Slowakische Hlinka-Volkspartei – Partei der Slowakischen Nationalen Einheit

Slowakische Hlinka-Volkspartei – Partei der Slowakischen Nationalen Einheit

Die Slowakische Volkspartei (slowak.: Slovenská ľudová strana, SĽS), nach 1925 Hlinkas Slowakische Volkspartei (Hlinkova slovenská ľudová strana, HSĽS), nach 1938 Hlinkas Slowakische Volkspartei – Partei der Slowakischen Nationalen Einheit (Hlinkova slovenská ľudová strana – Strana slovenskej národnej jednoty, HSĽS-SSNJ) war eine slowakische katholisch und national ausgerichtete politische Partei zwischen 1906/13 und 1945. Vor allem zur Zeit des Kommunismus in der Tschechoslowakei (1948–1989) wurde sie für die Zeit nach etwa 1925/38 als eine klerikalfaschistische Partei bezeichnet.

Die Partei entstand noch zur k.u.k.-Zeit, als die Slowakei Bestandteil Österreich-Ungarns war; danach gehörte sie der tschechoslowakischen Parteienlandschaft an. Zusammen mit der Slowakischen Nationalpartei (Slovenská národná strana, SNS) war sie eine von zwei rein slowakischen Parteien in Österreich-Ungarn und in der Tschechoslowakei. Nach einem Zusammenschluss mit anderen Parteien im November 1938 war die neu entstandene Einheitspartei die herrschende Partei des Regimes Jozef Tisos in der ersten Slowakischen Republik. Parteivorsitzender war der slowakische Priester Andrej Hlinka (1913–1938), ihm folgte Jozef Tiso (1938–1945). Die Parteizeitungen waren die „Slowakische Volkszeitung“ (Slovenské ľudové noviny, 1910–1930) und „Der Slowake“ (Slovák, 1919–1945).

Inhaltsverzeichnis

In Österreich-Ungarn

Der Gründungsprozess der Partei dauerte einige Jahre. Zur Jahrhundertwende gab es in Österreich-Ungarn außer der kurzlebigen Slowakischen Sozialdemokratischen Partei (1905–1906) nur eine Partei, die spezifisch für die Interessen der Slowaken eintrat: Die Slowakische Nationale Partei. Verschiedene slowakische Persönlichkeiten, die mit der Politik der Slowakischen Nationalen Partei nicht einverstanden waren, aber dennoch slowakische Interessen voranbringen wollten, beschlossen am 14. Dezember 1905 in Žilina die Gründung der Slowakischen Volkspartei, deren formelle Gründung zunächst noch ausblieb. Weitere Persönlichkeiten, unter ihnen der katholische Priester Andrej Hlinka, traten der provisorischen Partei Anfang 1906 bei. Die Partei wurde formell am 18. März 1906 von F. Skyčák, Milan Hodža und A. Ráth gegründet, nach einem Beschluss vom April 1906 beteiligte sie sich aber bis 1913 an Wahlen offiziell lediglich als eine Art „Unterabteilung“ der Slowakischen Nationalen Partei, um einen Streuverlust an Wählerstimmen zu vermeiden. SNS und SĽS hatten unterschiedliche Parteiprogramme, die jedoch teils identisch waren. Trotz der in Ungarn seinerzeit üblichen Wahlmanipulationen gewann die SĽS sechs Sitze und die SNS einen von insgesamt 415 Abgeordnetensitzen bei den ungarischen Parlamentswahlen von 1906.

Die Partei bestand hauptsächlich aus ehemaligen slowakischen Mitgliedern der Ungarischen Volkspartei (Néppárt, gegründet 1895) und ausgetretenen Mitgliedern der SNS. Ihr Parteiprogramm enthielt Forderungen nach nationalen, katholisch-religiösen und liberalen Reformen, wie etwa Meinungsfreiheit und allgemeines Wahlrecht.

1912 lehnte die SĽS die damals stark ausgeprägte tschechisch-slowakische Ausrichtung der SNS ab und verabschiedete eine ähnliche Erklärung wie 1905, erneut ohne formale Auswirkungen. Am 29. Juli 1913 wurde die SĽS schließlich in Žilina als eigenständige slowakische politische Partei Österreich-Ungarns gegründet.

