- Skelettalter
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Das Knochenalter (oder die sog. Skelettreife) ist ein Maß für die Entwicklung des Heranwachsenden. Normalerweise deckt sich das Knochenalter mit dem chronologischen Alter, im Falle von Entwicklungsstörungen (z. B. Pubertas praecox, Pubertas tarda, Hochwuchs, Kleinwuchs, etc...) kann das Knochenalter vom chronologischen Alter abweichen, also entweder beschleunigt oder verzögert sein.
Inhaltsverzeichnis
Prinzip
Es gibt mehrere Methoden zur Reifebestimmung am heranwachsenden Skelett. Neben der Erhebung des Zahnstatus’ ist die Bestimmung des Knochenalters anhand des Röntgenbildes der linken Hand die verbreitetste Methode. Die Entwicklung des Handskeletts erfolgt (eine normale Entwicklung vorausgesetzt) in der Regel einem bestimmten Muster, wobei sich Reifung beim Mädchen etwas schneller vollzieht als beim Jungen.
Bei Neugeborenen sind auf der Hand-Röntgenaufnahme in der Handwurzel beim Mädchen noch keine, beim Jungen lediglich Os capitatum und Os hamatum verknöchert (und somit sichtbar), die übrigen Handwurzelknochen sind noch nicht ossifiziert und nur knorpelig angelegt und daher auf der Röntgenaufnahme nicht zu erkennen. Im Bereich der Phalangen sind noch keine Epiphysenkerne sichtbar. Mit fortschreitendem Alter und Reifung verknöchern die oben genannten Strukturen zunehmend, in der Handwurzel in der Regel in folgender Reihenfolge: Os capitatum und Os hamatum - Os triquetrum - Os lunatum - Os trapezium - Os scaphoideum und Os trapezoideum. Im Alter von 14 (Mädchen) beziehungsweise 16 (Jungen) Jahren sind dann bis auf die Epiphysenfugen des distalen Radius und der Ulna alle Wachstumsfugen der Hand geschlossen, das Wachstum also größtenteils abgeschlossen.
Methoden
Die zwei gängigsten Methoden der Skelettalterbestimmung sind die Methoden nach Greulich und Pyle und die Methode nach Tanner und Whitehouse. Bei der Atlasmethode nach Greulich und Pyle wird das Röntgenbild der linken Hand mit Referenzbildern aus einem Atlas verglichen, das Skelettalter ergibt sich dann aus dem Bild, welches der aktuellen Aufnahme am nächsten kommt.
Aus vergleichenden Untersuchungen ist bekannt, dass die Skelettalterbestimmungen nach den beiden Methoden etwas differieren. Die Werte der Tanner & Whitehouse gelten als präziser für deutsche Kinder, hier wird mit Hilfe vieler Referenzbilder einzelner Abschnitte der linken Hand ein Reifescore erstellt, aus welchem sich dann anhand einer Tabelle das Knochenalter bestimmen lässt. Die Skelettalterbestimmung nach Tanner & Whitehouse ist somit aufwändiger.
Indikationen
Aus medizinischer Sicht ist die Korrelation des Knochenalter mit dem chronologischen Alter angezeigt bei Störungen der Entwicklung (beschleunigt oder verzögert) und des Wachstums sowie bei bestimmten anderen endokrinologischen Krankheitsbildern.
Neben der medizinischen existiert auch noch die forensische Indikation. Werden jugendliche Straftäter gefasst, die sich nicht ausweisen können (oder wollen), muss entschieden werden, ob diese festgesetzt werden können oder nicht. Kann das Alter nicht anderweitig ermittelt werden, kann ein Gutachten zum Skelettalter herangezogen werden. Aufgrund der Standardabweichungen (nach oben und unten in der Regel mindestens ein Jahr) geht man in diesen Gutachten vom mindestens vorliegenden Skelettalter aus (Prinzip in dubio pro reo), so dass dies dem Beschuldigten meist zum Vorteil gereicht.
