Schwedisch-Vorpommern

Schwedisch-Vorpommern

Schwedisch-Vorpommern ist ein Teil Pommerns, der von 1648 bis 1815 zu Schweden gehörte.

Inhaltsverzeichnis

Vor dem Dreißigjährigen Krieg

Pommern im 17. Jahrhundert (Blaeu-Atlas)

Das Herzogtum Pommern bestand zu Anfang des 17. Jahrhunderts aus den Teilfürstentümern Pommern-Stettin, welches hauptsächlich Hinterpommern östlich der Oder umfasste, und Pommern-Wolgast oder Vorpommern westlich der Oder. Die Schweden griffen erstmals 1628 mit einem Hilfskontingent bei der Verteidigung Stralsunds in den Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) ein. 1630 besetzten sie im Frühjahr zunächst die Insel Rügen, landeten im Juni unter König Gustav II. Adolf von Schweden auf der Insel Usedom und drängten anschließend bis Sommer 1631 die kaiserlichen Besatzungstruppen aus dem Herzogtum hinaus. Im Stettiner Allianzvertrag mit Herzog Bogislaw XIV., der auf den 10. Juli 1630 rückdatiert wurde, sicherte sich Gustav Adolf die Eventualsukzession in Pommern, sollte der Nachfolger, also der Kurfürst von Brandenburg, nach dem zu erwartenden kinderlosen Tod des Herzogs nicht den schwedischen Entschädigungsforderungen nachkommen. Nachdem Bogislaw 1637 gestorben war, übernahmen nach einer etwa einjährigen Periode, in der die herzoglichen Räte als hinterlaßne pommersche Räte weiter im Amt verblieben, die Schweden im Frühjahr 1638 auch die Zivilverwaltung in Pommern und setzten den Oberbefehlshaber Johan Banér als ersten Generalgouverneur ein. Ihm unterstanden je ein Vizegouverneur für Vor- und Hinterpommern. Nach langwierigen Verhandlungen mit Brandenburg, das zum Ausgleich u. a. das Erzstift Magdeburg und das Stift Halberstadt erhielt, kam es im Westfälischen Frieden (1648) zur Teilung: Hinterpommern fiel an das Kurfürstentum Brandenburg, während Schweden ganz Vorpommern und Rügen, das Mündungsgebiet der Oder und einen Streifen östlich der Oder erhielt. Der genaue Grenzverlauf wurde nach langwierigen weiteren Verhandlungen zwischen Brandenburg und Schweden erst im Stettiner Grenzrezess von 1653 festgelegt.

Schwedische Zeit

Schweden erhielt die pommerschen Besitzungen als ewiges Reichslehen, d. h. die schwedischen Könige regierten dort mit Titel und Rechten der vormaligen Herzöge aus dem Greifenhaus. Aufgrund diverser innen- und außenpolitischer Differenzen erhielt Schweden die kaiserliche Investitur aber erst Jahre später und auch die Einigung mit den Landständen über die Landesverfassung gelang erst 1663 mit der Verabschiedung der Regierungsform, die im Wesentlichen eine revidierte Fassung der Regimentsverfassung von 1634 darstellte, und der anschließenden Huldigung der Landstände. In dieser staatsrechtlichen Form gehörte jener Teil Pommerns von 1648 bis 1806 zu Schweden und unterstand einem Statthalter oder Generalgouverneur, der vom schwedischen König ernannt wurde und dem schwedischen Hochadel angehören musste. Das höchste Gericht der schwedischen Gebiete auf dem Kontinent war ab 1653 das Obertribunal mit Sitz in Wismar.

Die Zugehörigkeit zu Schweden hatte allerdings einen Nachteil. Sobald Schweden auf dem Kontinent in Kriege verwickelt wurde, wurde auch Pommern in Mitleidenschaft gezogen. Bereits im Zweiten Nordischen Krieg von 1655 bis 1660 wurde Pommern zum Kriegsschauplatz. Nur wenige Jahre später, im Schwedisch-Brandenburgischen Krieg von 1674 bis 1679 musste Schwedisch-Pommern komplett durch die Schweden aufgegeben werden, ebenso wie beim Pommernfeldzug im Jahr 1715 während des Großen Nordischen Krieges.

Im Frieden von Saint-Germain (1679) konnten sie zurückkehren, mussten aber die meisten Gebiete östlich der Oder Preußen überlassen. Das nördliche Vorpommern bis zur Peene wurde 1715 vom dänischen König Friedrich IV. in Besitz genommen, während Preußen den südlichen Teil und die Oderinseln besetzt hielten. Die Dänen planten ihr altes Interessengebiet langfristig dem dänischen Staat anzugliedern. Im Frieden von Stockholm mussten sie ihren Teil aber wieder an Schweden abtreten, das ganze Land südlich der Peene blieb in preußischem Besitz. [1] Seit 1720 bestand Schwedisch-Pommern also nur noch aus Rügen und dem vorpommerschen Gebiet nördlich der Peene.

