- Sennesblätter
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Senna alexandrina Systematik Unterklasse: Rosenähnliche (Rosidae) Ordnung: Schmetterlingsblütenartige (Fabales) Familie: Hülsenfrüchtler (Fabaceae) Unterfamilie: Johannisbrotgewächse (Caesalpinioideae) Gattung: Senna Art: Senna alexandrina Wissenschaftlicher Name Senna alexandrina Mill. Senna alexandrina ist eine Pflanzenart aus der Gattung Senna in der Unterfamilie der Johannisbrotgewächse. Es ist ein in Afrika und Arabien beheimateter Strauch. Sennes- oder Sennablätter (Sennae folium) waren als mildes Abführmittel im 19. Jahrhundert allgemein bekannt. Die darin enthaltenen Wirkstoffe werden Sennoside genannt. Ein Auszug aus den Blättern, Sennatin/Sennatinum, kam auch unter die Haut, ins Bindegewebe gespritzt zur Anwendung. Die Sennesfrüchte haben eine ähnliche, allerdings mildere Wirkung.
Inhaltsverzeichnis
Historie
Die ersten medizinischen Belege über Senna aus dem 8. Jahrhundert stammen aus dem arabischen Kulturkreis. Der Prophet Mohammed wird mit den Worten zitiert: „Haltet euch an Sennesblätter und Kümmel, denn beide heilen jede Krankheit, ausgenommen den Tod.“
Bis ins Mittelalter fand Senna weniger gegen Verstopfung als vielmehr bei Infektionskrankheiten wie Lepra, Magenerkrankungen und Augenleiden Verwendung.
Erst zu Beginn der Neuzeit, im 16. Jahrhundert, gewann die Pflanze ihre Bedeutung als Laxans (Abführmittel): Paracelsus empfahl Sennesblätter in Kombination mit Lauch und Wermut erstmals als Abführmittel.
Nach Jahrhunderten des traditionellen Einsatzes von anthrachinonhaltigen Pflanzen in der Volksmedizin erbrachten die pharmakologischen und klinischen Studien der letzten hundert Jahre auch den wissenschaftlichen Wirksamkeitsnachweis. Untersuchungen am Menschen wurden praktisch ausschließlich mit Senna durchgeführt.
Botanik
Die Art Senna alexandrina war früher in zwei Arten Cassia senna (= Cassia acutifolia) und Cassia angustifolia getrennt, die aufgrund neuerer Erkenntnisse vereinigt wurden.
Tinnevelly-Senna (früher Cassia angustifolia Vahl) hat fünf- bis achtjochige Blätter und ist in Somalia und Arabien zu Hause. Kulturen befinden sich in Südindien (Distrikt Tinnevelly), diese Sennesblätter sind mit einem kurzen Stachelspitzchen besetzt.
Alexandriner- oder Karthum-Senna (früher Cassia senna L.) ist im Sudan und weiter bis Westafrika verbreitet. Die Blätter sind vier- bis fünfjochig und nur halb so lang wie bei Tinnevelly-Senna. Alexandriner-Senna wird im Gebiet des oberen Nils angebaut.
Beide Formen sind Sträucher von 0,5 bis 1,5 m Höhe mit gelben, achselständigen und in Trauben angeordneten Blüten. Daraus entwickeln sich 2 bis 4 cm lange und 1 cm breite, flache braune Hülsenfrüchte.
Wirkstoffe – Sennoside
Sennesblätter enthalten ca. 3 % Hydroxyanthrachinonderivate, die sogenannten Sennoside. Sie gehören zu den wenigen Pflanzeninhaltsstoffen, die natürliche Prodrugs darstellen. Die beta-glykosidische Bindung stabilisiert die oxidationsempfindlichen Strukturen und kann durch die menschlichen Verdauungsenzyme nicht gespalten werden: Nach oraler Applikation gelangen die Anthrachinonglykoside unverändert und ohne systemisch resorbiert zu werden in den eigentlichen Wirkort, den Dick- bzw. Enddarm. Erst dort werden mittels bakterieller Beta-Glykosidasen durch Abspaltung des Zuckers die Aglykone und anschließend die eigentlich laxierend wirkenden Monoanthrachinone gebildet.
