- Schilling & Graebner
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Die Dresdner Firma Schilling & Graebner war ein gemeinsames Architekturbüro der miteinander assoziierten Geschäftspartner Rudolf Schilling und Julius Graebner. Unter der Führung dieser beiden Architekten existierte es zwischen 1889 und 1917, bestand aber anschließend noch bis 1947, zuletzt unter Graebners Sohn Erwin, weiter. In dem Büro, das sich zunächst vorwiegend dem Historismus und später dem Jugendstil und der frühen Moderne verschrieb, entstanden Pläne für viele hauptsächlich sächsische Bauwerke, so mehrere mustergültige Kirchen, Dresdner Villen, Verwaltungsbauten und ganze Siedlungen. Das bedeutendste Werk der Architekten ist wohl die Christuskirche in Dresden-Strehlen, die als erster moderner Kirchenbau Deutschlands nach der Überwindung des Historismus gilt.
Inhaltsverzeichnis
Kennenlernen und Zusammenwirken
Das Architekturbüro Schilling & Graebner wurde im Jahre 1889 von Rudolf Schilling und Julius Graebner gemeinsam gegründet. Beide hatten sich im Alter von jeweils etwas mehr als 20 Jahren um 1881 während ihres Architekturstudiums am Dresdner Polytechnikum kennengelernt. Auch, als sie nach dem Abschluss ihrer Ausbildungen zunächst wieder getrennte Wege gingen, verloren sie sich nicht aus den Augen, zumal sie Mitte der 1880er Jahre beide in Berlin bei zwei verschiedenen Büros arbeiteten.[1]
Die beiden etwa gleichaltrigen Architekten ergänzten sich sehr gut.[2] Zusammen waren sie leistungsfähig und sehr flexibel. Dies äußerte sich in der Tatsache, dass sie nicht nur vielschichtige Bauaufgaben wahrnahmen, sondern dass diese auch große stilistische Unterschiede aufwiesen.[3] Schilling als Sohn des bekannten Bildhauers Johannes Schilling brachte dabei das notwendige Startkapital sowie Kontakte zu zahlreichen potentiellen Auftraggebern ein. Die Stärke Graebners war hingegen eher das künstlerische Gestalten. Gemeinsam stellten sie in ihrer Firma mehrere ausgebildete Architekten an, so unter anderem vorübergehend auch Oswald Bieber. Ihre größten Konkurrenten waren William Lossow und Fritz Schumacher. In der damaligen Zeit standen Schilling und Graebner als führende Bauräte der fünftgrößten Stadt des Deutschen Reichs in der ersten Riege der deutschen Architekten und galten besonders als Experten für den zeitgenössischen protestantischen Kirchenbau. Angeregt wurden sie in ihrer Arbeit auch durch Vorschläge von Franz Wilhelm Dibelius und Cornelius Gurlitt.[1]
Stilistischer Werdegang
Zuerst vertraten Schilling & Graebner den Späthistorismus in Dresden. Ihr erster Bauauftrag, das 1891 fertiggestellte Rathaus der damals selbstständigen Gemeinde Pieschen, zeigt deutliche Züge der Deutschen Renaissance, [4] ebenso wie die ab 1891 errichtete Villa Muttersegen in Blasewitz [5] oder die Lutherkirche in Radebeul. [6] In den letzten Jahren vor der Jahrhundertwende entwarfen Schilling & Graebner dann auch neobarocke Gebäude, [2] wie im Jahre 1896 das 1945 zerstörte Geschäftshaus Kaiserpalast am Pirnaischen Platz. [7] Ebenfalls neobarock gestalteten sie im Jahre 1895 die Innenräume der nach einem Brand zerstörten Schellenberger Stadtkirche St. Petri [8] sowie um 1900 die der Dresdner Kreuzkirche. [9] Bei letzterer zeigte sich aber auch ein großer Jugendstileinfluss. Schilling & Graebner vertraten lange Zeit die Ansichten der Heimatschutzarchitektur.
