Schnoorviertel

Schnoorviertel
Schnoorviertel in Bremen

Der Schnoor (auch Schnoorviertel genannt; von niederdeutsch Schnoor, Snoor = Schnur) ist ein mittelalterliches Gängeviertel in der Altstadt Bremens. Das Quartier verdankt seine Bezeichnung dem alten Schiffshandwerk. Die Gänge zwischen den Häusern standen oft in Zusammenhang mit Berufen oder Gegenständen: So gab es einen Bereich, in welchem Seile und Taue hergestellt wurden (Schnur = Schnoor), und einen benachbarten Bereich, in dem Draht und Ankerketten gefertigt wurden (Wieren = Draht).

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die erste bekannte schriftliche Erwähnung des Schnoors geht auf das 13. Jahrhundert zurück. Zu dieser Zeit wurde am Rande des heutigen Schnoorviertels ein Franziskanerkloster gebaut, von dem nur die Klosterkirche erhalten ist. Die heutige katholische St.-Johannis-Kirche wurde zwischen 1230 und 1240 im Stil der Backsteingotik als turmlose Hallenkirche mit Dachreiter erbaut.

Zahlreiche Häuser aus dem 17. und 18. Jahrhundert sind noch erhalten und vermitteln einen romantischen Eindruck vom Leben in früheren Zeiten. Viele Straßenbezeichnungen stehen im Zusammenhang mit früheren Nutzungen. So war am Stavendamm die erste öffentliche Badestube zu finden (Stave ist Plattdeutsch für „Stube“), die auch Gelegenheit zu anderen Formen von Vergnügungen bot. Es wird sogar berichtet, dass der Bischof von Bremen durch einen unterirdischen Gang vom Dom bis zum Stavendamm heimlich die Badestube besuchte. Die Legende berichtet, dieser unterirdische Gang habe im noch heute erhaltenen Schifferhaus geendet.

Bevölkerung

Die ursprüngliche Bevölkerung des Schnoors bestand überwiegend aus Flussfischern und Schiffern, die davon profitierten, dass die Balge, ein Seitenarm der Weser, direkt durch dieses Viertel floss. Im Mittelalter noch Hauptstrom der Stadt, versandete die Balge im Laufe der Jahrhunderte, während der ursprüngliche Nebenfluss, die Weser, an Bedeutung gewann. Das letzte Rinnsal der Balge wurde im 19. Jahrhundert zugeschüttet. Heute erinnern nur noch Straßennamen und in den Boden eingelassene Tafeln an das ehemalige Gewässer.

Einer der bekanntesten Bewohner des Schnoor war Jürgen Heinrich Keberle (1835−1909), der aber aufgrund seines Holzbeines nur Heini Holtenbeen genannt wurde. Er war durch seine typische Erscheinung und schlagfertige humorvolle Art zu einem Bremer Original geworden. Ihm wurde ein Denkmal gesetzt und ein Verein, der sich um die Erhaltung des Schnoors kümmert, wurde nach ihm benannt.

Entwicklung

Bedingt durch die kleinen Grundstücke und engen Gassen entwickelte sich der Schnoor Anfang des 20. Jahrhunderts zu einem Arme-Leute-Viertel. Während hier oft einem Haus nur rund 60 m² Grund und Boden zur Verfügung stand, erreichen die einzelnen Wohngrundstücke in den Randbezirken Bremens noch heute eine Größe von mehr als 1000 m². Für den motorisierten Verkehr waren die Straßen im Schnoor praktisch unpassierbar.

Von den umfangreichen Flächenbombardements Bremens im Zweiten Weltkrieg blieb der Schnoor überwiegend verschont. Zum Schutz der erhaltenswerten Bausubstanz wurde am 3. Februar 1959 ein „Ortsstatut“ beschlossen, und die Denkmalpflege begann unter Leitung von Karl Dillschneider das nunmehr um die hundert Häuser umfassende Viertel gründlich zu sanieren. Einige kriegsbedingte Baulücken wurden geschlossen. Durch Materialhilfen der Denkmalpflege mittels geborgener historischer Bauteile sowie durch finanzielle Zuschüsse wurde der Sanierungsprozess unterstützt. Sämtliche Umbauten wurden durch die Denkmalpflege betreut und kontrolliert. Durch das noch heute gültige „Ortsstatut“ sind gestalterische Festlegungen bis ins Detail regelt. Um ein verträgliches Nebeneinander von Wohnen und Gewerbe zu gewährleisten, wurde im Jahre 1981 ein Bebauungsplan aufgestellt, um beispielsweise neben den bereits bestehenden Gaststätten keine weiteren zuzulassen.[1]

