewandten Tradition der picardischen Terz führt Beethoven das Seitenthema nun in C-Dur aus. Die anschließende sehr ausgedehnte Coda schließt den Satz aber wieder in Moll ab.

Zweiter Satz

Erstes Thema des 2. Satzes
Zweites Thema des 2. Satzes

Andante con moto, 3/8-Takt, As-Dur

Der zweite Satz steht in der Tonart der 6. Stufe beziehungsweise des Tonika-Gegenklangs von c-Moll, also As-Dur. Er stellt in jeder Hinsicht einen scharfen Kontrast zum ersten Satz dar: dort ein extrem kurzes, rhythmisch prägnantes Motiv, hier ein weit ausholendes, geschwungenes, punktiertes, sangliches Thema ( Hörbeispiel?/i). Es übernimmt damit die Aufgabe, die das Seitenthema des ersten Satzes aufgrund der Dominanz des Hauptthemas kaum wahrnehmen konnte.

Der Satz lässt sich formal in vier Abschnitte gliedern: Thema und drei freie Variationen. Dabei übernimmt die zweite Variation die Funktion einer Durchführung, die vierte Variation die einer Reprise und Coda. Der erste Abschnitt ist folgendermaßen aufgebaut: Nach dem Hauptthema erscheint, ebenfalls in As-Dur, das zweite Thema in Klarinette und Fagott. Es endet mit dem Klang c-Es, der in einer Modulation als c-Moll-Terz umgedeutet wird und schließlich nach C-Dur führt, wo das Thema im Fortissimo, hell strahlend und „mit Pauken und Trompeten“ wiederholt wird ( Hörbeispiel?/i). Eine zweite Überleitung führt auf die Dominante Es-Dur zurück. Das erste Thema, das zuerst punktiert auftritt, erscheint in den drei Variationen zuerst in fortlaufenden Sechzehnteln, dann in Zweiunddreißigsteln und zum Abschluss als Kanon, auf den eine kurze Coda folgt.

Dritter Satz

Allegro, 3/4-Takt, c-Moll

Der 3. Satz – ein Scherzo, wie es seit Beethoven anstelle des überkommenen Menuetts typisch wird – steht wiederum in c-Moll. In der Beethoven-Literatur wird ihm vielfach der Charakter eines eigenständigen Satzes abgesprochen und die Funktion einer spannungssteigernden Überleitung zum Finale zugeschrieben (Walter Riezler, Ludwig van Beethoven, Zürich 1962). Beethoven hat den Satz auch bei der Reinschrift der Partitur fertiggestellt und ihn nach der Uraufführung um die Hälfte gekürzt. Der Satz hat die Form Scherzo – Trio – verkürzte Scherzo-Reprise mit Überleitung zum Finale.

Scherzothema

Das Scherzo besteht aus einem zweimal ansetzenden, in Vierteln aufsteigendem Bassmotiv, das einen Tonraum von fast zwei Oktaven aufreißt ( Hörbeispiel?/i) und von den hohen Streichern beantwortet wird. Darauf folgt ein fanfarenartiges Viertonmotiv, zunächst in den Hörnern und danach im Tutti (drei Viertel, punktierte Halbe), das an das erste Thema des ersten Satzes erinnert. Das erste Thema (diesmal in b-Moll) und das Hornmotiv erscheinen in variierter Form noch einmal, bevor sie zum Abschluss des Scherzos in einer Art von Durchführung miteinander kombiniert erklingen. Achtelfiguren in den Violinen und ein abschließendes Tutti (mit Pauken) leiten zum Mittelteil über. Beachtenswert ist, dass Beethoven im Scherzoteil auf die übliche Gliederung in zwei jeweils wiederholte Teile verzichtet.

