Sodalokomotive

Sodalokomotive
Feuerlose Natron-Straßenbahn-Lokomotive in Aachen um 1884

Die Natronlokomotive ist eine feuerlose Dampflokomotive. Sie wurde 1883 von Moritz Honigmann entwickelt und beruht auf einem für die Dampfgewinnung kaum verwendeten Prinzip. Eine Maschine dieser Bauart wurde von der Aachener und Burtscheider Pferdebahngesellschaft in Aachen vom Juni 1884 bis zum März 1885 auf einer ein Kilometer langen Strecke betrieben.

Das Verfahren wurde von Honigmann am 8. Mai 1883 unter der Patentnummer 24993 in Berlin geschützt. Der Titel des Patents lautete: Über das Verfahren zur Entwicklung gespannten Dampfes durch Absorption des abgehenden Maschinendampfes in Ätznatron oder Ätzkali von Moritz Honigmann in Grevenberg bei Aachen.

Inhaltsverzeichnis

Funktionsweise

Wasserdampf wird in eine starke Natronlauge (Natriumhydroxid (NaOH) in Wasser gelöst) geleitet. Prinzipiell sind auch andere Lösungen denkbar. Dabei wird der Dampf bei Temperaturen von 130 °C und darüber vollkommen in die Lösung aufgenommen. Durch den Lösungsvorgang (die Lauge wird durch das Wasser verdünnt) wird gleichzeitig Wärme (Kondensationswärme und Lösungsenthalpie) frei und die Lösung erhitzt sich. Diese erhitzte Lösung wird dann zur Beheizung des eigentlichen Dampfkessels benutzt. Die Lösung wird mit der Zeit wärmer und wässriger, bis sie kein Wasser mehr aufnehmen kann und selbst anfängt zu sieden.

Die Standardbildungsenthalpie von festem Natriumhydroxid (NaOH) beträgt -426,7 kJ/mol; die von gelöstem NaOH -469,6 kJ/mol. Bei der vollständigen Auflösung von NaOH werden 42,9 kJ/mol in Form von Wärme freigesetzt. Festes NaOH hat eine molare Masse von 39,997 g/mol (entspricht 25,002 mol/kg). Es werden also je Kilogramm vollständig gelöstem Feststoff 1072,6 kJ (= 0,298 kWh) frei. Es konnte jedoch nur ein Teil dieser Energie genutzt werden, da sich das Natriumhydroxid bereits beim Befüllen der Lok in Lösung befand.

An der Füllstation wurde die Lok mit 900 kg 180 °C heißer 83%iger Natronlauge befüllt[1]. Der Energiegehalt wurde später mit „je Pferdestärkenstunde ein Füllungsgewicht von 20 kg“[2] beschrieben. Aus dieser Angabe ist jedoch nicht eindeutig nachvollziehbar, ob es sich um die mechanische Leistung der Dampfmaschine oder die Wärmeleistung des Kessels handelt. Der Wert entspricht einer Energiedichte von etwa 36,8 Wh/kg Lauge, bei 900 kg ergibt sich eine „Tankkapazität“ von rund 33,1 kWh. Ein moderner Bleiakkumulator kommt auf bis zu 60 Wh/kg. Benzin hat im Vergleich dazu eine Energiedichte von 12.000 Wh/kg.

Zusätzlich zu der aus der Lösung gewonnen Wärme wurde die Kondensationswärme des Abdampfes genutzt und ging nicht verloren. So konnte die Verdampfungswärme des Speisewassers aus dem Abdampf gewonnen werden und nur die zur Verrichtung von Arbeit notwendige Energie musste durch den Speicher bereitgestellt werden.

Honigmannsche Natronlokomotive

Honigmann brachte auf seinen Lokomotiven einen Natronkessel a (Bild rechts) an, über welchem ein Wasserkessel b steht. Vom Boden des Wasserkessels geht eine große Anzahl Siederohre c bis fast zum Boden des Natronkessels. Ein Rohr d führt von dem oberen, dampfgefüllten Teil des Wasserkessels zu den Dampfzylindern f, ein zweites e von diesen in den unteren Teil des Natronkessels. Ist nun von vornherein der Dampfdruck in b groß genug, um die Maschine anzutreiben, so gelangt der verbrauchte Dampf durch e in die Natronlauge, löst sich dort und erhitzt durch Wärmeabgabe die Lösung. Diese wiederum lässt durch den Wärmeübergang der Siederohre c genügend Wasser in b verdampfen, um die Maschine in Gang zu halten. Die Heizung des Wasserkessels reguliert sich von selbst. Je mehr die Maschine leistet, je mehr Dampf sie verbraucht, desto mehr Dampf wird auch der Natronlauge zugeführt und desto mehr Wärme wird entwickelt.

Nach etwa vier bis fünf Stunden wurde die Natronlauge durch Verdünnung unwirksam. Dann musste sie abgelassen und wieder eingedampft werden. Der Kessel wurde mit frischer, konzentrierter Lösung gefüllt. Das in b verdampfende Wasser wurde durch eine Dampfstrahlpumpe aus einem Wasservorratskasten g ersetzt.

Natronkessel, Siederohre und Abdampfpfannen müssen aus korrosionsbeständigem Material hergestellt werden. (damals war das vor allem Kupfer), weil Eisen von der Natronlauge bei hohen Temperaturen angegriffen wird. Die Natronlokomotive hat gegenüber der Dampfspeicherlokomotive einen komplizierteren und aufwändiger herzustellenden Kessel sowie ein Wasserreservoir. Dagegen ist sie nicht nur feuer- und rauchlos, sondern auch ohne Dampfausströmung. Auch zeichnet sie sich durch eine längere Leistungsdauer nach einer Füllung aus, so dass gleichzeitig die Gefahr des Liegenbleibens mitten auf der Strecke vermindert wird.

Trotz ihrer Vorteile, vor allem gegenüber der damaligen Konkurrenz von Pferdebahnen und frühen Dampflokomotiven, deren Einsatz in bebautem Gebiet nicht ohne Probleme ist, konnte sich diese Bauweise jedoch nicht durchsetzen. Diese Form des Thermochemischen Wärmespeichers ist jedoch für die Wärmespeicherung Ende des 20. Jahrhunderts wiederentdeckt worden.

Siehe auch: Dampfspeicherlokomotive & Dampflokomotive

Literatur

  • Zeitschrift d. Vereins Deutscher Ingenieure. Düsseldorf 1883, S. 730
  • Zeitschrift d. Vereins Deutscher Ingenieure. Düsseldorf 1884, S. 69
  • Zeitschrift d. Vereins Deutscher Ingenieure. Düsseldorf 1884, S. 978
  • Britische Zeitschrift Engineering 27. Februar 1885
  • Christian Mähr: Vergessene Erfindungen. Dumont Verlag, Köln 2002, ISBN 3-8321-7816-3

Quellen

  1. Mähr, Christian Vergessene Erfindungen, Dumont Verlag, 2002, ISBN 3832178163
  2. Conrad Matschoß; 1925; "Männer der Technik"

Weblinks


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