Kritische Wertung der forensischen Skelettalterbestimmung
Ein Rückschluss vom Skelettalter auf das chronologische Alter ist nur sehr begrenzt möglich aus folgenden Gründen:
- Das bestimmte Skelettalter ist ein statistischer Mittelwert (50. Perzentil). Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine große physiologische Schwankungsbreite vorliegt. (Innerhalb der einfachen Standardabweichung liegen - eine Normalverteilung vorausgesetzt - 68 % aller Patienten, innerhalb der doppelten Standardabweichung 95 %, das heißt unterhalb des Mittelwertes +/- doppelter Standardabweichung 97,5 %.)
- Die Werte von Greulich & Pyle wurden in den 30er Jahren an Kinder der Ober- und Unterklasse in Cleveland (USA) ermittelt. Die Werte nach Tanner & Whitehouse in den 50er Jahren in England, an Kindern der Mittel- und Unterklasse.
- Es ist nun die Frage zu stellen: Gelten die Standards auch für den untersuchten Patienten? Hier spielen z. B. die ethnische Zugehörigkeit und der sozioökonomische Status eine Rolle. Es gibt vergleichende Untersuchungen aus Japan, Europa und aus den USA (an Weißen und an Farbigen), die zeigen, dass in Abhängigkeit von der ethnischen Zugehörigkeit das Skelettalter um gut 1 Jahr schwanken kann. Während der ethnischen Zugehörigkeit heute jedoch eine untergeordnete Rolle beigemessen wird, ist bekannt, dass ein geringer sozioökonomischer Status zu einer Entwicklungsverzögerung und damit zu einer Unterschätzung des Lebensalters führt. Hieraus resultiert jedoch in keinem Fall ein Nachteil für den Betroffenen.
- Die Werte gelten nur für gesunde Kinder. Ob es sich um ein gesundes Kind handelt oder ob irgendwelche Faktoren vorliegen, die zur Beschleunigung oder Verlangsamung der Skelettreifung geführt haben könnten, ist bei der Untersuchung aus forensischen Gründen in der Regel jedoch nicht bekannt und dies lässt sich dem Röntgenbild auch nicht entnehmen. Bei bestimmten Erkrankungen wäre der Rückschluss vom Skelettalter auf das Lebensalter völlig unmöglich. Schon bei länger andauernden Krankheiten oder Unterernährung kann die Skelettentwicklung deutlich zurück bleiben.
- In der Kieferorthopädie verwendet man die Röntgenaufnahme der Hand als aussagekräftiges diagnostisches Hilfsmittel zur Ermittlung der Gesamtkörpergröße, den Abschluss des Längenwachstums und zur Feststellung von Abweichungen zwischen skelettalem und chronologischem Alter. Wichtiger jedoch ist die Festlegung des Zeitraums des zu erwartenden größten Wachstumsschubs, um so unnötige und belastende Therapiemaßnahmen auf den unbedingt erforderlichen Zeitraum zu beschränken.
Literatur
- W. W. Greulich, S. I. Pyle: Radiographic Atlas of Skelettal Development of the Hand and Wrist. Second Edition 1959, Stanford University Press, ISBN 978-0-8047-0398-7
- J. M. Tanner, R. H. Whitehouse: Growth and Development Reference Charts (Tanner-Whitehouse Standards), Castlemead Publications, 1984, ISBN 978-0-948555-00-8
- Grave, K. C, Brown, T.: Skeletal Ossification and the Adolescent Growth Spurt. In: Am. J. Orthodont.. Nr. 69, 1976.
- Ruhland, Andreas: Kieferorthopädische Diagnostik. 2. völlig überarb. u. erg. Auflage. Hanser, München, Wien 1982, ISBN 3-446-13534-0, S. 52 ff..
- http://www.kfo-online.de/profile06d.html
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