Spassgesellschaft

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Spaßgesellschaft ist ein (meist abwertender) Begriff, der seit den 1990er Jahren in den deutschen Feuilletons auftauchte und das Lebensgefühl von Teilen der deutschen Gesellschaft in den Jahren des vorangegangenen Börsenbooms, des sogenannten New-Economy-Hypes, beschreiben sollte.

Er wollte eine Gesellschaft beschreiben, in der eine neugewonnene Lust am „Leute-Verarschen“ ein neues Verständnis von rücksichtsloser Geschäftsmoral ausdrückt, die das Ausnutzen von Naivität des Gegenübers als durchaus legitime Praxis betrachtet. Er sollte einen Lebensstil kritisieren, bei dem Hedonismus, Konsumlust [1] und Lebensfreude im Vordergrund stünden, das Bemühen um gesellschaftliche Veränderungen aber in den Hintergrund trete.[2]

Ein auffälliger Boom von Comedy bei den privaten Fernsehsendern ging mit dieser Entwicklung einher.[3]

Mit der 2000 einsetzenden Wirtschaftskrise traten die dazu gerechneten Verhaltensweisen zurück.[4]

Inhaltsverzeichnis

Auffassungen der „Spaßgesellschaft“

Linke Perspektive

Der Begriff wurde zunächst vor allem von einigen Alt-Linken in der Tradition einer Kritik an Konsumgesellschaft und Kulturindustrie verwendet.[5] Die in ihr erreichte Verflachung wird als Triumph der Kulturindustrie im Sinne Max Horkheimers und Theodor W. Adornos bewertet.

Vertreter der jüngeren Generation wandten sich jedoch zunehmend gegen ein als bierernst aufgefasstes und spaßresistentes Politikverständnis. So wurden neue Musikrichtungen wie Techno für eine ältere, durch Rockmusik sozialisierte Linke zum Inbegriff einer unkritischen, hedonistischen Konsumhaltung in der Jugend, während sie zugleich in einer jüngeren, poststrukturalistisch geprägten urbanen Linken eher positiv aufgenommen wurden.

Konservative Perspektive

Der Begriff wurde emotional aufgeladen, weil darin der ‚klassisch-deutsche‘ Anspruch auf „Tiefsinn“ ausgehebelt schien.[6] Bald griffen ihn konservative Kreise wie z. B. Teile der evangelischen Kirche auf. Die Spaßgesellschaft erscheint hier als das Resultat der Traditionsfeindlichkeit (auch Amerikanisierung) der Kultur, als Feier der Beliebigkeit.[7]

Kulturpessimistische Perspektiven

Das Ende der Spaßgesellschaft schwang verbal lange im Unterton öffentlicher Diskussionen mit, so im Untertitel einer Veröffentlichung des Journalisten Peter Hahn (Titel: „Schluss mit lustig. Das Ende der Spaßgesellschaft“, S. 103),[8] da Hedonismus als Grundlage gesellschaftlichen Lebens keine allgemeine Akzeptanz genösse. Hahne begründete dies u.a. mit Zitaten von Thomas Gottschalk und Jürgen Klinsmann. Unmittelbar nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 verkündete schließlich der Journalist Peter Scholl-Latour „das Ende der Spaßgesellschaft“.[9]

Heimo Schwilk stellt in Die Welt der Spaßgesellschaft die Verantwortungsgemeinschaft in der Tradition des Bevölkerungstheoretikers Meinhard Miegel gegenüber. Danach ordnet Schwilk die Spaßgesellschaft der „individualistischen“ Kultur zu, der im Gegensatz zur kollektivistischen familienorientierten Kultur die Dekadenz und der Untergang drohe.[10]

Kritik am Begriff

Für die Kritiker des Begriffes suggeriert die einseitige Verwendung des Ausdrucks „Spaß“ in der Bedeutung „Belustigung“, dass seine Verwender damit betonen wollen, es sei moralisch verwerflich, im Leben Freude zu haben oder haben zu wollen. Gerade eine Gleichsetzung von „Spaß“ mit „Freude“ sei anfechtbar.

Auch müsse eine Spaßgesellschaft nicht gleichbedeutend mit einer Ellenbogengesellschaft sein. So zeige das weiterhin hohe Maß an Hilfsbereitschaft, dass sich die derzeitige Gesellschaft durchaus ihrer Verantwortung bewusst sei.

Quellen

  1. [1]
  2. [2]
  3. [3]
  4. Das Ende der Spaßgesellschaft – Gastronomie muss umdenken auf www.abseits.de
  5. taz vom 23.01.1993 Artikel von Josef Otto Freudenreich über Peter Neururer beim 1. FC Saarbrücken
  6. Die Spaßgesellschaft braucht die kalte Dusche von Alexander Schuller auf www.welt.de
  7. [4]
  8. http://www.johannis-verlag.de/shop/index.php?Content=produktdetail&ID=2226
  9. Interview mit Junge Freiheit
  10. Vgl. H. Schwilk: Der Bürger kehrt zurück, Welt am Sonntag vom 30.09.2001 sowie [5]

Literatur

  • Heiner Boberski: Adieu, Spaßgesellschaft. Wollen wir uns zu Tode amüsieren?, Wien-Klosterneuburg 2004. ISBN 3-85167-162-7
  • Lutz Hachmeister: Die Phantome der Humor-Analysten. In: Tagesspiegel, 7. April 2001 (Über die Entwicklung des Begriffs in den Medien)
  • Peter Hahne: Schluss mit lustig. Das Ende der Spassgesellschaft, ISBN 3-5010-5180-8
  • Josef Kraus: Spaßpädagogik. Sackgassen deutscher Schulpolitik, München ²1998, ISBN 3-8004-1374-4
  • Christian Rickens: Die neuen Spießer. Von der fatalen Sehnsucht nach einer überholten Gesellschaft, ISBN 3-5500-7896-X
  • Gerhard Schulze: Die Erlebnisgesellschaft: Kultursoziologie der Gegenwart. Campus Verlag; 2., aktualisierte Auflage, September 2005, ISBN 3-5933-7888-4

Siehe auch

Weblinks


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