Trio des 3. Satzes

Das Trio ist ein Fugato, das in den Streichern beginnt und dann die Blasinstrumente beteiligt. Der zweite Teil beginnt mit einem von Zögern unterbrochenen Einsatz. Er wird nicht vollständig wiederholt, sondern endet mit einer von den Flöten bis in die Fagotte durch drei Oktaven fallenden Linie im Pianissimo. Darauf folgt eine verkürzte Reprise des Scherzos, im Pianissimo und Pizzicato. Nach einem fünfzehn Takte im Pianissimo durchgehaltenen Orgelpunkt As im Bass ertönt kurz das Anfangsmotiv. Die Pauken treiben die Musik voran, indem sie rhythmisch das Hauptmotiv andeuten, dann Viertel, Achtel und schließlich einen Paukenwirbel spielen. Mit dieser gewaltigen Steigerung setzt attacca das Finale ein. Eine formale Trennung der Sätze unterbleibt: dieses Stilmittel kam in der Musik dieser Zeit sehr selten vor.

Vierter Satz

Allegro, 4/4-Takt, C-Dur

Der Schlusssatz erhält gegenüber dem Anfangssatz das Schwergewicht der Sinfonie: Diese Tendenz zur Verlagerung des Schwerpunkts an das Ende zeigt die 9. Sinfonie später noch deutlicher. Der „heiter-problemlose“ Charakter, wie er zum Teil noch in Beethovens früheren Sinfonien üblich war, wird nicht mehr angewandt. Der Gegensatz zwischen dem dramatisch-düsteren c-Moll des ersten Satzes und dem jubilierenden C-Dur des Schlusssatzes hat die Beethoven-Literatur zu den bekannten Bildern („Durch Nacht zum Licht“, „per aspera ad astra“, etc.) animiert. Zur Steigerung des triumphierenden Charakters bedient sich Beethoven wie später auch in der 9. Sinfonie der Form des Marsches. Außerdem wird das Orchester um Piccoloflöte, Kontrafagott und Posaunen erweitert. Der 4. Satz ist ebenso wie der erste Satz in der Sonatenhauptsatzform gebaut, jedoch dauert die Exposition 85 Takte, die Durchführung 66 Takte, die Reprise dagegen hat 110 Takte und die Coda gar 126. So tragen Reprise und Coda im letzten Satz das Schwergewicht, das demnach ebenso wie in der Gesamtanlage der Sinfonie zum Ende hin verlagert ist.

Hauptmotiv des 4. Satzes

Das erste Thema beginnt mit einer Dreiklangsfanfare und stellt eine klare Tonika auf. ( Hörbeispiel?/i). Nach einem Überleitungsteil in durchlaufenden Achteln und einem zweiten, dem ersten in seinem Aufbau aus Dreiklangstönen verwandten Thema ( Hörbeispiel?/i), folgt der Seitensatz in G-Dur, der durch Triolen rhythmisch abgehoben ist ( Hörbeispiel?/i) Das Triolenthema wird weitergeführt und mündet nach einer kurzen Figur in den Hörnern in ein Tutti.

Triolenthema

Klarinette, Fagott, Viola und Cello fangen ein neues, kurzes Thema an, welches dann vom ganzen Orchester aufgenommen wird. Ein Tutti beendet dann die Exposition. Die folgende Durchführung arbeitet hauptsächlich mit dem Triolenmotiv des Seitensatzes. Dabei wandert es mal durch die einzelnen Stimmen oder es wird, wie im Notenbeispiel, mit nachschlagenden Triolen der Blechbläser und Pauken kombiniert. Über einem langen Orgelpunkt der Bässe auf dem Ton g spielen die übrigen Streicher in durchgehenden Achteln, um darauf in einem Tutti im Fortissimo abzuschließen.

Nachschlagendes Triolenthema

Nun setzen die ersten Violinen überraschend mit einer rhythmischen Formel nur auf dem Ton g im Pianissimo ein. Dieser Teil stellt einen Rückgriff auf das Scherzo des dritten Satzes dar, allerdings ohne den Basslauf. Ein Tutti leitet dann über zur Reprise, die durch zwei eingeschobene Teile etwas länger als bei ihrem ersten Auftreten ist. Das zweite Thema, welches im Fagott erklingt und von den Hörnern beantwortet wird, eröffnet die Coda. Diese verwendet ein dem Hauptthema verwandtes Motiv (G-c-G-e-d-c-g), das nach zweimaligem Ansetzen zum letzten Presto überleitet. Sieben Viertelschläge im Orchester, durch lange Pausen getrennt, beenden schließlich das Werk.

