- Skuldelev
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Der Schiffsfriedhof von Skuldelev, der sich in einem Fjord der dänischen Insel Seeland befindet, ist eine archäologische Fundstelle nahe der Stadt Roskilde, in der eine Reihe von Wikingerschiffen aus dem 11. Jahrhundert ausgegraben werden konnten.
Inhaltsverzeichnis
Ausgrabung und Museum
Die Fischer vom Roskildefjord hatten schon länger vermutet, dass unter einem Steinhaufen, der die engste Stelle des Fjordes bei Skuldelev sperrte, ein uraltes Schiffswrack verborgen liegt. Der Fjord ist hier etwa zwei Kilometer breit, hat aber nur eine sehr geringe Wassertiefe. Daher ist die Schifffahrt auf Rinnen angewiesen. Die wohl um die Jahrtausendwende wichtigste Rinne ist absichtlich versperrt worden. 1957 erfolgten erste Untersuchungen durch Taucher.
1962 wurden um die Fundstelle eine Spundwand errichtet und die Fundstelle langsam trockengelegt. Den Meeresboden im Fjord bedeckte dicker Schlamm, der die Schiffe jahrhundertelang vor dem Verfall gerettet hatte. Nach Abtransport der Steine stellte sich heraus, dass nicht nur ein Wikingerschiff, sondern fünf auf dem Grund des Fjordes ruhten. Zwar hatte man bei Sondierungen angenommen, es würde sich um sechs Schiffe handeln, aber es stellte sich dann heraus, dass Nummer II und IV nur Teile eines Wracks waren.
Man hatte die Schiffe, offenbar in der Absicht, den Hafen von Roskilde vor Angriffen vom Meer aus zu schützen, von den Masten und Decksplanken befreit, mit Steinen beladen und als Barriere versenkt. Die C14-Untersuchung ergab, dass die Schiffe um das Jahr 1000 ± 100 Jahre gebaut worden sein müssen. Nach Olsen und Crumlin-Pedersen – Leiter der Ausgrabung – sind die Schiffe wahrscheinlich zwischen 950 und 1050 und nach Reinhard Barth etwa zwischen 1030 und 1050 gebaut worden; zum Zeitpunkt der Versenkung hatten sie wohl schon ausgedient. Allerdings wurden die fünf Schiffe nicht alle zur gleichen Zeit versenkt, sondern in einem ersten Schritt nur die Schiffe I, III und V. Die Schiffe II und VI wurden später (ein oder zwei Jahre danach) versenkt.
Was den Fund für die Forschung so interessant macht, ist seine Vielfalt. Der Schiffsfriedhof von Skuldelev bewahrte sozusagen eine Musterkollektion wikingischen Schiffbaus für die Nachwelt; angefangen bei einem Fischerboot über Handelsschiffe hin zu Kriegsschiffen. Die in der Vikingerschiffshallen, dem Museum von Roskilde, sorgsam restaurierten Schiffe liefern heute die Maßstäbe für eine Typologie der Wikingerschiffe (1996 wurden bei Erweiterungsbauten des Museums 9 weitere Schiffe entdeckt, eines davon 36 m lang.)
Geborgen wurden etwa 1500 große Wrackteile und unzählige kleine Brocken. Die Gesamtzahl dürfte bei etwa 50.000 gelegen haben. Um diese zu erhalten, wurden sie zunächst feucht gehalten, danach mit einer Formalinlösung besprüht, in Plastikfolien verpackt und anschließend je nach Größe zwischen sechs Monaten und zwei Jahren in Polyethylen-Glykol-Konservierungsbädern gelagert. Die Bruchstücke werden sorgsam vermessen und mithilfe eines 3D-Computerprogramm gescannt. Aus den anfallenden Daten werden dann Modelle errechnet, die in verkleinertem Maßstab zunächst zur Probe gebaut werden, um danach erneut gescannt und verbessert zu werden. Nach diesen Modellen werden dann verschiedene Nachbauten angefertigt, die ihre Seetüchtigkeit unter Beweis stellen konnten.
Skuldelev I
Mit Skuldelev I ist erstmals ein wikingerzeitliches Hochseehandelsschiff gehoben worden. Insgesamt konnte es eine Nutzlast von 20 bis 24 Tonnen befördern. Dieser Schiffstyp ermöglichte die Überfahrt nach den Färöern, Island, Grönland und Neufundland, da er die nötige Ladekapazität für Güter und Tiere besaß.
Der schwere, solide und hochbordige Charakter des Schiff erlaubte es, bei einem Sturm auf hoher See dem Meer zu widerstehen, wenn der Laderaum mit Handelswaren oder Kolonisten vollgestopft war. Aber diese Knorr weist nur vier Riemenpaare auf, was bedeutet, dass das Schiff fast ausschließlich gesegelt wurde. Die Rekonstruktion des Rumpfes beweist, dass es sowohl im Hinblick auf Frachtkapazität als auch auf Seetüchtigkeit konstruiert wurde; datiert wird es auf um 1030. Möglich wurde die Frachtkapazität durch den runden Rumpf, der an Bug und Heck spitz zulief. Sein niedriges Freibord und der abgerundete Kielraum erleichterten seine Handhabung, wenn kein Hafen verfügbar war.
Glatte Planken aus Kiefernholz, die in Klinkerbauweise durch Stahlnägel miteinander verbunden sind, bilden die Außenhaut. Sie sind bis zu 50 cm breit und 12 bis 13 m lang. Auf den fast geraden Kiel sind getreppte Spanten gesetzt, die bis zu den Querbalken reichen. Oberhalb der Querbalken sind Seitenspante eingebaut, die die Außenhaut versteifen. Das Vorschiff und das Achterschiff haben oberhalb der Querbalken weitere Querbalken, die das erhöhte Vor- und Achterdeck tragen. Mittschiffs liegt der 5,5 m lange Frachtraum mit 30 bis 35 m³ Volumen. Nach unten begrenzen ihn wahrscheinlich starke Bohlen, die in Höhe der Querbalken auf einem Längsstringer aufliegen. Zwar hat das Schiff damit einen Laderaum, der mehr als drei Mal so groß war wie der im kleinen Handelsschiff, und höher liegende Decks vorne und achtern, aber alle Reisenden waren ganz den Elementen ausgesetzt und ohne Schutz gegen Wind und Wetter.
Ein kräftiges Kielschwein und zwei Querbalken halten den feststehenden Mast, der ein breites Rahsegel trägt. Dieses Rahsegel verdeutlichen die im Vorschiff angebrachten Abstützungen für die Spieren, die zum seitlichen Fixieren der Segelhörner benutzt werden. Das breite Segel macht die Knorr zu einem relativ guten Segler. Das Rudern hat auf den Knorren eine Aufgabe, wie sie heute bei Handelsschiffen Hafenschlepper erfüllen. Die geringe Zahl der Ruderplätze zeigt, dass im Vergleich zum Langschiff auf Knorren nur eine kleine Mannschaft ‚fährt’.
Mit einem Nachbau dieses Schiffes, der ‚Saga Siglar’, wurde von 1984–1986 die Welt umsegelt. Leider sank gerade diese seetüchtigste aller Repliken von Wikingerschiffen 1992 im Mittelmeer und es brach eine Diskussion über die Seetüchtigkeit der Schiffe aus. Aber es darf nicht übersehen werden, dass die Wikingerschiffe trotz allem den Höhepunkt der historischen Schiffbautechnik darstellen.