Selective Catalytic Reduction

Selective Catalytic Reduction

Mit SCR (selective catalytic reduction) bezeichnet man die Technik der selektiven katalytischen Reduktion von Stickoxiden in Abgasen von Feuerungsanlagen, Müllverbrennungsanlagen, Gasturbinen, Industrieanlagen und Motoren. Die chemische Reaktion am SCR - Katalysator ist selektiv, das heißt, es werden bevorzugt die Stickoxide (NO, NO2) reduziert, während unerwünschte Nebenreaktionen (wie zum Beispiel die Oxidation von Schwefeldioxid zu Schwefeltrioxid) weitgehend unterdrückt werden.

Zum Ablauf der Reaktion wird Ammoniak (NH3) benötigt, der dem Abgas zugemischt wird. Die Produkte der Reaktion sind Wasser (H2O) und Stickstoff (N2). Chemisch gesehen handelt es sich bei der Reaktion um eine Komproportionierung der Stickoxide mit Ammoniak zu Stickstoff. Es gibt zwei Arten von Katalysatoren. Die eine Art besteht im Wesentlichen aus Titandioxid, Vanadiumpentoxid und Wolframoxid. Die andere Art verwendet Zeolithe.

Katalysatoren aus Titandioxid, Vanadiumpentoxid und Wolframoxid oxidieren in Gegenwart von gasförmigen Halogenen auch das in vielen Kraftwerksabgasen vorhandene elementare Quecksilber, das sich dann besser in den Wäschern der Rauchgasentschwefelungsanlagen bzw. in den Elektrofiltern abscheiden lässt und nur noch zu einem geringeren Anteil (ca. 10 %) an die Umgebung abgegeben wird.

Eine weitere technisch genutzte Nebenreaktion ist es, dass Dioxine und Furane beim Durchströmen des Entstickungskatalysators abgebaut werden.

Inhaltsverzeichnis

SCR in der Kraftwerksfeuerung

Abhängig vom Feuerungskonzept (bei Kohlekraftwerken:Wirbelschicht-Feuerung, Trockenstaubfeuerung, Schmelzkammerfeuerung, etc.), dem Brennstoff und der Feuerungstemperatur entstehen in Kraftwerksanlagen durch die Verbrennung Stickoxide, die zum Schutz der Umwelt aus dem Rauchgas entfernt werden müssen.

Die dazu nötigen Anlagen werden als „DeNOx“-Anlagen bezeichnet und zählen zu den sekundären Minderungsmaßnahmen der Rauchgasentstickung. In Deutschland hat sich die SCR zur Rauchgasentstickung gegenüber den anderen Verfahren (z.B. Aktivkohle-, oder Simultanverfahren etc.) durchgesetzt.

Bei der Anordnung der SCR im Rauchgasstrom der Kraftwerksanlage unterscheidet man drei Schaltungsvarianten:

  • High-Dust
  • Low-Dust
  • Tail End

High-Dust

Bei der so genannten High-Dust-Schaltung ist die Entstickung der Rauchgase zwischen dem Speisewasservorwärmung (Economiser) und dem Luftvorwärmer (LuVo) vorgesehen. Die Anlagen zur Staubfilterung befindet sich in diesem Konzept hinter der Entstickung.

Zu den Vorteilen dieser Schaltung gehört vor allem, dass die zur katalytischen Reaktion benötigten Rauchgastemperaturen von 300–400 °C ohnehin im Abgas vorhanden sind. Das Potential zur Quecksilberentfernung wird bei dieser Schaltungvariante am Besten genützt, da die Anlagen zur Staubfilterung und zur Rauchgasentschwefelung erst nach dem Katalysator angeordnet sind.

Nachteilig ist allerdings die hohe Staubbeladung, die die Standzeit des Katalysators merklich verringert. Weiterhin wurde dem Rauchgas in dieser Schaltung das enthaltene Schwefeldioxid (SO2) noch nicht entzogen (Rauchgasentschwefelung). Dieses wird zu einem kleinen Teil (ca. 0,5–1,5%) zu Schwefeltrioxid oxidiert. Da das zur Entstickung nötige NH3 direkt in das Rauchgas eingespritzt wird, kommt es im kalten Bereich des Luftvorwärmers zu einer unerwünschten Reaktion des SO3 mit nicht verbrauchten Restmengen an NH3 zu Ammoniumbisulfat, das ausfällt und zur Verstopfung des Luftvorwärmers führt.

