Sowjetische Militäradministration

Sowjetische Militäradministration

Die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD, Советская военная администрация в Германии) war die oberste Besatzungsbehörde und somit De-facto-Regierung in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) von Juni 1945 bis zur Übertragung der Verwaltungshoheit an die Regierung der DDR am 11. November 1949.

Inhaltsverzeichnis

Aufbau und Geschichte

Die formale Grundlage der SMAD war der Befehl Nr. 1 des Obersten Befehlshabers der sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland vom 9. Juni 1945. Der Befehl reflektierte interalliierte Abmachungen aus der Endphase des Zweiten Weltkriegs, nach denen jede Besatzungsmacht innerhalb ihrer Besatzungszone eine autonome Militärregierung einzurichten hatte.

Die organisatorischen Strukturen der SMAD entsprachen inhaltlich und geografisch dem neuentstehenden deutschen Verwaltungsaufbau in der SBZ. Neben der Zentralbehörde in Berlin-Karlshorst bestanden SMA-Einrichtungen auf Länderebene (Mecklenburg, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen) sowie ein Netz unterschiedlicher regionaler bis lokaler Militärkommandanturen. Spezielle Fachabteilungen überwachten die Tätigkeiten der verschiedenen deutschen Verwaltungsbehörden. An der Spitze der SMAD stand ihr „Oberster Chef“, dies waren von Juni 1945 bis März 1946 G. K. Schukow, von März 1946 bis März 1949 Wassili D. Sokolowski und schließlich bis 1953 (seit Oktober 1949 als Chef der Sowjetischen Kontrollkommission) Wassili Tschuikow. Diese Offiziere waren in Personalunion Oberkommandierende der Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland.

Als sichtbarstes Zeichen ihrer Regierungshoheit erließ die SMAD von 1945 bis 1949 zahlreiche schriftliche Befehle an eigene und deutsche Dienststellen. Daneben regierte sie aber auch auf eher informeller Ebene mittels mündlicher, nur selten dokumentierter Weisungen und Kommentare oder auch nur durch die nicht zu übersehende Präsenz ihrer Mitarbeiter in den deutschen Verwaltungsstellen.

Obwohl die SMAD über ein beträchtliches Gestaltungspotenzial verfügte, ist die Begrenzung ihrer Kompetenzen innerhalb des stalinistischen Herrschaftssystem nicht zu übersehen. So war die SMAD verschiedenen sowjetischen Dienststellen unterstellt, die mitunter konkurrierende Konzepte verfolgten. Daneben verfügten einzelne SMAD-Mitarbeiter über besondere Beziehungen zum sowjetischen Staatsapparat oder zur KPdSU. Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang auf den so genannten „Politischen Berater“ Wladimir Semjonowitsch Semjonow ‎ und den Leiter der Zensur- und Propagandaabteilung, Sergei Iwanowitsch Tjulpanow. Doch nicht nur das System der Mehrfachunterstellung sorgte für eine Begrenzung der internen SMAD-Autonomie, auch auf personalpolitischer Ebene wurde Moskau aktiv: Der populäre Marschall Schukow wurde bereits nach einigen Monaten an der SMAD-Spitze durch seinen weithin unbekannten Stellvertreter Marschall Sokolowski ersetzt.

Das Auftreten der sowjetischen Militärregierung war insgesamt von einem ambivalenten Verhältnis gegenüber den parallel und weitgehend unabhängig operierenden Organen des sowjetischen Repressionsapparats geprägt. Einerseits wussten leitende Besatzungsoffiziere das vorhandene Drohpotenzial geschickt zu nutzen, um bei Verhandlungen mit deutschen Dienststellen ihre Vorstellungen durchzusetzen. Andererseits sind Klagen aus dem SMAD-Apparat überliefert, dass die sowjetischen Geheimdienste mit ihrem Vorgehen die materielle und politische Aufbauarbeit der Militärregierung in Deutschland gefährden würden.

Es bleibt festzustellen, dass die SMAD zunächst – wie die übrigen alliierten Militärregierungen in Deutschland – den Wiederaufbau des Landes innerhalb der von der eigenen Regierung vorgegebenen Rahmenbedingungen umzusetzen versuchte. Die scheinbar willkürlichen massenhaften Verhaftungen und die politische Verfolgung waren nicht das Ergebnis der SMAD-Politik, obwohl die Militärregierung diese Realität für ihre Interessen zu nutzen wusste und sicherlich nicht wenige Besatzungsoffiziere einer allgemeinen Bestrafung der „Deutschen“, die nicht an individuelle Kriterien gebunden war, positiv gegenüberstanden.

Doch auch wenn die SMAD aus sachorientiertem Eigeninteresse Exzesse bei den Verfolgungsmaßnahmen, die erkennbar über die Bestrafung von NS- und Kriegsverbrechern hinausgingen, kritisierte, blieb sie doch eine typische Sowjetinstitution.

Am 10. Oktober 1949 wurde die SMAD aufgelöst. Ihr Nachfolger war die Sowjetische Kontrollkommission (SKK).