Im Zuge der Auflösung des Alten Reichs 1806 änderte sich auch die staatsrechtliche Stellung Schwedisch-Pommerns. Da sich die Landstände weigerten, einer vom schwedischen König Gustav IV. Adolf geforderten Aufstellung einer Landwehr zuzustimmen, hob dieser am 26. Juni 1806 die bisherige landständische Verfassung und die Zugehörigkeit Schwedisch-Pommerns zum Reich auf. Damit scherte dieses Territorium noch vor der Bildung des Rheinbundes und der Niederlegung der Kaiserkrone durch Franz II. aus dem Reichsverband aus. Die auf dem Greifswalder Landtag vom August 1806 geplante Einführung der schwedischen Verfassung und zahlreiche Reformen im Rechtssystem, u. a. die Aufhebung der Leibeigenschaft, und in der Verwaltung kamen wegen der im Juli 1807 erfolgenden französischen Besetzung nicht oder nur mit erheblicher Verzögerung zustande.

Übergang an Preußen

Nach einer zweimaligen Besetzung durch Frankreich und seine Verbündeten 1807 bis 1810 sowie 1812/13 gewann Schweden seine letzte verbliebene Provinz vorübergehend wieder zurück und setzte ab 1810 die 1806 beschlossenen Reformen zumindest teilweise noch um. 1813 eroberte Schweden in einem Feldzug gegen Dänemark das mit diesem bis dahin in Personalunion verbundene Norwegen. Im Frieden von Kiel vom 14. Januar 1814 wurde Dänemark aber im Gegenzug der Erwerb von Schwedisch-Pommern in Aussicht gestellt. Da Dänemark die auferlegten Kriegsentschädigungen an Schweden nicht zahlen konnte, ergriff Preußen auf dem Wiener Kongress die Gunst der Stunde und vereinbarte den Erwerb Schwedisch-Pommerns gegen Abtretung des Herzogtums Lauenburg an Dänemark und Übernahme der dänischen Zahlungen an Schweden. Die Übergabe durch den schwedischen Generalgouverneur an den Bevollmächtigten Preußens erfolgte im Oktober 1815. Aufgrund der vereinbarten Garantie der überkommenen Rechtsordnung hatte das 1818 als Regierungsbezirk Stralsund endgültig in die preußische Provinz Pommern eingeliederte Gebiet weiterhin lange Zeit eine Sonderstellung. Umgangssprachlich bürgerte sich für Schwedisch-Pommern die Bezeichnung „Neuvorpommern“ bzw. „Neuvorpommern und Rügen“ ein. Damit sollte die Unterscheidung zum bereits 1720 preußisch gewordenen „Altvorpommern“ südlich und östlich der Peene bzw. des Oderstroms kenntlich gemacht werden.

Die schwedische Herrschaft über die Besitzung bei Wismar endete 1803, als das Königreich die Stadt für 99 Jahre an das Herzogtum Mecklenburg-Schwerin verpfändete. Endgültig fielen Wismar und die umliegenden Gebiete aber erst 1903 an Deutschland zurück, als Schweden vertraglich auf die Einlösung des Pfandes verzichtete.

Literatur

  • Hellmut Backhaus: Reichsterritorium und schwedische Provinz. Vorpommern unter Karls XI. Vormündern (1660–1672) (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, Bd. 25) ISBN 3-525-35330-8
  • Reinhart Berger: Rechtsgeschichte der schwedischen Herrschaft in Vorpommern, Würzburg 1936.
  • Werner Buchholz: Schwedisch–Pommern als Territorium des Deutschen Reiches 1648–1806, In: Zeitschrift für Neuere Rechtsgeschichte (ZNR) 12, 1990, S. 14–33.
  • Werner Buchholz: Finanzkrise und Modernisierung – Ursachen und Folgen des Staatsstreichs Gustavs IV. Adolf in Vorpommern 1806, In: Zeitschrift für Ostforschung (ZfO) 41, 1992, S. 332–344
  • Adrian Bueckling: Die Schweden in Vorpommern nördlich der Peene. 3. Auflage. nordlicht verlag, Karlshagen/Insel Usedom 2007, ISBN 3-980964-03-5.
  • Hans-Joachim Hacker: Pommern als Schauplatz schwedischer Politik. In: Hefte der Ernst-Moritz-Arndt-Gesellschaft, Bd. 10, Groß Schoritz 2006, S. 22–36, ISBN 3-931661-05-9
  • Fritz Petrick: Das Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation und Schwedens Deutsche Staaten. In: Hefte der Ernst-Moritz-Arndt-Gesellschaft, Bd. 10, Groß Schoritz 2006, S. 37–45, ISBN 3-931661-05-9
  • Joachim Wächter: Die Verfassungsverhältnisse in Schwedisch-Vorpommern. In: Hefte der Ernst-Moritz-Arndt-Gesellschaft, Bd. 10, Groß Schoritz 2006, S. 46–52, ISBN 3-931661-05-9

Einzelnachweise

  1. Jens E. Olesen: Auswirkungen der dänischen Herrschaft auf Verständnis und Praxis der Tribunalstätigkeit. In: Dirk Alvermann, Jürgen Regge (Hrsg): Justitia in Pommern. LIT-Verlag, Berlin-Hamburg-Münster 2004, ISBN 3-8258-8218-7, S. 111–132

Siehe auch

Weblinks


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