Schnatgang

Schnatgang

Der Schnadegang, mitunter auch Schnadezug, Schnatgang, in Hessen auch Grenzgang oder Grenzegang genannt, ist in zahlreichen Gemeinden, vor allem in Westfalen und Hessen sowie in der Stadt Osnabrück (Niedersachsen) ein wiederbelebter alter oder seit Jahrhunderten bestehender Brauch der Grenzbegehung. „Schnade“, niederdeutsch auch „Snat“ oder „Schnaot“, ist verwandt mit „Schneise“ und bedeutet Grenze.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Zurückzuführen sind die Rundgänge auf Streitigkeiten der Orte wegen angeblicher oder tatsächlicher Grenzverschiebungen.

Früher dienten Waldschneisen, Bäche, Hecken oder Gräben als Grenzmarkierung. Bis zum 17. Jahrhundert dienten zur Markierung auch eigens gepflanzte Bäume, in die man mit der Axt ein Kreuz hineinschlug, dann ging man zur Verwendung von Grenzsteinen (Hütesteinen) über. Diese bestehen häufig aus einem anderen Material als die Gesteine aus der Umgebung, damit man die Grenzsteine besser von den natürlichen Steinen unterscheiden kann.

Um die Korrektheit der Gemeindegrenze zu kontrollieren, die Grenzmarkierungen freizuschneiden und den neuen Bürgern die Kenntnis über den Verlauf der Grenzen zu vermitteln, fand anfangs eine amtliche Grenzbegehung statt, die dann alle ein oder zwei Jahre wiederholt wurde und mit der Zeit zu einem Volksfest mit teilweise bis zu mehreren 10.000 Besuchern wurde, so zum Beispiel in Asbeck (Münsterland), Bad Sassendorf, Biedenkopf, Brilon, Buchenau (Lahn), Herdecke, Dorfwelver, Ense, Goßfelden, Arnsberg, Neheim-Hüsten (Arnsberg), Meschede, Moritzberg (Hildesheim), Warstein, Wetter, Wickede (Ruhr) und Wollmar. In Neuenrade im märkischen Kreis ist ein Schnadegang von 1450 schriftlich überliefert.

Vielerots wurde und wird der Schnadegang zum Anlass genommen, Neubürger der Stadt zu "poaläsen". Dabei wird der zu "Poaläsende" von einigen Schnadgängern ("Schnadloipers") angehoben und über einen Grenzstein gehalten. Dann wird sein Hinterteil ("Ääs") auf den Stein ("Poal") mehrmals aufgetitscht. Damit soll dem Neubürger der Standort des Grenzsteins nachhaltig bewusst gemacht werden. Gepoaläste Gemeindemitglieder werden "Poalbürger" (Alteingesessene) genannt. Der Gepoaläste revanchiert sich für die Aufnahme in die Gemeinde mit einer Getränkespende am nächstgelegenen Rastplatz des Schnadegangs.

Schnadegang

Verbot in Preußen

Nach der Einführung des Grundsteuerkatasters wurden sie in einer Verfügung des preußischen Innenministeriums vom 6. Juli 1817 für nicht mehr notwendig erklärt.

Im "Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Arnsberg" vom 3. Februar 1841 wurde der Schnadegang schließlich verboten:

"Die an einigen Orten noch üblichen Grenz- und Schnadenzüge haben in der neueren Zeit, zur Verübung mehrerer grober Exzesse Veranlassung gegeben. Da derartige Züge in der jetzigen Zeit keinen Nutzen mehr gewähren, weil bei der vollendeten Katastrirung des Grund und Bodens eine Verdunklung der Grenzen nicht leicht möglich ist, eintretendenfalls aber ohne Theilnahme der einzelnen Gemeindeglieder von den Behörden gehoben werden kann, so werden diese bisher an einigen Orten noch übliche Grenzzüge, in Folge Bestimmung des Königlichen Ministerium des Innern und der Polizei ganz untersagt, und sämmtliche Ortsbehörden sowie die Königlichen Landrräthe unseres Bezirks hiedurch angewiesen, Niemanden zur Veranstaltung eines Grenzzuges, welcher die Begehung einer Jagd-, Gemarkungs- oder Gemeindegrenze durch die Gemeindeglieder oder sonstiger bei Feststellung der Grenzen nicht interessirter Personen zum Zweck hat, die Erlaubnis zu ertheilen."