1899 kauften Schilling & Graebner im heutigen Radebeuler Stadtteil Niederlößnitz das große Weinguts-Anwesen Altfriedstein auf und entwickelten das Gelände unter Anlage von Straßen und Parzellierung der aufgelassenen Weinrebflächen. Dazu rissen sie den Westflügel des Herrenhauses sowie alle Nebengebäude des Weinguts ab und gestalteten den Westgiebel des stehengebliebenen Ostflügels um. Unter anderem bauten sie dort einen Fußgängerdurchgang durch die Gebäudeecke des Erdgeschosses. Ab 1902 bis zum Ersten Weltkrieg errichteten sie dort zahlreiche Villen und Landhäuser, etliche davon im Stil der Reformarchitektur.
Schilling & Graebner versuchten nach einer Zäsur um das Jahr 1902, den Historismus zu überwinden, und wendeten sich mehr der Moderne zu, was aber besonders im Kirchenbau durch den dort gültigen Eisenacher Regulativ schwierig war. Erste Anzeichen der Moderne sind die in den Anfangsjahren des 20. Jahrhunderts für den Dresdner Spar- und Bauverein errichteten Wohnhäuser mit ihrer sparsamen Fassadenausstattung und hohen Funktionalität. Die Christuskirche in Strehlen, [10] erbaut 1903–1905, geht bereits weit über den Jugendstil hinaus und weist den Weg zum modernen Kirchenbau des 20. Jahrhunderts, [11] der ebenfalls sehr deutlich am Beispiel der 1945 zerstörten Zionskirche in der Dresdner Südvorstadt, errichtet zwischen 1912 und 1914, zum Ausdruck kommt. [12] Allerdings experimentierten Schilling & Graebner auch gern mit Stilgemischen.
Fortbestand nach 1917
Nachdem Julius Graebner im Jahre 1917 verstorben war, wurde das Architekturbüro gemeinsam von seinem Sohn Erwin Graebner, der im Oktober 1918 nach dem Ersten Weltkrieg von der Front zurückkehrte, und Rudolf Schilling weitergeführt. In dieser Zeit kamen weitere Pläne für größere Bauwerke wie die Kriegersiedlung in Trachau und die zur Großsiedlung Trachau gehörende Bebauung der Westseite der Aachener Straße zur Ausführung. [13] Rudolf Schilling starb im Jahre 1933 und Erwin Graebner führte das Büro, dessen Gründer nun beide nicht mehr am Leben waren, fortan allein. Er entwickelte in dieser Zeit unter anderem die Pläne für mehrere Gebäude der Leipziger Kammgarnspinnerei, die 2007 gesprengt wurden. [14] Im Jahre 1947 wurde das Architekturbüro Schilling & Graebner geschlossen. [1]
Ausgewählte Werke
Das Büro Schilling & Graebner hinterließ ein recht breitgefächertes Werk, was sich sowohl in den verschiedenen von ihnen entworfenen oder errichteten Gebäudetypen als auch in den unterschiedlichen historisierenden bis modernen Baustilen niederschlägt.
