- Sondierungsgespräch
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Eine Koalition (vom lateinischen coalitio „Vereinigung, Zusammenschluss, Zusammenkunft“) ist ein Zusammenschluss von Staaten, Organisationen, politischen Parteien oder Personen zur Durchsetzung bestimmter Ziele, vergleichbar einem Bündnis.
Inhaltsverzeichnis
Recht
Im Arbeitsrecht werden Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände auf der Grundlage der Koalitionsfreiheit als "sozialpolitische Koalitionen" bezeichnet. Die Koalitionsfreiheit ist das Recht zur Bildung von Vereinen und Gesellschaften das im Grundgesetz verankert ist. Für Gewerkschaften und Parteien, also für Vereinigungen zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ist dieses Recht für jedermann und für alle Berufe unabdingbar gewährleistet; das Recht kann daher nicht durch Abreden außer Kraft gesetzt werden. Dieses Grundrecht ist ein Sonderfall des allgemeinen Grundrechts der Vereinigungsfreiheit (Artikel 9 Abs. 3 GG).
Schon im Mittelalter standen den Zünften (Interessenvertreter der Handwerkmeister) die Zusammenschlüsse der Gesellen - die Gesellenschaften - gegenüber.
Politik
Parteien koalieren in Deutschland miteinander, um eine stabile Regierung zu bilden. Dies ist nötig, weil - besonders in politischen Systemen mit Verhältniswahlrecht - eine Partei alleine nur selten über die dafür nötige absolute Mehrheit an Mandaten im Parlament verfügt. Hat keine der Parteien die absolute Mehrheit erreicht, folgen die so genannten Sondierungsgespräche, in denen zunächst inhaltliche Aspekte für eine gemeinsame Koalition ausgelotet werden. Die aktivere Rolle liegt hierbei vor allem bei der Partei mit der höchsten Anzahl an Mandaten, da diese im Allgemeinen die zentrale Rolle in einer Koalition übernimmt und im Normalfall auch den entsprechenden Regierungschef stellt.
In z. B. der Republik China ist eine Koalition ein informales Bündnis aus Parteien die für oder gegen eine Angliederung an die Volksrepublik China plädieren (vgl. pan-grüne Koalition und pan-blaue Koalition), oder ein Bündnis aus gemeinnützigen Vereinen, mit Innenpolitischen Belangen (siehe pan-violette Koalition). Diese Koalitionen bleiben informal, können aber auch kooperativ sein. Sie haben aber nicht die Aufgabe wie in Deutschland, eine absolute Mehrheit für den Regierungssitz zu bekommen.
Rechtliches
In den sechziger Jahren kam die Frage auf, inwieweit Koalitionsverträge aus bundesverfassungsrechtlicher Sicht überhaupt zulässig sind. Dieses Interesse ist vor allem auf die schriftlichen Vereinbarungen der christliberalen Regierung vom 20. Oktober 1961 zurückzuführen. Ebenso wie das Koalitionspapier aus dem folgenden Jahr wurde es, entgegen der ursprünglichen Absicht, in Zeitungen veröffentlicht.
Es löste große Unruhe aus, man hatte die Sorge, dass die Bundesrepublik von einem im Grundgesetz (GG) nicht vorgesehenem Organ regiert werden könnte, nämlich von dem im Abkommen erwähnten Koalitionsausschuss. Die beteiligten Parteien und Fraktionen verpflichteten sich „darauf hinzuwirken, dass die Fraktionen im Deutschen Bundestag nicht mit wechselnden Mehrheiten abstimmen“. Ein Koalitionsausschuss habe am ersten Arbeitstag jeder Woche zu tagen, ihm gehörten die Fraktionsvorsitzenden, deren Stellvertreter und die parlamentarischen Geschäftsführer an. Von Fall zu Fall könnten Fachleute der Fraktionen teilnehmen, sonstige Berater von außerhalb bedürften der Zustimmung beider Seiten. Der weitaus größte Teil des Abkommens behandelte einzelne politische Fragen, obenan stand die Deutschland- und Außenpolitik. Das Koalitionsabkommen war von der FDP gefordert worden.