Der resorbierbare Anteil ist nur gering und erklärt die gute Verträglichkeit und das weitgehende Fehlen systemischer Nebenwirkungen galenisch einwandfreier Senneszubereitungen.
Heilwirkung und Anwendung
Sennesblätter gehören zu den zuverlässigsten stimulierenden Abführmitteln, die wir kennen. Sennesfrüchte werden ebenfalls als Laxantien gebraucht, sind jedoch milder in der Wirkung.
Die Anthrachinonglykoside wirken direkt motilitätsbeeinflussend, antiresorptiv und sekretagog: Die pharmakologisch aktiven Metaboliten hemmen die stationären und stimulieren die propulsiven Kontraktionen der glatten Dickdarmmuskulatur, so dass es zu einem beschleunigten Transit kommt. Die verkürzte Kontaktzeit verringert außerdem die Wasserrückresorption bzw. steigert die Elektrolyt- und Wassersekretion – die Flüssigkeitsakkumulation stimuliert zusätzlich die Peristaltik im Darmlumen.
Die Wirkung der Sennoside ist lokal auf den Dick- bzw. Enddarm beschränkt (Sennoside sind natürliche Prodrugs, s. a. Absatz „Wirkstoffe“). Sie setzt etwa acht bis zwölf Stunden nach Einnahme ein. Dies führt bei abendlicher peroraler Einnahme zum erwünschten Effekt in den Morgenstunden.
Fertigtees aus Sennesblättern werden in Deutschland zumeist auf Grundlage der Standardzulassung in den Verkehr gebracht. Dazu wird etwa ½ Teelöffel (= ca. 0,75 g) Tee mit siedendem Wasser übergossen, ca 10-15 Minuten ziehen gelassen und am besten Abends eingenommen. Als verträglicher gilt der Ansatz mit kaltem oder lauwarmen Wasser (mind. 20 Minuten bzw. max. 10 Stunden ziehen lassen und ebenfalls abends vor dem Schlafengehen trinken), was vermutlich in einer verminderten Wirkstoffextraktion begründet ist.
An Kinder unter zwölf Jahren sollte Senna, wie alle Abführmittel, ohne ärztliche Begleitung jedoch nicht verabreicht werden. Nicht anzuwenden sind Sennesblätter in der Schwangerschaft, bei Darmverschluss und in der Stillzeit.
Zu hoch dosierte, zu häufige und missbräuchliche Einnahme – das heißt Einnahme nicht im therapeutischen Sinne, um eine Verstopfung zu behandeln, sondern zur Gewichtsreduzierung o. ä. (häufig bei Bulimie- oder Anorexie-Patienten; übrigens kann man mit Abführmitteln keinesfalls abnehmen, man verliert lediglich (ungesunderweise) Flüssigkeit!) – stimulierender Abführmittel (egal ob synthetisch oder pflanzlich) kann chronische Durchfälle (Diarrhö) verursachen und dadurch zu Störungen im Elektrolythaushalt (insbesondere zu Verlusten von Kalium) führen. Kaliumverluste können zu einer Störung der Herzfunktion und Muskelschwäche führen.
Die korrekte Anwendung stimulierender Abführmittel erkennt man sehr leicht: Es darf keinesfalls zu Durchfall kommen (eine Diarrhö ist ein sicheres Zeichen für zu hohe Dosierung oder zu häufige Anwendung). Laut Experten reicht in der Regel eine Anwendung alle 2 bis 3 Tage aus.
Früher postulierte Gewöhnungs-/Abhängigkeitseffekte durch Langzeitanwendung konnten in neueren Studien nicht belegt werden. Aktuelle Daten zeigen, dass Senna bei bestimmungsgemäßer Anwendung auch langfristig gut verträglich und wirksam ist. Eine Langzeitanwendung sollte immer in Abstimmung mit einem Arzt (Gastroenterologe) erfolgen. Die chronische Therapie ist keinesfalls mit Missbrauch gleichzusetzen (s. o.).
In Einzelfällen können krampfartige Magen-Darm-Beschwerden auftreten. In diesen Fällen ist eine Dosisreduktion erforderlich.
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Weblinks
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