- Bundestagspräsident
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Der Präsident des Deutschen Bundestages, inoffiziell auch Bundestagspräsident, hat nach dem Bundespräsidenten das zweithöchste Staatsamt der Bundesrepublik Deutschland inne. Er steht somit im Staatsprotokoll vor dem Bundeskanzler, dem Präsidenten des Bundesrats und dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes. Derzeitiger Amtsinhaber ist der CDU-Politiker Norbert Lammert.
Inhaltsverzeichnis
Wahl
Der Bundestagspräsident wird nach jeder Wahl des Deutschen Bundestages bei dessen konstituierender Sitzung aus dessen Mitte von allen Abgeordneten gewählt. Die Sitzung wird bis zur Wahl durch den Alterspräsidenten geleitet.
In der Regel stellt die Fraktion mit den meisten Abgeordneten den Bundestagspräsidenten. Diese Praxis hat sich bereits in der Weimarer Republik eingebürgert, wenngleich es hierzu keine gesetzliche Bestimmung gibt. Die Amtszeit des Bundestagspräsidenten endet mit der jeweiligen Legislaturperiode. Er ist damit grundsätzlich vorzeitig nicht absetzbar. Eine Wiederwahl in der nächsten Legislaturperiode ist aber möglich, sofern der bisherige Amtsinhaber wieder Abgeordneter des neuen Bundestages wird.
Es ist nicht üblich, dass es bei der Wahl zum Präsidenten zu einer Kampfkandidatur kommt. Lediglich nach dem plötzlichen Tod von Hermann Ehlers 1954 gab es eine Ausnahme. Bei der Wahl am 16. November 1954 traten sogar zwei Fraktionskollegen gegeneinander um das Amt an: Gegen den „offiziellen“ CDU/CSU-Kandidaten Eugen Gerstenmaier trat Ernst Lemmer an und verlor erst im dritten Wahlgang mit lediglich 14 Stimmen Unterschied (Gerstenmaier: 204, Lemmer: 190, Enthaltungen: 15).
Stellvertreter
Der Bundestagspräsident hat mehrere Stellvertreter (Vizepräsident des Deutschen Bundestages oder Bundestagsvizepräsident), die von den anderen im Bundestag vertretenen Fraktionen gestellt werden.
Bis zum Beginn der 13. Wahlperiode 1994 war in der Geschäftsordnung nicht festgelegt, wie viele Stellvertreter der Bundestagspräsident hat. Es gab nur interfraktionelle Vereinbarungen, so dass es meist vier Vizepräsidenten gab. 1983 war erstmals von den Grünen versucht worden, die Zahl der Vizepräsidenten auf fünf zu erhöhen, um ebenfalls mit einem Vizepräsidenten im Präsidium vertreten zu sein. Dieser Antrag wurde mehrfach abgelehnt. Erst 1994 wurde die Mindestzahl so geändert, dass jede Fraktion durch mindestens einen Vizepräsidenten vertreten sein muss. Demzufolge hatte der Deutsche Bundestag von 1998 bis 2002 fünf Vizepräsidenten (die PDS war in Fraktionsstärke vertreten), 1994 bis 1998 und 2002 bis 2005 gab es vier Vizepräsidenten. Nach der Bundestagswahl 2005 einigten sich SPD, CDU und CSU in ihren Sondierungsgesprächen darauf, dass die SPD zwei Vizepräsidenten ernennen dürfe. Ein entsprechender Antrag wurde bei der konstituierenden Sitzung gegen die Stimmen von FDP, Grünen und Linkspartei angenommen. Somit wurden in der 16. Wahlperiode 6 Stellvertreter gewählt.
Gesetzliche Grundlagen
Gesetzliche Grundlage für den Bundestagspräsidenten und seiner Stellvertreter ist zunächst Artikel 40 des Grundgesetzes. Danach wählt der Bundestag seinen Präsidenten und dessen Stellvertreter. Ferner gibt sich der Bundestag eine Geschäftsordnung.
Die Geschäftsordnung muss laut einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1952 nach jeder Bundestagswahl neu erlassen werden. In der Praxis wird jedoch meist die bestehende Geschäftsordnung neu aufgelegt. Hin und wieder ist diese aber auch geändert worden. Sie regelt unter anderem die Rechte und Pflichten des Bundestagspräsidenten sowie die Anzahl der Vizepräsidenten.