Parteivorsitzender wurde Andrej Hlinka, weitere Führungsfiguren waren Ferdiš Juriga und František Skyčák.

Während des Ersten Weltkriegs stellten SĽS und SNS ihr politisches Engagement ein, um jeglichen Vorwand für Anschuldigungen wegen einer Tätigkeit gegen den Österreichisch-Ungarischen Staat zu verhindern. Die Partei nahm jedoch an der Gründung des (zweiten) Slowakischen Nationalrats teil, der von Oktober 1918 bis Januar 1919 tagte.

In der Tschechoslowakei

Nach der Gründung der Tschechoslowakei nahm die SĽS ihre Tätigkeiten am 19. Dezember 1918 in Žilina wieder auf. Am 17. Oktober 1925 wurde sie nach ihrem Parteivorsitzenden Andrej Hlinka in Hlinkas Slowakische Volkspartei (HSĽS) umbenannt. Obwohl den Slowaken vor der Gründung der Tschechoslowakei in der Pittsburg Vereinbarung ein umfangreicher Autonomiestatus zugesagt worden war, wurde dieser in der Vorkriegs-Tschechoslowakei (1918–1939) nie verwirklicht. Die (H)SĽS forderte diese Autonomie ein und wehrte sich gegen eine Zentralisierung des Staates. Die Partei wandte sich auch gegen „Tschechoslowakismus“ (die Definition von Slowaken und Tschechen als einer gemeinsamen Ethnie), Atheismus und Protestantismus und festigte so ihr erzkonservatives, streng katholisches und antikommunistisches Bild. Hlinka zum Wahlsieg der tschechoslowakischen Sozialdemokraten 1920:

„Ich werde 24 Stunden am Tag arbeiten, bis sich die Slowakei von einer roten Slowakei in eine weiße und christliche Slowakei wandelt.“

Ihre Hauptwählerschaft bestand aus slowakischen Bauern, hauptsächlich wegen der Kritik der HSĽS an der tschechoslowakischen Landreform von 1920–1929. Mit 17,5 % der in der Slowakei abgegebenen Stimmen war sie bei den Parlamentswahlen 1920, an denen sie gemeinsam mit der Tschechischen Volkspartei unter dem Namen „Tschechoslowakische Volkspartei“ teilnahm, die drittgrößte Partei. Mit den Regionalwahlen 1923 wurde die Partei zur größten Partei in der Slowakei und erhielt im slowakischen Teil der Tschechoslowakei bei der Parlamentswahl 1925 34,4 % und 1935 30,3 %. Bei letzterer bildete sie mit der SNS den „Autonomie-Block“, der sich jedoch nach der Wahl wieder auflöste. Als ausgesprochener Gegner eines Prager Zentralismus befand sie sich meistens in der Opposition. Lediglich einmal war sie Regierungsmitglied, als sie am 15. Januar 1927 der tschechoslowakischen Regierungskoalition beitrat, aber nach einem umstrittenen Gerichtsverfahren gegen das wegen Hochverrats angeklagte HSĽS-Mitglied Dr. Vojtech Tuka trat die HSĽS am 8. Oktober 1929 aus der Regierung aus.

Nach dem Tod Andrej Hlinkas im Alter von 74 Jahren am 16. August 1938 wurde der katholischen Priester und damalige Vizevorsitzende Jozef Tiso neuer Parteichef.

Nachdem der tschechische Teil der Tschechoslowakei das Sudetenland als Ergebnis des Münchner Abkommens an Deutschland abtreten musste, erklärte das Exekutivkomitee des HSĽS zusammen mit fast allen slowakischen Parteien am 6. Oktober 1938 die Autonomie der Slowakei innerhalb der Tschechoslowakei. Prag akzeptierte dies und ernannte noch am selben Tag Jozef Tiso zum Premierminister der autonomen Slowakei. In den folgenden slowakischen Regierungen war die HSĽS die bestimmende Partei. Als am 8. November 1938 im Zuge des Wiener Schiedsspruchs dem slowakischen Teil der Tschechoslowakei rund ein Drittel seiner Gebiete an Ungarn verloren ging, vereinigten sich die Mitglieder sämtlicher Parteien in der Slowakei (d. h. die slowakischen Mitglieder der tschechischen Parteien in der Slowakei) mit der HSĽS und bildeten Hlinkas Slowakische Volkspartei – Partei der Slowakischen Nationalen Einheit (HSĽS-SSNJ). Die Slowakische Nationale Partei trat der HSĽS-SSNJ am 15. Dezember bei, die Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei blieb als einzige dem Bündnis fern.