Diskografie

Inzwischen existieren über 150 Aufnahmen des Werkes. Deshalb können nur wenige Aufnahmen gesondert erwähnt werden. Die erste Aufnahme stammt von den Berliner Philharmonikern unter Arthur Nikisch aus dem Jahr 1913. In der Folgezeit lassen sich zwei verschiedene Interpretationsansätze verfolgen: zum einen die romantische Beethoven-Interpretation, repräsentiert durch Wilhelm Furtwängler, Otto Klemperer und Bruno Walter. Die Tempi sind getragen und deutlich langsamer als vom Komponisten angegeben (bis zu 40 Minuten Gesamtspielzeit). Die einzelnen Abschnitte innerhalb eines Satzes sind zusätzlich im Tempo voneinander abgehoben, die Oberstimmen sind gegenüber den Gegenstimmen hervorgehoben. Der andere Ansatz (zuerst vertreten durch Arturo Toscanini) befolgt die schnellen Metronomzahlen (mit den vorgeschriebenen Wiederholungen 33 Minuten Gesamtspielzeit), ist im Klangbild schlanker und versucht eher, die Satzstruktur herauszuarbeiten. Weitere wichtige Einspielungen existieren von Carlos Kleiber, Herbert von Karajan, Leonard Bernstein, Ferenc Fricsay, George Szell, Rafael Kubelik und Igor Markevitch. Im Zuge der historischen Aufführungspraxis entstanden auch Aufnahmen der Sinfonien Beethovens auf Originalinstrumenten (z. B. durch Sir Roger Norrington). Eine rhythmisch prägnante Aufnahme nach dem Urtext entstand unter David Zinman. Ferner ist die Klavierbearbeitung von Franz Liszt (in Aufnahmen von Konstantin Scherbakov, Cyprien Katsaris, Glenn Gould und Paul Badura-Skoda) zu erwähnen. Von Ernst-Erich Stender existiert eine Bearbeitung für Orgel.

Rezeption des Werks

Durch Zeitgenossen

Die Uraufführung des Werkes war nach zeitgenössischen Berichten nicht sehr erfolgreich. Die Reaktion des Publikums reichte von Reserviertheit über Ratlosigkeit bis zur Ablehnung. Dazu kam der Umstand, dass die Darbietung durch das Orchester anscheinend nicht vollkommen überzeugen konnte. So schrieb zum Beispiel der Musikschriftsteller und Komponist Johann Friedrich Reichardt:

„Sänger und Orchester waren aus sehr heterogenen Theilen zusammengesetzt, und es war nicht einmal von allen auszuführenden Stücken, die alle voll der größten Schwierigkeiten waren, eine ganze vollständige Probe zu veranstalten, möglich geworden.“
Theater an der Wien, der Ort der Uraufführung – Stich nach Jakob Alt um circa 1815

Die zweite Besetzung Wiens durch die französische Armee verhinderte eine Wiederholung des Werkes. Nach dem Erscheinen der gedruckten Stimmen und des Klavierauszugs 1809 begann eine intensive Beschäftigung mit der Sinfonie. Nun folgten etliche Aufführungen in Deutschland und den angrenzenden Ländern. Das Werk erfreute sich zunehmender Beliebtheit. So sollten bis zum Jahr 1828 siebenhundert und bis 1862 tausendzweihundert Exemplare der Druckversion verkauft werden. Zusätzlich entstanden Fassungen für Septett (Streicher und Flöte), Streichquintett und Klavierquartett sowie Klavierfassungen von Carl Czerny, Johann Nepomuk Hummel und Franz Liszt.

