Spielrein

Spielrein

Sabina Naftulowna Spielrein (russisch Сабина Нафтуловна Шпилрейн; * 1885 in Rostow am Don; † 12. August 1942 ebenda) war eine russisch-jüdische Psychoanalytikerin.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Sabina Spielrein wurde als Tochter des vermögenden jüdischen Kaufmanns Naftula (später Nikolai) Spielrein und seiner Ehefrau Eva geboren. Die Mutter hatte Zahnmedizin studiert, widmete sich aber vorwiegend ihren fünf Kindern. Spielrein besuchte das Mädchengymnasium in Rostow und schloss es 1904 mit der Reifeprüfung ab.

1904 wurde sie wegen "Hysterie" in die psychiatrische Klinik Burghölzli in Zürich eingewiesen und dort u.a. von Carl Gustav Jung, dort Oberarzt, behandelt. Im Frühling 1905 begann sie ihr Medizinstudium an der Universität Zürich. 1905–1909 war Spielrein Analysandin und - wir befinden uns im Anfangsstadium der Psychoanalyse - dann Geliebte von C.G. Jung. Aufgrund dieser 'therapeutischen Grenzverletzung' begann C.G. Jung 1906 mit Sigmund Freud einen Briefwechsel, woraufhin dieser an dem Diktum der Psychoanalyse arbeitete, dass jeder Analytiker zunächst selbst als Analysand eine Analyse durchlaufen muss, bevor er Patienten betreut. - Die Geburtsstunde der Lehranalyse. Die Analyse Spielreins endete 1909 abrupt.

1911 promovierte Spielrein als erste Frau mit einem dezidiert psychoanalytischen Thema in Zürich zum Dr.med. mit der Arbeit "Über den psychologischen Inhalt eines Falles von Schizophrenie". Spielrein hielt sich in München und neun Monate in Wien auf und lernte dort Sigmund Freud persönlich kennen. Sie nahm an den legendären Mittwoch-Gesellschaften teil und wurde Mitglied der "Wiener Psychoanalytischen Vereinigung".

1912 heiratete sie den russischen jüdischen Arzt Pawel Naumowitsch Scheftel in Rostow am Don. Im Dezember 1913 kam die Tochter Irma Renata in Berlin zur Welt. Spielrein publizierte mehrere Aufsätze zu Kinderpsychologie und anderen Themen.

Bei Beginn des I. Weltkrieges gelang Pawel Scheftel und Sabina Spielrein die Flucht aus Deutschland in die Schweiz. Pawel Scheftel verließ Frau und Kind, um in sein Kiewer Regiment einzutreten. Sabina Spielrein blieb mit ihrer kleinen Tochter im Westen.

Sie lebte 1915 bis 1921 in Lausanne und publiziert weiter in den psychoanalytischen Zeitschriften.

1921 war sie acht Monate in Genf die Psychoanalytikerin von Jean Piaget.

1923 kehrte sie mit ihrer Tochter in das inzwischen sowjetisch gewordene Russland zurück. Sie wurde Mitglied der Russischen Psychoanalytischen Vereinigung und Mitarbeiterin am Staatlichen Psychoanalytischen Institut in Moskau.

Spielrein kehrte 1924 in ihre Geburtsstadt Rostow am Don zurück und lebte wieder mit ihrem Mann Pawel Scheftel zusammen. 1926 bekam das Paar eine zweite Tochter Eva.

1935–1937 "verschwanden" die Brüder Isaak, Jan und Emil Spielrein, vermutlich im Gulag, (Am XX. Parteikongress der KPdSU 1956 unter Chruschtschow rehabilitiert.)

1936 wurde in der Sowjetunion die Psychoanalyse verboten. Spielrein arbeitete jetzt als Pädologin, später hatte sie ein Teilzeitpensum als Ärztin. Sie schrieb jedoch weiterhin und veröffentlichte Aufsätze in westlichen psychoanalytischen Zeitschriften.

Nachdem am 24. Juli 1942 beim deutschen Überfall auf die Sowjetunion die Stadt Rostow das 2. Mal eingenommen war, mussten sich die in Rostow lebenden Juden am 11./12. August 1942 in einem Schulgebäude versammeln und wurden dann zur Smijowskaja Balka (Schlangenschlucht) getrieben, wo sie erschossen wurden. Darunter waren auch die siebenundfünfzigjährige Sabina Spielrein und ihre beiden Töchter Renata, 29, und Eva, 16.