Low-Dust

Bei der so genannten Low-Dust-Schaltung werden die Rauchgase erst durch die Anlage zur Staubfilterung (Elektrofilter oder Schlauchfilter) geleitet, bevor sie auf den Katalysator treffen. Dadurch werden erosive Bestandteile entfernt und die mechanische Lebensdauer des Katalysators verlängert. Die zum Betrieb der Enstaubungsanlage notwendige Temperaturabsenkung der Rauchgase muss evtl. durch eine entsprechende Wiederaufheizung ausgeglichen werden.

Tail End

In diesem Konzept ist die SCR nach der Rauchgasentschwefelung angeordnet, so dass hier die zusätzlichen Belastungen durch die meisten Katalysatorgifte und Staub entfallen – dadurch verlängert sich die Standzeit des Katalysators. Der Nachteil in dieser Schaltungsvariante ist darin zu sehen, dass das Rauchgas nur noch Temperaturen um 50–100 °C bei nasser RGR und um 140 °C bei trockener RGR mit Sorbens auf Kalbasis (Kalkstein, Calciumhydroxid) aufweist. Um die für die SCR benötigte Temperatur zu erreichen, muss das Gas jedoch vorgewärmt werden (z. B. Kanalbrenner), was den Gesamtwirkungsgrad des Systems verschlechtert. Bei Systemen mit trockener RGR mit NaHCO3 liegt die Temperatur im Bereich von 180–190 °C, was die Nacherwärmung überflüssig macht.

SCR in der Fahrzeugtechnik

In der Fahrzeugtechnik wird das SCR-Verfahren angewendet, um bei Dieselfahrzeugen die Stickoxidemissionen zu senken. Mit Hilfe dieser Technik können Nutzfahrzeuge die EU5-Norm und PKW die sehr strengen amerikanischen Abgasnormen erfüllen.

Der für die SCR-Reaktion benötigte Ammoniak wird nicht direkt, d. h. in reiner Form, verwendet, sondern in Form einer 32,5 %igen, wässrigen Harnstofflösung, von der Industrie einheitlich mit AdBlue® bezeichnet. Die Zusammensetzung ist in der DIN 70070 geregelt. Diese wässrige Lösung wird vor dem SCR-Katalysator in den Abgasstrang, z. B. mittels Dosierpumpe oder Injektor, eingespritzt. Aus der Harnstoff-Wasser-Lösung entstehen durch eine Hydrolysereaktion Ammoniak und CO2. Der so erzeugte Ammoniak kann in einem speziellen SCR-Katalysator bei entsprechender Temperatur mit den Stickoxiden im Abgas reagieren. Die Menge des eingespritzten Harnstoffs ist von der motorischen Stickoxidemission und damit von der momentanen Drehzahl und dem Drehmoment des Motors abhängig. Der Verbrauch an Harnstoff-Wasser-Lösung beträgt abhängig von der Rohemission des Motors etwa 2 bis 8 % des eingesetzten Dieselkraftstoffs. Es muss deshalb ein entsprechendes Tankvolumen mitgeführt werden.

Hydrolyse der Harnstoff-Lösung:

Pyrolyse: (NH2)2CO → NH3 + HNCO (Isocyansäure)

Hydrolyse: HNCO + H2O → NH3 + CO2

Reduktion der Stickoxide:

4 NH3 + 4 NO + O2 → 4 N2 + 6 H2O ("Standard SCR")

2 NH3 + NO + NO2 → 2 N2 + 3 H2O ("Fast SCR")

4 NH3 + 3 NO2 → 3.5 N2 + 6 H2O ("NO2 SCR")

AdBlue® ist eingetragenes Warenzeichen des Verbandes der Automobilindustrie e. V. (VDA).

Die Stickoxidminderung erfolgt ohne Änderung der motorischen Verbrennung und erhält damit den sehr guten Wirkungsgrad von Dieselmotoren.