Villen
- Goetheallee 24 (Villa Muttersegen), Blasewitz, Baubeginn 1891, Neorenaissance, heute Sitz des EIPOS [15]
- Barteldesplatz 2, Blasewitz, 1893, Neorenaissance, heute Sitz der Bürgerstiftung Dresden
- Goetheallee 43, Blasewitz, 1894, verschiedene Stilformen [16]
- Anbau an die Villa Zillerstraße 5, Niederlößnitz, 1895
- Hermsdorfer Straße 16, 1898, Jugendstil, Löbtau [17]
- Hochuferstraße 14, Blasewitz, 1899, zerstört
- Franz-Liszt-Straße 19, Strehlen, 1899
- Hähnelstraße 13, Johannstadt, landhausartiger Viergeschosser, zerstört
- Degelestraße 3 (Villa Wolff), Weißer Hirsch, 1901, Neobarock
- Villenkolonie am Altfriedstein im Radebeuler Stadtteil Niederlößnitz, ab 1902
- Villa Prof.-Wilhelm-Ring 20, 1902
- Landhaus Ludwig-Richter-Allee 27, 1902/1903
- Landhaus Prof.-Wilhelm-Ring 16, 1903
- Mietshaus Hermann Ebert, Moritzburger Straße 45, 1903
- Landhaus Lindenaustraße 7, 1903/1904
- Landhaus Paul Nieschke, Ludwig-Richter-Allee 28, 1906
- Landhaus Lutzmann, Lindenaustraße 3, 1906
- Villa Alfred Sparbert, Prof.-Wilhelm-Ring 19, 1907
- Meyerburg, Mohrenstraße 5, 1911/1912
- Villa Würzburger, Johannstadt, 1910
Stadthäuser in Dresden
- Kaiserpalast, 1896, Neobarock, am Pirnaischen Platz in Dresden, 1945 zerstört
- Leipziger Straße 32/34, Leipziger Vorstadt, Wohnhäuser für den Dresdner Spar- und Bauverein, 1901, sparsam dekoriert und funktionalistisch
- Coschützer Straße 54/56, Plauen, Wohnhäuser für den Dresdner Spar- und Bauverein, 1902, sparsam dekoriert und funktionalistisch
Kirchen
- Lutherkirche Radebeul, Neorenaissance, 1891 [2] (nebst nebenliegendem Gemeindehaus sowie der damit verbundenen Friedhofskapelle auf dem Friedhof Radebeul-Ost)
- Kirche in Hohenfichte 1894–1896 [18]
- Kirche St. Petri in der Stadt Schellenberg, Innenausbau 1895, Neobarock [8]
- Kirche in Stenn 1895–1896
- Entwurf für den Neubau der Kirche in Leuben 1898, 2. Preis, nicht ausgeführt
- Innenausbau Kreuzkirche nach Brand 1897–1900, zerstört, Reste erhalten
- Umbau evangelische Kirche in Cannewitz, 1900
- Turmneubau evangelische Kirche in Bergen (Vogtland)
- Schutzvorbau für die Goldene Pforte am Freiberger Dom, 1902
- Kirchen in Karbitz (1987 gesprengt), [19] Dux, Langenau, Hohenelbe und Klostergrab, 1900–1903
- Kirche in Wiesa, 1902
- Christuskirche in Strehlen, 1903–1905, [20]
- Friedhofskapelle in Rochlitz, 1905
- Lutherkirche Zwickau, Jugendstil-Ziegelbau, 1906 als Garnisonkirche errichtet [21]
- Umbau der Kreuzkirche in Hirschberg im Riesengebirge, 1909
- Umbau der Jakobikirche in Chemnitz, Neugestaltung der Westfassade, Jugendstil, 1911 [22]
- Zionskirche, Dresden-Südvorstadt, 1912–1914 [23]
- Friedenskirche Aue
- Kirche in Schinkel bei Osnabrück
Großwohnsiedlungen in Dresden
- Kriegersiedlung Dresden-Trachau, 1921–1926, [24]
- Großsiedlung Dresden-Trachau, gemeinsam mit Hans Richter, Hans Waloschek und Weiteren, 1928–1939, insbesondere Häuserzeile Aachener Straße [25]
- Rudolf-Schilling-Häuser an der Holbeinstraße und der Tittmannstraße, heute Wohnungsgenossenschaft Johannstadt [26]