Gesetzgebung unter Besatzungsrecht

Anfang Juli 1945 setzte die sowjetische Militärregierung deutsche Provinzial- und Länderverwaltungen ein. Diese erhielten das Recht

Gesetze und Verordnungen, die Gesetzeskraft haben, auf den Gebieten der gesetzgebenden, richterlichen und vollstreckenden Gewalt zu erlassen, wenn sie den Gesetzen und Befehlen des Kontrollrates oder den Befehlen der sowjetischen Militärverwaltung nicht widersprechen.[1]

Diese formale Eigenständigkeit der deutschen Verwaltung war jedoch eingeschränkt. Zum einen behielt die sowjetische Besatzungsmacht sich eine übergeordnete Gesetzgebungskompetenz vor, zum anderen waren die Provinzial- und Länderverwaltungen mit Kommunisten besetzt worden. Als die Gesetzgebungskompetenz später auf die neu gewählten Landtage überging, blieb es auch weiterhin bei einem von den sowjetischen Behörden vorgezeichneten Entscheidungsrahmen. Aus formaler Sicht war zwar keine sowjetische Zustimmung zu Landesgesetzen erforderlich, aber über die SED und über die Blockausschüsse konnte die Militärregierung eine politische Steuerung vornehmen.

Personen

Oberste Chefs:

  • Juni 1945 bis März 1946: Georgi Konstantinowitsch Schukow
  • März 1946 bis März 1949 Wassili Danilowitsch Sokolowski
  • März 1949 bis 1953 (seit Oktober 1949 als Chef der SKK) Wassili Iwanowitsch Tschuikow

Stellvertreter:

Auswahl wichtiger SMAD-Befehle

  • Nr. 1: Über die Organisation der militärischen Administration zur Verwaltung der sowjetischen Okkupationszone in Deutschland (9. Juni 1945)
  • Nr. 2: Erlaubnis zur Bildung und Tätigkeit aller antifaschistischen Parteien und Gewerkschaften (10. Juni 1945)
  • Nr. 3: Abgabe von Waffen (15. Juni 1945)
  • Nr. 5: Organisierung eines normalen Lebens in den Provinzen und Ländern, Gründung (9. Juli 1945)
  • Nr. 8: Übertragung des Eisenbahnverkehrs in der SBZ und Groß-Berlin an die deutschen Eisenbahnen zum 1. September 1945 (11. August 1945)
  • Nr. 9: Wiederingangsetzung der Produktion (21. Juli 1945)
  • Nr. 11: Abgabe von Wertsachen
  • Nr. 13: Schaffung von Verwaltungsbezirken (25. Juli 1945)
  • Nr. 17: Gründung der deutschen Zentralverwaltung (27. Juli 1945)[2]
  • Nr. 40: Vorbereitung der Schulen auf den Schulbetrieb (25. August 1945)
  • Nr. 44: Erhöhung der Sozialrenten und Ermehrung von Erholungsheimen und Sanatorien ( 18. März 1948)
  • Nr. 49: Entfernung aller NSDAP-Mitglieder aus dem Justizdienst (4. September 1945)
  • Nr. 50: Vorbereitung der Hochschulen auf den Beginn des Unterrichts (4. September 1945)
  • Nr. 51: Wiedereinrichtung und Tätigkeit der Kulturinstitutionen (25. September 1945)
  • Nr. 64: Beendigung der Sequesterverfahren in der SBZ (17. April 1948)
  • Nr. 69: Wertpapiere in Tresoren in Verzeichnisse aufnehmen (15. Oktober 1945)
  • Nr. 103: Aufstellung von Wirtschaftsplänen für 1946 (19. Oktober 1945)
  • Nr. 105: Bildung der Deutschen Verwaltung für Statistik (19. Oktober 1945)
  • Nr. 110: Gesetzgebungskompetenz an Länder- und Provinzverwaltung und Erklärung, dass die Bodenreform rechtens ist (22. Oktober 1945)
  • Nr. 111: Währungsreform für das Gebiet der Sowjetischen Besatzungszone und Groß-Berlins (23. Juni 1948)[3]
  • Nr. 117: Ausstattung der deutschen Zentralverwaltung für Handel und Versorgung mit Weisungsrecht gegenüber den Landesverwaltungen (27. Oktober 1945)
  • Nr. 124: dem Deutschen Reich gehörende Vermögenswerte werden beschlagnahmt (30. Oktober 1945)
  • Nr. 126: Vermögen der NSDAP, ihrer Organe und der ihr angeschlossenen Verbände werden konfisziert (31. Oktober 1945)
  • Nr. 160: Über die Verantwortung für Sabotage- und Diversionsakte (3. Dezember 1945)
  • Nr. 176: Wiederherstellung der Konsumgenossenschaften in der SBZ (18. Dezember 1945)
  • Nr. 234: Maßnahmen zur Steigerung der Arbeitsproduktivität und zur weiteren Verbesserung der materiellen Lage der Arbeiter und Angestellten in der Industrie und im Verkehrswesen (9. Oktober 1947)

Literatur

  • Jan Foitzik: Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) 1945–1949, Berlin (Akademie Verlag) 1999, ISBN 3-050-02680-4 Online
  • Inventar der Befehle des Obersten Chefs der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) 1945–1949. Im Auftrag des Instituts für Zeitgeschichte zusammengestellt und bearbeitet von Jan Foitzik. - München; New Providence; London; Paris: Saur, 1994. ISBN 3-598-11261-0

Weblinks

Einzelnachweise

  1. zitiert nach: Diemut Majer: Grundlagen des Besatzungsrechts 1945–1949 in: Hans Erich Volkmann (Hrsg.): Ende des Dritten Reiches – Ende des Zweiten Weltkriegs. Eine perspektivische Rückschau. München 1995, ISBN 3-492-12056-3, S.146
  2. Befehl Nr. 17 des Obersten Chefs der Sowjetischen Militärverwaltung in Deutschland betreffend die Einsetzung von deutschen Zentralverwaltungen in der sowjetischen Besatzungszone vom 27. Juli 1945. Abgerufen am 13. September 2008.
  3. http://www.dhm.de/ausstellungen/kalter_krieg/zeit/z1948.htm Deutschland im kalten Krieg: 1948

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