Um die Bedenken zu zerstreuen, die gerade der Koalitionsausschuss auslöste, bemühten sich die jeweiligen Koalitionspartner nach 1962 bis in die achtziger Jahre hinein, den Eindruck von Koalitionsausschüssen zu vermeiden. Es war aber klar, dass z.B. während der Großen Koalition der Kreßbronner Kreis einen solchen regelmäßigen Koalitionsausschuss darstellte, benannt nach dem Urlaubsort des Bundeskanzlers Kurt Georg Kiesinger im Sommer 1967. Bundesjustizminister Gustav Heinemann behauptete damals dennoch, es gäbe keinen institutionalisierten Koalitionsausschuss. Meist träfen sich am Dienstag der Bundeskanzler, der Bundesaußenminister und die beiden Fraktionsvorsitzenden zu einer „Besprechung“.[1]
Im nachhinein behauptete Siegfried Heimann, dass die SPD-Bundestagsfraktion zum „Ja-Sager-Gremium" verkommen sei und das Parlament gar als Kontrollorgan ausgeschaltet; Wichard Woyke hielt den Koalitionsausschuss für eine Art Nebenregierung, die Regierungsgeschäfte ohne parlamentarische Verantwortung betreibe.[2] Andrea Schneider bezeichnet den Kreßbronner Kreis treffender als einen informellen Ort für den Gedankenaustausch zwischen den Parteispitzen, der keineswegs etwa ein Garant für das Durchbringen jedweder Gesetzesvorlage gewesen sei.[3]
Koalitionsabkommen waren Geheimverträge, damit sich nicht etwa Dritte auf das Abkommen berufen konnten. Öffentliche Koalitionsabkommen, wie es sie heute gibt, entbehren einer gewissen Daseinsberechtigung, weil ursprünglich die von den Koalitionspartnern gemeinsam zu verantwortende Regierungserklärung diesen Sinn erfüllen sollte.
Koalitionsabkommen betreffen neben Verfahrensregeln bestimmte Politikbereiche, mehr oder weniger konkret. In der Praxis ist es jedoch unmöglich, die Regierungspolitik in einem ausführlichen Vertrag festzulegen, da es sich schließlich um eine Vorausplanung für vier Jahre handelt. Das führt des Öfteren zu Revisionen des Abkommens. Beim Machtwechsel 1969 (und ähnlich 1982) wollten die neuen Partner erst einmal eine Bestandsaufnahme machen, bevor sie über ein allgemeines Koalitionspapier mit Verhandlungsergebnissen hinausgingen.
Verfassungskommentatoren haben die Vorwürfe gegen Abkommen und Ausschüsse bemerkenswert ernst genommen. Roman Herzog rechtfertigt Koalitionen mit dem Bekenntnis des Grundgesetzes zur Rolle der Parteien (Art. 21 GG), wobei den Koalitionsvereinbarungen eine rechtliche Verbindlichkeit abzusprechen sei, da die Einklagbarkeit fehle. Adolf Schüle erläutert weiter, dass der Koalitionsvertrag kein objektives Recht darstellen könne, allein schon weil Sollenssätze, die öffentliche Kundgebung und die Anerkennung durch Rechtslehre und Gerichte fehlten. Außerdem sei das Abkommen nicht von öffentlichen Organen erarbeitet. Ein Geschäftsvertrag könne das Abkommen ebenfalls nicht sein, auch wenn viele Juristen und Politologen dies meinten. Der Grundsatz pacta sunt servanda (Verträge müssen eingehalten werden) stünde unter dem politischen Vorbehalt des rebus sic stantibus (sofern die Bedingungen die gleichen bleiben). Dennoch könne man, so Schüle, beim Koalitionsvertrag nicht von einem rechtsfreien Raum sprechen, weil solche Abkommen politische Konsequenzen hätten.[4]
Bundesinnenminister Ernst Benda nannte es 1969 verfassungsrechtlich in Ordnung, wenn ein Koalitionsausschuss die Entscheidung trifft, einen Gesetzesentwurf der Regierung einzubringen. Bedenklicher wäre es, wenn der Koalitionsentschluss über einen Gesetzesentwurf entschiede, der bereits dem Bundestag vorliegt. Das könne zur Verödung der parlamentarischen Beratungen führen und wäre verfassungspolitisch zwar zulässig, aber unvernünftig. Die Richtlinienkompetenz werde durch eine Koalition nicht wesentlich mehr eingeschränkt als durch die Abhängigkeit des Kanzlers von seiner Partei. Allerdings sei es für den Kanzler schwieriger, seinen Einfluss auch auf eine andere Partei zu erstrecken. Bei der Ressortkompetenz der Bundesminister ist Benda vorsichtiger, denn wenn der betreffende Minister nicht am Koalitionsausschuss beteiligt sei, könne seine Einflussnahme auf ein Gesetz gefährdet sein.[5]
Die eigentliche Frage zur Verfassungsmäßigkeit von Koalitionen ist die, was die Koalitionspartner an Gegenleistung einbringen wollen. Im Abkommen von 1961 verpflichteten sich die Unterzeichner, auf das Abstimmungsverhalten ihrer Abgeordneten hinzuwirken. Verfügen können sie darüber nicht, da Art. 38 GG das freie Mandat zusichert. Den Erfolg ihres Hinwirkens können die Partei- und Fraktionsvorsitzenden nicht garantieren, er ist daher auch nicht einklagbar.