- Siedlung Reick, gemeinsam mit Rudolf Bitzan und Weiteren [24]
Andere Bauten und Entwürfe
- Alte Friedhofskapelle Friedhof Radebeul-Ost, 1890
- Rathaus Pieschen, 1890–1891
- Rathaus Löbtau, 1896–1898, zerstört [27]
- Deutsche Kunstausstellung 1897 in Dresden: Entwurf eines Restaurationsgebäudes in Form eines japanisierenden Rococo-Pavillons
- Deutsche Kunstausstellung 1899: Entwurf für das Portal zur Abteilung Kunstgewerbe und Großer Saal, nicht erhalten
- Weinsalon in Stadt Gotha, Schlossstraße 11, 1900, Dresden-Altstadt, zerstört
- Sächsische Handelsbank, Ringstraße 10/12, Dresden-Altstadt, 1900
- Kaffeeladen Max Thürmer, im Victoriahaus, Waisenhausstraße, Dresden-Altstadt, 1901, zerstört [28]
- AOK-Verwaltungsgebäude am Sternplatz, Wilsdruffer Vorstadt, 1908 [29]
- St.-Pauli-Friedhof Dresden, Einsegnungs-, Leichenhalle, Gärtnerhaus, Toranlage, 1909
- Kurzentrum Bad Gottleuba, Bad Gottleuba-Berggießhübel, 1909–1913, 34 Jugendstilgebäude [30]
- einige Gebäude des Lahmannsanatoriums, Weißer Hirsch, 1912 [24]
- Färberei und Sortierungsgebäude der Kammgarnspinnerei Leipzig, 1934-1936, Funktionalismus
Literatur
- Rudolf Schilling, Julius Graebner: Schilling und Graebner, Architekten BDA, Dresden. Eine Auswahl. Bauten von 1918–1928. Berlin, Maul, 1928.
- Ricarda Kube: Schilling und Graebner (1889–1917) – Das Werk einer Dresdner Architektenfirma. Dissertation an der Technischen Universität Dresden, 2 Bände, 1988.
- Landesamt für Denkmalpflege Sachsen und Stadt Radebeul (Hrsg.): Stadt Radebeul. [Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Denkmale in Sachsen.] SAX-Verlag, Beucha 2007, ISBN 978-3-86729-004-3
- verein für denkmalpflege und neues bauen radebeul (Hrsg.): Beiträge zur Stadtkultur der Stadt Radebeul (1997 ff.)
- insbesondere der Beitrag Die Villenkolonie am Altfriedstein, von Tobias Michael Wolf, ebd., 2006.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ a b c malcomess.com (PDF)
- ↑ a b c R. Kube: Schilling und Graebner (1889–1917) – Das Werk einer Dresdner Architektenfirma, Dresden, 1988
- ↑ waloschek.de
- ↑ dresdner-stadtteile.de
- ↑ architekturmuseum.ub.tu-berlin.de
- ↑ lutherkirche-radebeul.de
- ↑ dresden.stadtwiki.de
- ↑ a b kirche-augustusburg.de
- ↑ engr.psu.edu
- ↑ hjhaupt.de
- ↑ Fr. Löffler: Das alte Dresden, Leipzig, 1981
- ↑ dresden.de
- ↑ das-neue-dresden.de
- ↑ youtube.com
- ↑ deutschefotothek.de
- ↑ dresdner-stadtteile.de
- ↑ dresdner-stadtteile.de
- ↑ hohenfichte.de
- ↑ aussig.mysteria.cz
- ↑ husum-verlag.de
- ↑ kultourz.de
- ↑ kirche-chemnitz.de
- ↑ diathek.kunstgesch.uni-halle.de
- ↑ a b c M. Wörner, G. Lupfer, J. Paul, B. Sterra: Architekturführer Dresden, Dietrich-Reimer-Verlag, 1997
- ↑ Webseite über die Siedlung Dresden Trachau bei archINFORM
- ↑ dresden.de
- ↑ dresdner-stadtteile.de
- ↑ Volker Helas, Gudrun Peltz: Jugendstilarchitektur in Dresden, Knop 1999, ISBN 3-934363-00-8
- ↑ deutschefotothek.de
- ↑ medizinhistorische-ausstellung-bad-gottleuba.de
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