In der Romantik

Eine wachsende Anzahl von Rezensionen, Besprechungen und Kommentaren entstand. Als eine der bedeutendsten und folgenreichsten unter ihnen gilt die im Jahr 1810 von E. T. A. Hoffmann für die Allgemeine Musikalische Zeitung verfasste, welche die erste ausführliche Analyse des formalen Aufbaus und der strukturellen Beziehungen des Werkes enthält. Außerdem wies sie den Weg für die bald darauf massiv einsetzende Deutung in Richtung des romantischen Beethoven-Bildes. Immer seltener wurden nun kritische Stimmen, wie die von Louis Spohr, der die mangelnde Orientierung des Werkes am klassischen Vorbild von Haydn und Mozart bemängelt hatte:

„Bei vielen einzelnen Schönheiten bildet sie doch kein classisches Ganzes. Namentlich fehlt sogleich dem Thema des ersten Satzes die Würde, die der Anfang der Symphonie, meinem Gefühle nach, doch nothwendig haben muß. Der letzte Satz mit seinem nichtssagenden Lärm, befriedigt am wenigsten.“

Der Sinfonie wurde immer größere Bewunderung zuteil, die Komponisten der Romantik wie Berlioz und Schumann meinten, in Beethoven einen Wegbereiter ihrer eigenen Musiksprache zu erkennen. So schrieb Berlioz:

„Unbestritten die berühmteste von allen und auch nach unserer Ansicht die erste, worin Beethoven seiner weiten Phantasie freien Lauf gelassen hat, ohne eine fremde Idee zur Führung oder als Stütze zu nehmen.“

Richard Wagner sah das Werk schon in Bezug auf sein eigenes Musikdrama:

„Hier betritt das lyrische Pathos schon fast den Boden einer idealen Dramatik im bestimmteren Sinne, und wie es zweifelhaft dünken dürfte, ob auf diesem Wege die musikalische Konzeption nicht bereits in ihrer Reinheit getrübt werden möchte, weil sie zur Herbeiziehung von Vorstellungen verleiten müßte, welche an sich dem Geiste der Musik durchaus fremd erscheinen, so ist andererseits wiederum nicht zu verkennen, dass der Meister keineswegs durch eine abirrende ästhetische Spekulation, sondern lediglich durch einen dem eigensten Gebiete der Musik entkeimten, durchaus idealen Instinkt hierin geleitet wurde.“

In der Moderne

Im 20. Jahrhundert war das Werk dann endgültig zu einem weltweit bekannten und anerkannten Kunstwerk geworden. Nun setzte sich auch eine eher sachliche, analytische Betrachtung durch, dessen bedeutendster Vertreter Heinrich Schenker war. Schenker schreibt im Vorwort einer Analyse zum vielbeschworenen „Ringen mit dem Schicksal“:

„Rang Beethoven also in Tönen, so genügt keine der Legenden und keine hermeneutische Deutung, um die Tonwelt zu erklären, wenn man nicht eben mit den Tönen denkt und fühlt, wie sie gleichsam selber denken.“

Der Nationalsozialismus sah in Beethovens Musik deutsche, natürlich weltweit überragende Geistesleistungen dargestellt. Insbesondere der „Geist der Zeit“, das „Erwachen des deutschen Volkes“, das sich anschicken sollte, auch kulturell als „germanische Rasse“ zu dominieren, meinte man hier festzustellen. Bereits 1934 hatte Arnold Schering von der 5. Sinfonie als einem Werk der „nationalen Erhebung“ geschwärmt und sie gleichgesetzt mit dem Bild des „Existenzkampfes eines Volkes, das einen Führer sucht und endlich findet“. Angeblich vermittelten Beethovens Werke spürbar diese Gefühle des „Heroischen“ und „Faustischen“, „Erhabenen“ und „Monumentalen“. Das Kopfmotiv wurde im zweiten Weltkrieg von der BBC wegen seiner Bedeutung als Buchstabe „V“ für Victory im Morse-Alphabet (···—) als Jingle verwendet. Autoren wie Theodor Adorno betonten dann in den 60er und 70er Jahren den Zusammenhang des Werkes mit den um 1800 aufkommenden Emanzipationsbestrebungen des Bürgertums. So schreibt Adorno in seiner Musiksoziologie über die Beethoven-Sinfonien:

„Die Beethoven’schen Symphonien waren, objektiv, Volksreden an die Menschheit, die, indem sie ihr das Gesetz ihres Lebens vorführten, sie zum unbewußten Bewußtsein jener Einheit bringen wollten, die den Individuen sonst in ihrer diffusen Existenz verborgen ist.“

Das Werk, speziell das Anfangsmotiv des ersten Satzes, wurde in den letzten Jahrzehnten von Blasorchestern, Tanzkapellen, der Filmmusik (Disneys Fantasia 2000) sowie Rock- und Pop-Bands (Ekseption, Die Toten Hosen, Steve Vai, Joe Satriani und dem Trans-Siberian Orchestra) aufgegriffen.