Formen der Koalitionsregierungen
Durch den Abschluss eines Koalitionsvertrages zwischen zwei oder mehreren Parteien wird die mittel- bis langfristige Zusammenarbeit einer Koalitionsregierung während der nächsten Wahlperiode geregelt. Der Koalitionsvertrag gibt gewöhnlich einen Überblick über die Gesetzesvorhaben der aus der Koalition hervorgehenden Regierung. Verschiedene mögliche Formen sind dabei in Deutschland die Große Koalition (Schwarz-Rot), Rot-Grüne Koalition, Schwarz-Gelbe Koalition, Sozialliberale Koalition (Rot-Gelb), Ampelkoalition (Rot-Gelb-Grün), Rot-Rote Koalition oder Schwarz-Grüne Koalition. Nach der Bundestagswahl 2005 wurde der Begriff Jamaika-Koalition, auch „Schwampel“ (Schwarze Ampel) genannt, in die Diskussion eingeführt. Koalitionen zwischen CDU und Linkspartei gibt es bislang nur auf kommunaler Ebene, werden aber vom sachsen-anhaltischen Ministerpräsidenten Wolfgang Böhmer für die Zukunft nicht ausgeschlossen [1]. Für derartige Bündnisse gibt es noch keine Bezeichnung, da der Name Schwarz-Rot bereits für Koalitionen von CDU und SPD verwendet wird.
In anderen Ländern werden Parteien naturgemäß andere Farben zugeordnet. Die Freiheitlichen in Österreich etwa werden hier mit der Farbe blau assoziiert, sodass es dort Rot-Blaue und Schwarz-Blaue Koalitionen gibt. Eine Koalition der Österreichischen Volkspartei mit dem BZÖ gilt als Schwarz-Orange. Nach der Nationalratswahl 2008 wurde eine "Kenia-Koalition" (SPÖ/ÖVP/Grüne) als mögliche Verstärkung der Großen Koalition erwägt, um eine Zweidrittelmehrheit für die Regierungsparteien im Nationalrat zu ermöglichen.
Weithin üblich, aber nicht zwingend, ist, dass die Partei, die unter den Koalitionsparteien die meisten Stimmen errungen hat, den Regierungschef stellt. Gerade im Fall einer Großen Koalition, wenn die Parteien vergleichbar stark sind, ist dieses Prinzip umstritten. Das Israelische Koalitionsmodell löst diesen Konflikt durch den Wechsel des Regierungschefs zur Mitte der Wahlperiode auf.
Die Koalitionstheorie unterscheidet verschiedene Koalitionstypen, zum Beispiel die minimale Gewinnkoalition (minimal winning coalition), die Koalition der knappsten Mehrheit (smallest size coalition), die übergroße Koalition oder die minimale verbundene Gewinnkoalition (minimal connected winning coalition). Einige Theorien der Koalitionsbildung sind - ohne Rücksicht auf politische Inhalte - rein ämterorientiert (politik-blind) wie z.B. das Konzept der minimalen Gewinnkoalition. Andere Theorien berücksichtigen auch Distanzen politischer Ideologien, etwa das Konzept der minimalen verbundenen Gewinnkoalition.
Beurteilung
Die Bildung von politischen Bündnissen in Form von Wählervereinigungen oder politischen Parteien wurde von Theoretikern der Demokratie häufig negativ bewertet. Man befürchtete, dass organisierte Interessengruppen sich der Regierung und des Staates bemächtigten und dass anstelle des Gemeinwohls partikulare Interessen verfolgt würden. (So z.B. Jean-Jacques Rousseau und James Madison.)
Wahl- und Abstimmungsbündnisse sind jedoch unter normativem Gesichtspunkt unentbehrlich in einer Demokratie, weil sie dem zentralen Schwachpunkt des Mehrheitsprinzips entgegenwirken, der immer dann auftaucht, wenn eine schwach betroffene Mehrheit eine in ihren Interessen elementar betroffene Minderheit überstimmt.
Dies ist nun nicht nur ein Problem von Randgruppen sondern ein Problem, das praktisch jeden Wähler betrifft. Ob man Beamte, Industriearbeiter, Rentner, Bauern oder Studenten nimmt, ob man Katholiken, Protestanten oder Konfessionslose nimmt: immer hat man es mit Minderheiten im Verhältnis zur gesamten Wählerschaft zu tun. Diese Minderheiten könnten ihre spezifischen Interessen nicht durchsetzen, wenn über die einzelnen Punkte in Form isolierter Einzelabstimmungen mehrheitlich entschieden würde.
