Schiefer Turm (Soest)

Schiefer Turm (Soest)
Alt-St.Thomä von Osten, Foto vom benachbarten Stadtwall aus. Man beachte die am Baukörper abzulesende Umgestaltung zur Hallenkirche: Die ältere Symmetrieachse ging vom romanischen Kirchturm zum gotischen Chor. Das Hauptschiff wurde später so nach Süden erweitert, dass Turm und Chor nun nördlich der Hauptachse der Kirche liegen.

Schiefer Turm ist der umgangssprachliche Name für die im 12. Jahrhundert im Zuge der Errichtung der neuen erzbischöflichen Pfalz begründete Thomaskirche in Soest. Der offizielle Name Alt-St.Thomae für diese Kirche erklärt sich aus Abgrenzung zur unweit entfernt liegenden ehemaligen Klosterkirche Neu-St.Thomae. Der eigenwillig schiefe Turmhelm der Alt-St. Thomae-Kirche nimmt einen besonderen und exzentrischen Platz in der Silhouette der Soester Kirchtürme ein. Mit der Erweiterung des romanischen Baus zur frühgotischen Hallenkirche im 13. Jahrhundert gehört Alt.-St.-Thomae zu den ältesten gotischen Kirchenbauten in Deutschland. Alt-St.Thomae ist die einzige in unmittelbarer Nähe der Stadtumwallung liegende Kirche in Soest und verfügt ebenfalls als einzige unter den Soester Kirchen noch heute über einen Kirchgarten.

Inhaltsverzeichnis

Zur Geschichte

Die ältesten romanischen Teile von Alt-St.Thomae stammen aus der Zeit um 1180. Jedoch gab es bereits um 900 einen kapellenartigen Vorgängerbau an gleicher Stelle. Um 1270 wurde die Kirche im Stil der Frühgotik erweitert. Der schiefe Turmhelm wurde erst im 17. Jahrhundert errichtet. Die heute evangelisch-reformierte Kirche, die im 19. Jahrhundert nur knapp dem Abriss entging, wurde im März 1945 erheblich beschädigt. Die Spuren sind bis in die Gegenwart erhalten geblieben: So finden die Gottesdienste der kleinen evangelischen Gemeinde zumeist unter dem Turm statt, während der eigentliche Kirchenraum (durch eine Scheibe einsehbar) weitgehend unverputzt und ohne einheitlichen Bodenbelag an die bewegte Vergangenheit gemahnt.

Zur schiefen Turmhaube

Schiefer Turm von Norden. Deutlich zu erkennen die rein romanische Gestaltung des Turmes

Der eigenwillig schiefe, nach Westen geneigte Turmhelm der Alt-St. Thomae-Kirche wurde 1653 vom Stadtzimmerer Goebel Styes errichtet. Damit scheiden Erklärungsansätze zur Schiefstellung von vornherein aus, die auf ältere geschichtliche Zustände verweisen, so die verbreitete Erklärung, die Turmhaube verneige sich gleichsam vor den Kölner Erzbischöfen als Soester Stadtherren. Denn bereits 1449 war Soest im Zuge der Soester Fehde von den Kölner Erzbischöfen als Landesherren im kurkölnischen Herzogtum Westfalen unabhängig geworden. Heute werden zumeist zwei, sich nicht gegenseitig ausschließende Erklärungen zur Schiefstellung herangezogen:

  1. Die Schiefstellung der Turmhaube resultiere aus Schäden im Gebälk (durch Holzuntersuchungen gestützt)
  2. Die Turmhaube neige sich der örtlichen Hauptwindrichtung (Westwind) entgegen

Örtliche Dönekes (Anekdoten) zum Schiefen Turm

  • Der unverschämte Hahn: Lange Zeit stand oben auf der Spitze ein ziemlich kräftiger, schwerer Hahn. Dieser Hühnermann, offenbar voyeuristisch veranlagt, schaute den Damen der Stadt von oben immer neugierig ins Dekolleté und freute sich seines ansonsten recht einsamen Lebens auf der Turmspitze. Zum Unglück des neugierigen und frechen Federviehs kam irgendwann die Zeit der großen Damenhüte, deren Hutkrempen einfach zu breit waren, um noch einen Blick von oben auf die tieferliegenden Geheimnisse der Damenwelt zu erlauben. Was blieb dem Hahn schon übrig, als sich immer weiter vor zu beugen, um doch einen Blick zu erhaschen! Und so steht er heute mit dem Turm ziemlich schief da. (Stimmt übrigens nicht: Der Hahn steht gerade und nicht vorgebeugt auf der Turmhaube, vgl. Bild rechts)

Literatur

  • Rothert, Hugo; Das Kirchspiel von St. Thomae zu Soest : zur Geschichte einer evangelischen Gemeinde in Westfalen; Soest: Kurtze (i. Komm.) 1887
  • Deus, Helmut; Baugeschichte der Kirche St. Thomae zu Soest; Soest: Mocker & Jahn 1954; (= Soester wissenschaftliche Beiträge / Bd. 9)
  • Evangelische Kirchengemeinde St. Thomae Soest (Hg.); St. Thomae Soest : Festschrift der evangelischen St. Thomae-Kirchengemeinde zur Einweihung der Kirche am 2. Oktober 1966 ; Wiesbaden : Libertas-Verlag 1966
  • Bamberg, Fritz (Verf.), Kreis Soest (Hg.); Romanische und gotische Kirchen im Kreise Soest beiderseits des Hellwegs; Lippstadt : Laumanns 1984

Weblinks

Siehe auch

51.5694444444448.11555555555557Koordinaten: 51° 34′ 10″ N, 8° 6′ 56″ O


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