Zum Notentext

Deckblatt der Ausgabe 1329 vom Jahr 1809

Der Notentext des Werkes beruht auf fünf Hauptquellen, die teilweise im Detail widersprüchlich sind:

  • Die Partitur von Beethovens eigener Hand (Autograf), welche von ihm zur Uraufführung benutzt wurde. Sie befindet sich im Besitz der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz in Berlin.
  • Das handschriftliche Stimmenmaterial, das für die Uraufführung erstellt wurde. Es entstand zum Teil unter Beethovens Aufsicht. Es befindet sich im Besitz der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien.
  • Eine Handschrift des Kopisten Schlemmer, mit Korrekturen Beethovens, welche dem Verlag Breitkopf & Härtel als Stichvorlage diente. Sie befindet sich im Archiv des Verlages.
  • Die gedruckten Stimmen, die 1809 unter der Verlagsnummer 1329 bei selbigem Verlag erschienen.
  • Die gedruckte Partitur, die der Verlag unter der Nummer 4302 1826 veröffentlichte.

Zwischen diesen Quellen, besonders zwischen handschriftlichen und gedruckten, bestehen Unterschiede. Diese beziehen sich hauptsächlich auf die Dynamik, Phrasierung und Artikulation. Dabei gehen die Handschriften in Richtung einer sehr abgestuften Dynamik und einer detaillierten Phrasierung und Artikulation. Die gedruckten Quellen passen sich mehr den traditionellen Konventionen der Orchesterpraxis an. Ein wichtiger Unterschied zwischen Autograf und Druckversion betrifft das Scherzo. Es war ursprünglich 611 Takte lang, was Beethoven wohl im Nachhinein als zu lang empfand und erheblich kürzte. Zwei Takte der Wiederholung, die in der gekürzten Version keinen Sinn ergeben, tauchen trotz brieflicher Hinweise Beethovens an den Verlag seltsamerweise bis 1846, als Felix Mendelssohn Bartholdy darauf aufmerksam machte, in den Notenausgaben auf. Die Mehrzahl der heute verwendeten Partituren geht von der 1862 erschienenen Gesamtausgabe der Werke Beethovens aus, die ihrerseits auf den gedruckten Versionen von 1809 und 1826 beruht. Von Elliot Forbes und Peter Gülke wurden abweichende Partituren herausgegeben, die die genannten Diskrepanzen berücksichtigen.

Literatur

  • Peter Gülke: Zur Neuausgabe der Sinfonie Nr. 5 von Ludwig van Beethoven. Peters, Leipzig 1978.
  • Wulf Konold: Ludwig van Beethoven. 5. Symphonie. Schott, Mainz 1979, 1989. ISBN 3-7957-8101-9
  • Max Chop: Ludwig van Beethovens Symphonien (Nr. 4–6), geschichtlich und musikalisch analysiert, mit zahlreichen Notenbeispielen von Max Chop. Reclam, Leipzig 1910.
  • Renate Ulm: Die 9 Symphonien Beethovens. Bärenreiter, Oktober 2002. ISBN 3-7618-1241-8
  • Dieter Rexroth: Beethoven. Schott, Mainz 2001. ISBN 3-442-33019-X
  • Eliot Forbes: Beethoven. Symphony No. 5 in C minor. Norton, New York 1971. ISBN 0-393-09893-1
  • Rainer Cadenbach (Hrsg.): Ludwig van Beethoven. Symphonie Nr.5 c-Moll op.67. Faksimile. Laaber-Verlag, Laaber, 2002. ISBN 978-3-89007-408-5

Weblinks


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