Werk

Sabina Spielrein hat sich in ihren psychoanalytischen Publikationen unter anderem mit schizophrenen Psychosen, Träumen und der Destruktion als Ursache des Werdens befasst. Zudem hat sie Tagebücher sowie Briefwechsel mit Freud und mit Jung hinterlassen, welche mittlerweile veröffentlicht sind und als wichtiges Dokument aus der Frühphase der Psychoanalyse gelten. Späte Würdigung erhielt ihr Leben durch den Dokumentarfilm Ich hieß Sabina Spielrein, der ihr auch tragisches Schicksal einem breiteren Publikum bekannt machte.

Quellen

  • Alexander Etkind: Eros des Unmöglichen. Die Geschichte der Psychoanalyse in Russland. Gustav Kiepenheuer Verlag, Leipzig 1996. ISBN 3-378-01006-1
  • Renate Höfer: Die Psychoanalytikerin Sabina Spielrein. 1. Teil. Christel Göttert Verlag, 2000. ISBN 3-922499-41-4
  • John Kerr: Eine höchst gefährliche Methode. Freud, Jung und Sabina Spielrein. München: Kindler, 1994 (aus dem Amerikanischen von Christa Broermann und Ursel Schäfer)
  • Wolfgang Martynkewicz: Sabina Spielrein und Carl Gustav Jung. Eine Fallgeschichte. Berlin: Rowohlt, 1999. ISBN 3-8713-4287-4
  • Sabine Richebächer: Bist mit dem Teufel du und du und willst Dich vor der Flamme scheuen? Sabina Spielrein und C.G. Jung: ein verdrängtes Skandalon der frühen Psychoanalyse. In: Thomas Sprecher: Das Unbewusste in Zürich. Literatur und Tiefenpsychologie um 1900. NZZ Verlag: Zürich 2000, pp 147-187. ISBN 3-85823-834-1
  • Sabine Richebächer: Sabina Spielrein – Eine fast grausame Liebe zur Wissenschaft. Biographie. Dörlemann Verlag, Zürich 2005. 400 S. ISBN 978-3-908777-14-4
  • Sabine Richebächer: "Ich sehne mich danach, mit Ihnen allen zusammenzukommen ..." - Ein Brief von Sabina Spielrein-Scheftel (Rostow am Don) an Max Eitingon vom 24. August 1927. In: Luzifer-Amor - Zeitschrift zur Geschichte der Psychoanalyse, 21. Jg., Heft 42, 2008, edition discord, Tübingen. ISSN 0933-3347
  • Sabina Spielrein: Sämtliche Schriften. Mit einem Vorwort von Ludger Lütkehaus. Gießen: Psychosozial-Verlag, 2002. ISBN 3-89806146-9
  • Sabina Spielrein: Tagebuch einer heimlichen Symmetrie - Sabina Spielrein zwischen Jung und Freud. Herausgegeben von Aldo Carotenuto mit einem Vorwort von Johannes Cremerius. Freiburg im Breisgau: Kore Verlag, Traute Hensch, 1986. ISBN 3-926023-01-5 (Original Italienisch:Diario di una segreta simmetria — Sabina Spielrein tra Jung e Freud. Roma: Astrolabio — Ubaldini, 1980) (aktualisierte Neuauflage Gießen: Psychosozial-Verlag, 2003 ISBN 3-89806-184-1)
  • 2002 hat die Regisseurin Elisabeth Márton den 90-minütigen Dokumentarfilm "Ich hieß Sabina Spielrein" gedreht.
  • Artikel in der Moskauer Deutschen Zeitung über Sabina Spielrein http://www.frdip.rsu.ru/de/MDZ.pdf

Weblinks

Buchrezensionen und -ankündigungen

Zum Dokumentarfilm "Ich hieß Sabina Spielrein" (2002–2003)

Verfilmung

Prendimi l'anima/ The Soul Keeper (2003) ist ein Film über das Verhältnis zwischen Sabina und Carl Gustav. Regie von Roberto Faenza, Sabina: Emilia Fox, Dr. Jung: Iain Glen.


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