Mit dem sofortigen Verbot sozialdemokratischer, kommunistischer und jüdischer Parteien machte sich die autoritäre Tendenz der neuen Partei umgehend bemerkbar, die dann auch bei der slowakischen Wahl(farce) vom Dezember 1938 97,3 % der Stimmen (von denen 72 % an Kandidaten der ursprünglichen HSĽS gingen) für sich gewinnen konnte. Ab dem 31. Januar 1939 wurden dem ethnischen Prinzip folgend alle Parteien außer der HSĽS-SSNJ, der Deutschen Partei und der Vereinigten Ungarischen Partei als Interessenvertreter der jeweiligen Minderheiten, verboten.

In der ersten Slowakischen Republik

Nach der Ausrufung der unabhängigen Slowakei am 14. März 1939 war die HSĽS-SSNJ die führende Partei im vom nationalsozialistischen Deutschland abhängigen autoritären Staat. Die für 1943 angesetzten Parlamentswahlen wurden kurzerhand abgesagt.

Ab 1939 entstand allerdings ein parteiinterner Konflikt. Der vom Parteivorsitzenden und slowakischen Präsidenten Jozef Tiso angeführte konservativ-gemäßigte Flügel wollte einen autoritären und klerikalen Ständestaat schaffen. Dieser Flügel hielt die entscheidenden Machtpositionen des Landes, der Partei und des Klerus inne. Der vom Nationalsozialismus beeinflusste rivalisierende Flügel des „Slowakischen Nationalsozialismus“ hingegen war ausgesprochen antisemitisch eingestellt und forderte die Ausweisung aller Tschechen und die Gründung eines radikal-faschistischen Staats. Die Hauptbetreiber dieser Politik waren der Premierminister Vojtech Tuka und der Innenminister Alexander Mach. Anhänger fanden sich vor allem in der sog. Hlinka-Garde (Hlinkova garda), dem paramilitärischen Verband der HSĽS-SSNJ.

Die slowakische Bevölkerung stand größtenteils hinter Jozef Tiso, auch aufgrund der unverhohlenen Demagogie des faschistischen Flügels, dessen faschistische Ideologie kaum vereinbar mit dem katholischen Glauben war. Zudem ging es dem Land im Vergleich zu seinen Nachbarstaaten (einschließlich des Deutschen Reichs) ökonomisch gesehen verhältnismäßig gut. Zunächst wurde Vojtech Tuka von Deutschland unterstützt, aber als 1942 die Juden-Deportationen begannen und Tiso und die HSĽS-SSJN zwangsweise das deutsche „Führerprinzip“ annahmen, erhielt Tisos gemäßigter Flügel die volle Unterstützung Deutschlands, dessen Hauptanliegen damals die Lösung der jüdischen Frage sowie keine Schwierigkeiten an der deutschen Grenze war. Dies ermöglichte Tisos Flügel sogar, die Deportationen nach einiger Zeit einzustellen.

Mit der Befreiung der Slowakei durch tschechoslowakische Truppen und der Roten Armee im Mai 1945 löste sich die Partei auf. Zahlreiche Parteimitglieder wurden während der kommunistischen Herrschaft verfolgt.

Siehe auch

Literatur

  • Jörg K. Hoensch: Studia Slovaca. Oldenbourg, 2000, ISBN 3486565214. 
  • Jörg K. Hoensch: Die Slowakei und Hitlers Ostpolitik. Böhlau, 1965. 
  • Gerhard Ames: Dokumente zur Autonomiepolitik der Slowakischen Volkspartei Hlinkas. Oldenbourg, 1984, ISBN 3486510711. 

Weblinks


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