Sinowatz

Sinowatz

Fred Sinowatz (* 5. Februar 1929 in Neufeld an der Leitha; † 11. August 2008 in Wien) war ein österreichischer SPÖ-Politiker und Historiker. Als Bundesminister für Unterricht und Kunst unter den Regierungen Bruno Kreiskys in den Jahren 1971–1983 zeichnete er für sozial orientierte Reformen im Bildungssystem verantwortlich. Er ließ zahlreiche neue höhere Schulen in Bezirkshauptstädten bauen, erleichterte den AHS-Zugang, führte unter anderem die Schülerfreifahrt, Gratis-Schulbücher sowie Schul- und Heimbeihilfen ein. Anschließend war er von 1983 bis 1986 österreichischer Bundeskanzler.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Sinowatz entstammte einer Burgenland-kroatischen Familie. Sein Vater war Maschinenschlosser, die Mutter Fabrikarbeiterin. Da es im Burgenland damals keine öffentlichen weiterführenden Schulen gab, besuchte er nach der Volksschule das Gymnasium in Wiener Neustadt, nach einem Schulwechsel maturierte er schließlich in Baden. Danach studierte er an der Universität Wien Geschichte, Germanistik und Zeitungswissenschaften. 1953 promovierte er mit der Dissertation „Protestantismus und katholische Gegenreformation in der Grafschaft Forchtenstein und Herrschaft Eisenstadt. Ein Beitrag zur burgenländischen Landes-, Orts- und Kirchengeschichte“ zum Dr. phil. (Geschichtswissenschaften). Danach trat Sinowatz in den Beamtendienst der Landesregierung des Bundeslandes Burgenland ein. 1956 wurde er Mitarbeiter in der Bibliothek des Burgenländischen Landesarchivs in Eisenstadt.

Sinowatz war verwitwet und hatte zwei Kinder. Mit seinem Geburts- und Heimatort Neufeld war Sinowatz zeitlebens auf das Engste verbunden geblieben. Er wuchs dort auf und baute auf einem Grundstück, das ihm seine Eltern schenkten, ein Haus.[1]

Vor seinem Tod war Sinowatz zwei Wochen lang in Spitalsbehandlung in Wien.[2] In deren Rahmen wurde im AKH eine - letztlich erfolglose - Herzoperation durchgeführt. Sinowatz verstarb im SMZ Ost. [3]

Politische Karriere

Sinowatz war von 1957 bis 1969 Mitglied des Gemeinderates von Neufeld an der Leitha. 1961 wurde Sinowatz Landesparteisekretär der SPÖ Burgenland und bekleidete diese Funktion bis 1978. Ebenfalls 1961 wurde er Abgeordneter zum Burgenländischen Landtag und war von 1964 bis 1966 Landtagspräsident. Von 1966 bis 1971 war er als Landesrat für Kultur Mitglied der Landesregierung. Anschließend wechselte er in den Nationalrat, wo er bis zu seiner Ernennung zum Bundeskanzler 1983 Abgeordneter war.

1978 wurde Sinowatz stellvertretender Vorsitzender der SPÖ Burgenland. Von 1981–1988 war er Mitglied des Bundesparteipräsidiums der SPÖ, von 1983 bis 1988 deren Bundesparteivorsitzender.

Fred Sinowatz war von 1971 bis 1983 Bundesminister für Unterricht und Kunst. Seine Amtszeit unter der Regierung Kreisky war von zahlreichen schulpolitischen Reformen geprägt. Mit der Einführung von Gratisschulbüchern und Schülerfreifahrten, der Errichtung höherer Schulen in den Bezirkshauptstädten und der Gewährung von Schul- und Heimbeihilfen wurde Bildung weniger von den finanziellen Möglichkeiten der Eltern abhängig. Außerdem wurde die Aufnahmsprüfung für die AHS abgeschafft, neue Schultypen wie das Oberstufenrealgymnasium (das auch Hauptschülern den Zugang zur Matura ermöglicht) und die flächendeckende Koedukation. Diese Reformen halfen auch, das Bildungsgefälle zwischen Stadt und Land abzubauen.

1981 wurde Sinowatz nach dem Rücktritt von Bruno Kreiskys „Kronprinz“ Hannes Androsch Vizekanzler.

Sinowatz als Bundeskanzler

Nach dem Verlust der absoluten SPÖ-Mehrheit bei der Nationalratswahl 1983 und Kreiskys Rücktritt wurde Fred Sinowatz widerstrebend Bundeskanzler (Mai 1983). Mit der FPÖ bildete er eine noch von Kreisky ausverhandelte kleine Koalition, die sogenannte Rot-Blaue Koalition. Große Bedeutung gewann in der folgenden Zeit der als Koordinator der Koalition und mächtiger Kanzlerberater tätige Kabinettschef von Sinowatz Hans Pusch.

In der schweren innenpolitischen Krise um die Besetzung der Hainburger Au sorgte Sinowatz – auch auf öffentlichen Druck – am 22. Dezember 1984 mit der Verhängung eines „Weihnachtsfriedens“ für eine Entspannung.