Aufgaben
Die wichtigste Funktion des Bundestagspräsidenten besteht in der Leitung der Bundestagssitzungen. Dazu nimmt er vorne auf dem Podium im Plenarsaal des Bundestages Platz, sitzt also allen anderen Abgeordneten gegenüber. Der Bundestagspräsident vertritt den Bundestag, ist Adressat aller Gesetzentwürfe und Vorlagen, die von der Bundesregierung, vom Bundesrat oder aus der Mitte des Bundestages eingebracht werden. Ebenso ist er der Empfänger aller Eingaben, die aus den Reihen des Parlaments stammen oder an den Bundestag gerichtet werden.
Außerdem steht dem Präsidenten das Hausrecht und die Polizeigewalt zu (siehe Polizei beim Deutschen Bundestag). Er ist auch die oberste Dienstbehörde der Bundestagsbeamten, wobei er bestimmte Personalentscheidungen zusammen mit dem ganzen Präsidium trifft.
Sonstige Rechte und Pflichten des Bundestagspräsidenten sind in der Geschäftsordnung geregelt.
Der Bundestagspräsident ist ferner der Empfänger der Rechenschaftsberichte der politischen Parteien, überwacht die Einhaltung der Parteispendengesetze und regelt die Wahlkampfkostenerstattung.
Einkommen
Der Bundestagspräsident erhält derzeit (10/2005) an Diäten und zusätzlichen Pauschalen 17.732 Euro pro Monat, alle Vizepräsidenten jeweils 13.512 Euro. Zusätzlich erhöhen sich die jeweiligen Pensionsansprüche.
Präsidenten
Bundestagspräsidenten der Bundesrepublik Deutschland Nr. Name (Lebensdaten) Fraktion Beginn der Amtszeit Ende der Amtszeit Länge der Amtszeit 1 Erich Köhler (1892–1958) CDU 7. September 1949 18. Oktober 1950 1 Jahr, 1 Monat, 11 Tage 2 Hermann Ehlers (1904–1954) CDU 19. Oktober 1950 29. Oktober 1954 4 Jahre, 10 Tage 3 Eugen Gerstenmaier (1906–1986) CDU 16. November 1954 31. Januar 1969 14 Jahre, 2 Monate, 15 Tage 4 Kai-Uwe von Hassel (1913–1997) CDU 5. Februar 1969 13. Dezember 1972 3 Jahre, 10 Monate, 8 Tage 5 Annemarie Renger (1919–2008) SPD 13. Dezember 1972 14. Dezember 1976 4 Jahre, 1 Tag 6 Karl Carstens (1914–1992) CDU 14. Dezember 1976 31. Mai 1979 2 Jahre, 5 Monate, 17 Tage 7 Richard Stücklen (1916–2002) CSU 31. Mai 1979 29. März 1983 3 Jahre, 9 Monate, 29 Tage 8 Rainer Barzel (1924–2006) CDU 29. März 1983 25. Oktober 1984 1 Jahr, 6 Monate, 26 Tage 9 Philipp Jenninger (* 1932) CDU 5. November 1984 11. November 1988 4 Jahre, 6 Tage 10 Rita Süssmuth (* 1937) CDU 25. November 1988 26. Oktober 1998 9 Jahre, 11 Monate, 1 Tag 11 Wolfgang Thierse (* 1943) SPD 26. Oktober 1998 18. Oktober 2005 6 Jahre, 11 Monate, 22 Tage 12 Norbert Lammert (* 1948) CDU 18. Oktober 2005 Vizepräsidenten
Tabelle aller Vizepräsidenten, chronologisch und nach Fraktionszugehörigkeit geordnet
Zwischen 1958–1960 war auch ein Mitglied der Deutschen Partei, Victor-Emanuel Preusker, Bundestagsvizepräsident.
1) In der 16. Wahlperiode wurde der Linkspartei.PDS-Kandidat Lothar Bisky in vier Wahlgängen nicht gewählt, woraufhin die Linkspartei.PDS sich entschloss, den Posten zunächst unbesetzt zu lassen, obwohl ihr wegen der Fraktionsstärke laut der Geschäftsordnung des Bundestages einer zugestanden hätte. Am 7. April 2006 wurde mit Petra Pau schließlich doch noch eine Vizepräsidentin für die Linkspartei.PDS gewählt.
Literatur
- Michael F. Feldkamp (Hrsg.): Der Bundestagspräsident. Amt – Funktion – Person. 16. Wahlperiode. Olzog, München 2007, ISBN 978-3-7892-8201-0.
Siehe auch
Weblinks
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