Das Schnoor ist heute eine Sehenswürdigkeit geworden. Er beherbergt viele Kunsthandwerkbetriebe (darunter eine Glasbläserei), Galerien, Gastronomie, Antiquitätengeschäfte und kleine Museen. Unter anderem hat hier das Institut für niederdeutsche Sprache seit 1973 seinen Sitz. Fast 30 Jahre lang gab es ein eigenes Schnoor-Archiv (Am Landherrnamt 3) und ein privates Museum im „Schifferhaus“ (Stavendamm 15). Im Jahre 2005 wurde ein Antikenmuseum im Schnoor eröffnet. Das seit 1992 bestehende Travestietheater von Madame Lothár wurde über Bremen hinaus bekannt und galt bis zu seiner Schließung Anfang des Jahres 2008 als „bremische Institution“. Im ehemaligen Packhaus finden Theateraufführungen statt, im Mai 2006 eröffnete hier außerdem das Bremer Geschichtenhaus. Mehrere gemeinnützige Vereine tragen zum Erhalt und zur kulturellen Belebung bei. Als letztes Quartier der Bremer Altstadt mit größtenteils erhaltener und zusammenhängender Bausubstanz aus dem 15. bis 19. Jahrhundert hat sich der Schnoor zu einer Hauptsehenswürdigkeit in Bremen entwickelt.

Denkmalschutz

Die meisten Gebäude dieses Stadtviertels wurden erstmals in der Epoche des Klassizismus (um 1800 bis 1850) und des Historismus (um 1850 bis 1890) errichtet, manche entstanden bereits im Barock (1700 bis 1770). Nur wenige Gebäude stammen aus der Renaissance (1550, 1630). Durch die Verfallszeit ab etwa 1900 und die Entwicklung nach 1945 sind zahlreiche historische Zeugnisse verloren gegangen. Ab 1955 wurden zahlreiche Gebäude nach alten Vorbildern wieder hergestellt, innen saniert und bedarfsgerecht umgebaut. Aufgrund der Veränderungen über Jahrhunderte konnte allerdings der ursprüngliche Zustand der Gebäude weder erhalten noch originalgetreu rekonstruiert werden. Der heutige Zustand ist ein Versuch, sowohl die architektonische Vielfalt und die Stilepochen als auch die geschichtliche Entwicklung und Lebendigkeit des Schnoorviertels darzustellen.

Das Ensemble der Wohn- und Geschäftshäuser, Gaststätten und Speicher in der Straße Schnoor von Nummer 1 bis 14, 16 bis 20, 23 bis 26, 29, 30, 36, 38, 40 bis 43 steht unter Denkmalschutz.

Weiterhin sind die meisten Einzelgebäude unter Denkmalschutz gestellt worden und zwar u.a.

  • Schnoor von 1 bis 43
  • Am Landherrnamt von 1 bis 10
  • Dechanatstraße 11, 13 und 15
  • Franziskanerstrasse 5 und 6
  • Hinter der Balge 1, 2, 5, 6, 9, 10 und 12
  • Hinter der Holzpforte 1 bis 4, 8 und 20
  • Hohe Straße 1, 2, 3 und 15
  • Kolpingstraße 2 bis 4, 6, 7 und 9
  • Lange Wieren 12 und 13
  • Marterburg 26 bis 29b und 45 und die Reste der Bremer Stadtmauer
  • Spiekerbartstraße 1 und 2
  • Stavendamm 15
  • Stavenstraße 7 bis 12, 14 bis 19
  • Wüstestätte 1 bis 11

→ Siehe mehr dazu in der Liste der Kulturdenkmäler in Bremen-Mitte#Schnoor

Siehe auch

Literatur

  • Der Schnoor in Bremen. Ein Porträt. Text von Lutz Liffers, Fotos von Ulrich Perrey. Edition Temmen, Bremen 2004. Viersprachige Ausgabe (englisch, deutsch, französisch, spanisch), im Buchhandel erhältlich.

Einzelnachweise

  1. Akten des Bauordnungsamtes der Freien Hansestadt Bremen

Weblinks


53.0727777777788.80972222222227Koordinaten: 53° 4′ 22″ N, 8° 48′ 35″ O


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