Seelnonne

Seelnonne

Als Seelnonnen wurden in Süddeutschland Frauen aus unteren sozialen Schichten bezeichnet, die in der Tradition der Beginen im späten Mittelalter und früher Neuzeit als Gelegenheitsverdienst Aufgaben wie Leichenpflege, Einsargen, Sterbebekanntmachung und allgemeine organisatorische Erledigungen im Zusammenhang mit Todesfällen übernahmen. Regional gab es auch die Bezeichnungen

  • Lichtfrau, Lichtmutter oder -jungfern (Münster) – nach der Besorgung der Sepulkralbeleuchtung oder Beleuchtung zum Totengedenken,[1] und daran eng anschließend
  • Seelschwester, Seelweib – wieder als Hinweis auf die Befassung mit dem religiösen Seelendienst,
  • Einmacherin[2] – nach den praktisch-handwerklichen Aspekten ihrer Dienstleistung, und schließlich
  • Totenfrau, Totenweib(chen) (Baden[3]), Leichenfrau (amtliche Berufsbezeichnung in München 1862)[4] oder Leichenweib – diese letzten, eher prosaischen Bezeichnungen wurden im 19. Jahrhundert zur offiziellen Bezeichnung.

Wie die Beginen bildeten die Seelnonnen Gemeinschaften in sogenannten Seelhäusern. Bis zur Professionalisierung und Profanierung dieses frühen Bestatterberufs im Rahmen der Kommunalisierung des Bestattungswesen im 19. Jahrhundert gehörten auch spirituelle Aufgaben wie die Begleitung des Totengottesdienstes und der Seelendienst zu ihrem Geschäft, teilweise in Anstellung bei der Kirchengemeinde wie in Münster ab 1529 belegt. Die Tätigkeit der Seelnonnen wurde dadurch im Kern auf diejenigen Aufgaben beschränkt, die noch heute zum Berufsbild des Bestatters gehören, d. h. Organisation, Beschaffung des Sarges usw.

Anmerkungen

  1. vgl. Adolf Risse: Die Lichtmutter in Münsterischen Pfarrkirchen. In: Rheinisch-westfälische Zeitschrift für Volkskunde. 22, 1976, ISSN 0342-1996 , S. 91–97; Frederike Schepper-Lambers: Beerdigungen und Friedhöfe im 19. Jahrhundert in Münster. Coppenrath, Münster 1992, ISBN 3-88547-811-0, S. 20ff. (Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland 73), (Zugleich: Münster (Westfalen), Univ., Diss., 1992).
  2. Heres 1997, S. 137.
  3. Paul Sartori: Sitte und Brauch. Erster Teil: Die Hauptstufen des Menschendaseins. Heims, Leipzig 1910, S. 134 (Handbücher zur Volkskunde 5).
  4. dazu eingehend Christine Rädlinger: Der verwaltete Tod. Eine Entwicklungsgeschichte des Münchner Bestattungswesens. Buchendorfer Verlag, München 1996, ISBN 3-927984-59-0.

Literatur

  • Sigrid Metken (Hrsg.): Die letzte Reise. Sterben, Tod und Trauersitten in Oberbayern. Hugendubel, München 1984, ISBN 3-88034-247-4, S. 100, 226ff. (Ausstellungskatalog, München, Stadtmuseum, 4. Juli – 9. September 1984).
  • Fritz Scherer: Eine Nonne für die Seele. Seelnonne, ein vergessener Name für eine immer aktuelle Dienstleistung. In: Amperland. 25, 1989, ISSN 0003-1992, S. 361–364.
  • Hedi Heres: Zuflucht zum Glauben. Flucht in den Aberglauben. Museumsverein, Dachau 1997, ISBN 3-926355-08-5, S. 143 (Kulturgeschichte des Dachauer Landes 8).
  • Dietmar Cremers: Totenweiber und Totengräber in einer mittelhessischen Kleinstadt. Zwei Beispiele zum Umgang mit dem Leichnam im 19. Jahrhundert. In: Norbert Stefenelli (Hrsg.): Körper ohne Leben. Begegnung und Umgang mit Toten. Böhlau, Wien u. a. 1997, S. 181–188.

Weblinks


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