Trotz dieses Erfolges stand seine Regierungszeit unter keinem guten Stern. Er hatte mit dem Glykolwein-Skandal, dem Skandal um den Neubau des Wiener AKH und hauptsächlich mit der Krise der tief verschuldeten verstaatlichten Industrie (v.a. der VÖEST) zu kämpfen.

Im Zuge der medialen Aufbereitung der Skandale und Schwierigkeiten wurde immer wieder ein Zitat Sinowatz' aus seiner Regierungserklärung 1983 publiziert: einer Darstellung der Herausforderungen der nächsten Jahre folgte die Feststellung: „Ich weiß, das klingt alles sehr kompliziert …“ – dieser Ausspruch wird zumeist in der Form „Es ist alles sehr kompliziert …“ wiedergegeben.

1985 geriet er überdies unter Druck, als Verteidigungsminister Friedhelm Frischenschlager (FPÖ) den aus italienischer Haft freigelassenen Kriegsverbrecher Walter Reder bei dessen Ankunft offiziell empfing.

Die Waldheim-Affäre

Vor dem Wahlkampf um die Bundespräsidentschaft 1986 deutete er in einer Sitzung des Vorstandes der Burgenländischen SPÖ gemäß der späteren Darstellung von Ottilie Matysek an, man werde die Österreicher rechtzeitig auf die „braune Vergangenheit“ des ÖVP-Kandidaten Kurt Waldheim aufmerksam machen. Diese Bemerkung gelangte durch eine Indiskretion an das österreichische Nachrichtenmagazin „profil“, das deshalb zu recherchieren begann und damit die Waldheim-Debatte eröffnete.

Während des gesamten Wahlkampfes stellte sich Sinowatz klar gegen Waldheim. Auf dessen Versicherung, er sei nicht Mitglied des SA-Reiterkorps gewesen und dort nur ab und zu „mitgeritten“, konterte Sinowatz mit der Bemerkung:

„Ich nehme zur Kenntnis, dass er nicht bei der SA war, sondern nur sein Pferd bei der SA gewesen ist.“

Fred Sinowatz trat einen Tag nach Kurt Waldheims Sieg bei der Bundespräsidentenwahl zurück (Juni 1986) und empfahl den bisherigen Finanzminister Franz Vranitzky als Nachfolger. Dieser folgte ihm 1988 auch als Parteivorsitzender der SPÖ; damals demissionierte Sinowatz auch als Abgeordneter zum Nationalrat.

Wegen der Aussage über Waldheims Vergangenheit strengte er gegen die mittlerweile zur SPÖ-Dissidentin gewordene Ottilie Matysek einen Prozess wegen Ehrverletzung an. Obwohl die gesamte SPÖ-Spitze des Burgenlandes (darunter Landeshauptmann Johann Sipötz) geschlossen zu seinen Gunsten aussagte und Matyseks Darstellung bestritt, vertraute das Gericht auf die (allerdings auch durch chemische und andere technische Untersuchungen seitens des deutschen Bundeskriminalamtes gestützte) Authentizität von handschriftlichen Aufzeichnungen und wies die Klage ab. Dies führte in der Folge auch zum Rücktritt von Sipötz und zu einer rechtskräftigen Verurteilung Sinowatz' wegen falscher Zeugenaussage zu einer Geldstrafe in Höhe von 360.000 Schilling.[4]

Rückzug ins Privatleben

Nach seiner Zeit als Bundeskanzler zog sich Sinowatz aus dem öffentlichen Leben zurück, allerdings rückten ihn Gerichtsverfahren noch zwei Mal ins mediale Interesse. Er wurde 1991 wegen falscher Zeugenaussage in der Waldheim-Affäre rechtskräftig verurteilt [5], eine Anklage im Noricum-Politikerprozess endete mit Freispruch.

Im Rahmen der Trauerfeiern für Sinowatz wurde sein Sarg zunächst im Parlament aufgebahrt, am Tag des Begräbnisses schließlich in der Pfarrkirche von Neufeld an der Leitha. Sinowatz wurde auf dem Neufelder Friedhof beerdigt.

Auszeichnungen und Ehrungen

Literatur

  • Peter Pelinka: Österreichs Kanzler: von Leopold Figl bis Wolfgang Schüssel. Ueberreuter, Wien 2000, ISBN 3-8000-3758-0

Einzelnachweise

  1. Wiener Zeitung: Fred Sinowatz: Bedingungsloses Bekenntnis zur Sozialdemokratie. 25. September 2004.
  2. "Der Standard" vom 11.8.2008 (im Internet: "Altbundeskanzler verstorben", aufgerufen am 20.8.2008)
  3. Nachruf bei Wien-konkret, aufgerufen am 20.8.2008
  4. Die Zeit: Waldheim und kein Ende, Peter Pelinka, 26. April 1991
  5. ORF Burgenland: Fred Sinowatz und die Waldheim-Affäre, aufgerufen am 24. Mai 2008
  6. ORF Burgenland: Dr. Fred Sinowatz-Straße in Mattersburg

Weblinks



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