Wahlbündnisse führen dazu, dass sich Mehrheiten nicht über isolierte Einzelpunkte bilden sondern über ganze "Pakete" von Entscheidungen. Bei den Verhandlungen über solche gemeinsam durchzusetzende Programme spielt für die Beteiligten nicht nur eine Rolle, dass eine Alternative x einer Alternative y von ihnen vorgezogen wird (die bloße Präferenz), sondern auch, wie stark x gegenüber y vorgezogen wird (die Präferenzintensität). Anders ausgedrückt: bei den Verhandlungen über eine Koalition spielt die Größe der subjektiven Wertdifferenzen zwischen den Alternativen eine große Rolle. Es macht einen Unterschied, ob Zugeständnisse bei Nebenfragen oder bei "essentials" gemacht werden.
Die Bündelung der einzelnen Probleme und Entscheidungen in Form von Parteiprogrammen und Koalitionsvereinbarungen hat allerdings zur Voraussetzung, dass sich die Beteiligten auch an die Absprachen halten und entsprechend abstimmen. Hier liegt die Rechtfertigung für die oft geschmähte Fraktions- und Koalitionsdisziplin, die den Abgeordneten auferlegt wird. Sie verhindert, dass die Pakete wieder aufgeschnürt werden, und so die elementar Betroffenen von kaum betroffenen Mehrheiten überstimmt werden.
Wirtschaft
Die Koalitionen-Theorie von Cyert/March sieht Koalitionen als Zweckbündnisse in Organisationen auf Zeit. Nach diesem Verständnis der Bounded Rationality setzen sich Organisationen (Unternehmen) aus verschiedenen Koalitionen zusammen, die sich immer wieder neu bilden bzw. umstrukturieren. Diese Koalitionen verfolgen in aller Regel unterschiedliche Interessen und kämpfen innerhalb der Organisationen aus Eigeninteresse gegeneinander. Durch diese Theorie wird deutlich, dass innerhalb eines Unternehmens nicht nur Unternehmensziele verfolgt werden, sondern auch individuelle Interessen wirksam werden. Dieser Kampf führt oft zu kollektiv suboptimalen Ergebnissen (z.B. in Form von nicht sachdienlichen Kompromissen) Am durchsetzungsstärksten ist die sogenannte Dominant coalition.
Vergleiche hierzu auch die Thesen der Mikropolitik.Wissenschaft
Koalitionen und Koalitionsbildung sind Forschungsgegenstände der Politikwissenschaften, der Soziologie und der Mathematik (Spieltheorie).
Literatur
Arbeitsrecht:
- Wolfgang Ritscher: Koalitionen und Koalitionsrecht in Deutschland bis zur Reichsgewerbeordnung. Hrsg. und eingel. von R. Schröder, Stuttgart 1917, Reprint 1992, Frankfurt am Main, in: Hauptwerke des Arbeitsrechts und der Sozialpolitik. ISBN 3-8051-0111-2
Einzelnachweise
- ↑ Die Zeit am 2. Februar 1962. Zitiert nach: Ossip K. Flechtheim u.a. (Hrsg.): Dokumente zur parteipolitischen Entwicklung in Deutschland seit 1945, Band 8, Berlin 1970, S. 410. Siehe dort auch den Text (S. 408-410) und die Meinung Heinemanns (S. 417).
- ↑ Heimann: Sozialdemokratische Partei Deutschlands, S. 2037/2094; Wichard Woyke: Koalition, in: Uwe Andresen / Wichard Woyke (Hrsgg.): Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland, 2. Auflage, Bonn 1995, S. 253.
- ↑ Andrea Schneider: Die Kunst des Kompromisses, S. 96.
- ↑ Herzog in Maunz-Dürig, Komm. z. GG, Art. 63, Rdnr. 9-12 (Theodor Maunz / Dürig, Günther u.a. (Hrsgg.): Grundgesetz Kommentar, o.O. o.J). Adolf Schüle: Koalitionsvereinbarungen im Lichte des Verfassungsrechts. Eine Studie zur deutschen Lehre und Praxis, Tübingen 1964, S. 59-61, 63-66, 70.
- ↑ Ernst Benda: Verfassungsprobleme der Großen Koalition, in: Alois Rummel (Red.): Die Große Koalition 1966-1969. Eine kritische Bestandsaufnahme, Freudenstadt 1969, S. 162-175, hier S. 162-165.
Weblinks
- Koalitionsvereinbarungen - „Aktueller Begriff“ der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages
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