So geriet im preußischen Staat der Brauch des Schnadezuges vielerorts in Vergessenheit.

Brilon

Schnadegang Brilon

In Brilon fand der erste Schnadegang am 24. Juni 1388 statt. Zwischenfälle beim Schnadegang von 1840 nahm die preußische Regierung zum Anlass, den Schnadegang zu verbieten. 1848 wurde der Schnadegang für die Stadt Brilon durch den preußischen König Friedrich Wilhelm IV. aus besonderer Gnade wieder gestattet.

Heute findet der Schnadegang alle zwei Jahre am Schützenfestwochenende statt. Dabei wird etwa ein Fünftel der Stadtgrenze abgeschritten. Jeweils mehrere Tausend Männer beteiligen sich am Schnadegang. Frauen sind erst auf den Lagerplatz zugelassen, wo ein zünftiges Waldfest stattfindet.

Der einzelne Schnadegang ist dabei stets in drei Abschnitte aufgeteilt:

  • Der traditionelle Ausmarsch vom Marktplatz mit Wanderung bis zum Frühstücksplatz
  • Wanderung vom Frühstücksplatz bis zum Lagerplatz
  • Wanderung vom Lagerplatz mit Einmarsch in die Stadt und dreimaliges Umrunden des Marktplatzes

Osnabrück

Schnatgangstein am Hotel Walhalla in Osnabrück
Bad Iburger Schnautgangsstein am Dörenberg von 2002

In der niedersächsischen Stadt Osnabrück richtet die seit 1560 belegte Heger Laischaft alle sieben Jahre den Schnatgang aus. Er wurde im 19. Jahrhundert zu einem Tradtionsfest. Die Teilnehmer begrüßen sich bis heute mit „Olle use“ (Alles unseres). „Olle use“ ist auch der Name einer Wirtschaft am Hegertor. Die von den Bürgern der Laischaft gemeinsam bewirtschafteten Wälder lagen außerhalb der Stadtgrenze vor dem Hegertor.

Über einem Nebeneingang des Hotels Walhalla in der Osnabrücker Altstadt, einem Fachwerkgebäude im Stil eines Ackerbürgerhauses von 1690 in unmittelbarer Nähe des Rathauses, wurde zur Erinnerung an den Schnatgang 1934 ein Gedenkstein angebracht. Er trägt die Inschrift Küms du herrut ut düsse durn/Un häßt de Näse schön an schlürn/dann stell di hier nich hin un pinkle/sock di datou en ennern Winkel. Snautgang 1934.

Bad Iburg

Die Tradition des Schnatgangs wurde in der niedersächsischen Stadt Bad Iburg südlich von Osnabrück wiederbelebt. An den Schnatgang 2002 erinnert ein Gedenkstein auf dem Karlsplatz des Dörenbergs mit der Inschrift Schnautgang 2002 Bad Iburg.

Literatur

  • Josef Lappe: Der Schnadzug - ein altwestfälischer Rechts- und Volksbrauch In: Heimatblätter der Roten Erde 4 (1925) S. 452-467
  • Karl Hartung: Mit alten Mendenern auf Schnadegang - Umbreitung der Gräntzen im Ambt Menden 1582, Beiträge zur Landeskunde des Hönnetals Band 19, Menden 1994
  • Schnadgangsprotokoll vom 30. Juni 1740 im Amt Wolbeck, Staatsarchiv Münster, Fürstentum Münster, Hofkammer, XVI2a
  • Franz X. Simmerding: Grenzzeichen, Grenzsteinsetzer und Grenzfrevler, Deutscher Verein f. Vermessungswesen (DVW) Landesverein Bayern e.V. (Hrsg.) Kapitel D.
  • Adolf Sellmann: Über Grenze, Grenzsteine und Grenzfrevel, Allgemeine Vermessungs-Nachrichten 1931, S. 243 ff.
  • H. Vorwahl: Die Grenze in Glaube und Brauch, Allgemeine Vermessungs-Nachrichten 1929, S. 572 ff.

Weblinks


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