Spaziergangswissenschaft

Spaziergangswissenschaft

Die Promenadologie (auch Spaziergangswissenschaft und englisch Strollology) ist eine Wissenschaft, die sich mit der Erfassung und gedanklichen Einordnung der Umwelt durch Promenieren und Ambulieren beschäftigt. Der Soziologe Lucius Burckhardt (1925–2003) begründete sie zusammen mit seiner Frau Annemarie Burckhardt in den 80er Jahren im Rahmen seiner Lehrtätigkeit an der Gesamthochschule Kassel.

Die Promenadologie entwickelte Burckhardt aus Teilen der Soziologie und des Urbanismus. Ursprünglich in Diskursen der Stadt- und Landschaftsplanung verankert, wurden Projekte der Spaziergangswissenschaft wiederholt im Kontext zeitgenössischer Kunstausstellungen rezipiert.

Seit 2006 hat Martin Schmitz einen Lehrauftrag für Spaziergangswissenschaft an der Universität Kassel im Fachbereich Architektur, Stadt- und Landschaftsplanung.

Seit dem Wintersemester 2006/07 unterrichtet Bertram Weisshaar jeweils im Wintersemester zur Spaziergangswissenschaft im Rahmen des Seminars Stadtwahrnehmung an der Universität Leipzig, Institut für Stadtentwicklung und Bauwirtschaft.

Ziele

Ziel der Promenadologie ist das konzentrierte und bewusste Wahrnehmen unserer Umwelt und dabei das Weiterführen des bloßen Sehens zum Erkennen. Laut Schmitz hat der technische Fortschritt auch zu einer Entfremdung und Wahrnehmungsveränderung des Menschen im Bezug zu seiner Umwelt geführt. Der Blick des Menschen hat sich rasant verändert. Den ersten Schritt zu dieser Veränderung trug die Eisenbahn bei, es folgten Automobil und Billigflieger. Auch GPS mischt dabei mit, sich immer besser zurechtzufinden – und sofern man sich dessen nicht bewusst wird, kann auch diese technische Neuerung dazu führen, immer weniger zu sehen. Laut Weisshaar etabliert sich mit der GPS-Navigation aber auch ein neues Medium, das – künstlerisch eingesetzt – gezielt die Wahrnehmung sensibilisieren kann.

So geht es der Promenadologie darum, die Umgebung wieder in die Köpfe der Menschen zurückzuholen. Hierbei dient der Spaziergang sowohl als "Instrument" zur Erforschung unserer alltäglichen Lebensumwelt, als auch zur Vermittlung von Inhalten und Wissen. Der Spaziergang ist insbesondere geeignet, Raumeindrücke und räumliche Bezüge unmittelbar zu vermitteln, da Raum letztlich nur durch die eigene körperliche Bewegung durch denselben erfahrbar ist und etwa nur durch "rein wissenschaftliche Beschreibung" nicht erfassbar ist.

Bekannt wurde der Spaziergang "Die Fahrt nach Tahiti", aufgeführt in einem ehemaligen Truppenübungsgelände am Rande von Kassel. Ebenso der Spaziergang "Das Zebra streifen" (1993). Die Stadt Frankfurt am Main veranstaltete im September 2008 den zweitägigen, internationalen Kongress "Gut zu Fuß. Die Spaziergangswissenschaft".

Quellen

Literatur

  • Lucius Burckhardt: Warum ist Landschaft schön? Die Spaziergangswissenschaft. Martin Schmitz Verlag, Juni 2006, ISBN 3-927795-42-9

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