Im Oktober 2006 hat DaimlerChrysler in den USA einen PKW, den E 320 Bluetec® zunächst mit einem Speicherkatalysator zur nachmotorischen Entstickung eingeführt. In Zukunft wird bei SUVs ein SCR-System mit AdBlue-Einspritzung zur Anwendung kommen, das einen höheren Wirkungsgrad bei der Stickoxidminderung aufweist. Seit 2009 benutzt der Audi Q7 3.0 TDI clean diesel als erstes SUV dieses System.

Vorteile

Durch eine selektive katalytische Reduktion werden Stickoxide aus dem Abgas mit einem hohen Wirkungsgrad entfernt. Im Gegensatz zum Dieselpartikelfilter (DPF) stellt sich kein Kraftstoffmehrverbrauch ein. Dieser Vorteil gilt auch gegenüber der alternativen Technologie zur Reduktion von Stickoxiden mittels eines NOx-Speicherkatalysators, der wie der DPF eine zeitweise Abwendung von optimalen Verbrennungsverhältnissen erfordert.

Nachteile

Der wesentliche Nachteil bei der Verwendung der SCR-Technologie in z. B. Lastfahrzeugen ergibt sich aus dem benötigten Betriebsstoff AdBlue. Dieser muss in einem weiteren Tank mitgeführt und bedarfsgerecht in den Abgasstrom eingesprüht werden. Dadurch ergibt sich neben dem SCR-Katalysator und der Einsprühanlage die Notwendigkeit eines zweiten, kleineren Tanks neben dem Dieseltank.

Es gibt eine Reihe von Versuchen, das Speicherproblem durch die Verwendung von Stoffen mit höherer Speicherdichte zu verringern oder durch die direkte Erzeugung von Ammoniak aus Kraftstoff im Fahrzeug zu umgehen. Da diesen jedoch bisher der Erfolg versagt blieb, hat sich die SCR-Technologie mit AdBlue-Tank, SCR-Katalysator und Einspritzregelung bei nahezu allen großen LKW-Herstellern zur Erreichung der Euro-5-Abgasnorm durchgesetzt.

Das zunächst befürchtete Problem der flächendeckenden Versorgung mit wässriger Harnstofflösung AdBlue für den Schwerlastverkehr wurde seit Anfang 2005 durch eine Reihe von Anbietern gelöst. Heute, da die ersten Euro-5-LKWs bereits betrieben werden, gibt es AdBlue-Depots bei Speditionen und vielen öffentlichen Tankstellen, die meist auf den Fernstreckrouten liegen.

Ein anderer Nachteil besteht darin, dass AdBlue in Abhängigkeit von der Stickoxidemission des Motors dosiert werden muss. Da SCR-Katalysatoren bis zu einer gewissen Grenze NH3 speichern können, muss die Dosierung im Mittel der NOx-Emission entsprechen. Ist die Dosierung zu gering, so sinkt der Wirkungsgrad der Stickoxidminderung, wird zu viel Harnstoff zudosiert, so kann das daraus gebildete Ammoniak nicht mit NOx reagieren und in die Umgebung gelangen. Da Ammoniak bereits in sehr kleinen Konzentrationen wahrgenommen werden kann, würde dies bei einer Überdosierung zu einer Geruchsbelästigung in der Nähe des Fahrzeugs führen. Abhilfe schafft man, indem hinter dem SCR-Katalysator ein Oxidationskatalysator eingebaut wird. Dieser wandelt im Falle einer Ammoniak-Emission das NH3 wieder in NOx um. Eine weitere Möglichkeit, den sogenannten Ammoniak-Schlupf zu verhindern, ist eine größere Auslegung des Katalysators, um damit eine gewisse Speicherfunktion zu erhalten. Ein NOx-Sensor hinter dem SCR-Katalysator ist zur Lösung dieses Problems entwickelt worden. Er ist seit 2006 in SCR-Fahrzeugen im Einsatz.

Literatur

  • Helmut Effenberger: Dampferzeugung. Springer-Verlag 2000, ISBN 3-540-64175-0
  • K. Strauß: Kraftwerkstechnik, 4. Auflage, Springer-Verlag, ISBN 3-540-64750-3
  • Kugeler, Phlippen: Energietechnik, 2. Auflage, Springer-Verlag, ISBN 3-540-55871-3

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