Spielzeugkreisel

Spielzeugkreisel
Kreisel

Ein Kreisel ist ursprünglich ein Kinderspielzeug, das auf einer Unterlage um eine senkrecht gehaltene Achse gedreht wird und dann eine Weile in etwa die Achsrichtung beibehält, wobei der Kreisel auf der Unterlage umherwandert. In der Physik ist ein Kreisel ein (starrer) Körper, der um eine Achse rotiert, sich ansonsten frei bewegen kann oder auch an einem Achsenende oder beiden mehr oder weniger festgehalten wird. Kreisel müssen in der Physik nicht notwendigerweise rotationssymmetrisch sein.

Der Kreisel ist eines der ältesten Spielzeuge, welches an archäologischen Fundstellen anzutreffen ist. Neben dem Gebrauch des Spielzeugs wurden Kreisel historisch auch für Glücksspiele und für die Wahrsagung verwendet. In der Technik werden Kreisel beispielsweise zur Stabilisierung und Navigation genutzt, da die Richtung des Drehimpulses gleich bleibt, wenn keine Kraft auf sie wirkt. Der Grund dafür ist die Drehimpulserhaltung. Stimmt die Drehachse mit der Richtung des Drehimpulses zusammen, ändert sich auch diese nicht.

Als Kreisel oder auch Gyro (griechisch.), werden auch Messinstrumente bezeichnet, die ähnliche Aufgaben wie ein Kreiselinstrument wahrnehmen, auch wenn sie keinen rotierenden Kreisel enthalten. Beispiele sind Laserkreisel, Faserkreisel oder Vibrationskreisel.

Inhaltsverzeichnis

Physikalische Betrachtung

Ein Kreisel wird im Gyrotwister eingesetzt, um die Handmuskeln zu trainieren.

Im physikalischen Sinne ist ein rotierender starrer Körper ein Kreisel. Auch mathematisch betrachtet sind Kreisel rotierende feste Körper.

Das Verhalten des Spielzeugkreisels beruht auf dem gyroskopischen Effekt. Normalerweise wackelt der Kreisel zuerst, bis die Interaktion der Spitze und der Unterfläche den Kreisel in eine aufrechte Lage zwingt. Nach einer längeren aufrecht drehenden Phase lässt der Drehimpuls und demnach der gyroskopische Effekt allmählich nach. Dies führt zu einer sich steigernden Präzession, was schließlich in einer starken Kippneigung schleifend endet.

Bewegungsgleichungen

Die Bewegung des Kreisels entsteht durch die Drehimpulserhaltung. Der Drehimpuls ist ein Produkt aus Trägheitsmoment und Drehgeschwindigkeit des Kreisels. Wie die Masse gibt das Trägheitsmoment an, wie "schwer" es ist, die Drehbewegung zu ändern. Berechnet man die Änderung des Drehimpulses L durch dessen Ableitung nach der Zeit ergibt sich:

\dot \vec L= \bar I \cdot \dot \vec\omega = \vec M

Das heißt die Änderung des Drehimpulses \dot \vec L ist proportional zur Änderung der Winkelgeschwindigkeit \dot \vec\omega und gleich dem Drehmoment \vec M

Betrachtet man die einzelnen Komponenten der Vektoren, ergibt sich ein System von Differentialgleichungen, die nach ihrem Entdecker Leonhard Euler benannt sind. Siehe dazu auch den Hauptartikel Eulersche Gleichungen. Das Zeichen I steht in der Formel für den Trägheitstensor, einer "Sammlung" der Trägheitsmomente bei Rotation um verschiedene Achsen in einer Matrix. Es gibt zwei Achsen, bezüglich derer das Trägheitsmoment des Körpers maximal bzw. minimal ist, eine Rotation um diese Achsen ist stabil. Diese Achsen stehen immer senkrecht zueinander und bilden zusammen mit einer dritten, wiederum senkrecht auf beiden stehenden Achse die Hauptträgheitsachsen des Körpers. In einem von den Hauptträgheitsachsen aufgespannten Koordinatensystem ist der Trägheitstensor diagonal, was Rechnungen stark vereinfacht. Die zu den Hauptträgheitsachsen gehörenden Trägheitsmomente sind also die Eigenwerte des Trägheitstensors, sie heißen Hauptträgheitsmomente.

Einteilung und Eigenschaften

  • Bei einem symmetrischen Kreisel sind mindestens zwei Hauptträgheitsmomente gleich. Zu dieser Gruppe gehören die rotationssymmetrischen Spielzeugkreisel oder auch Quader mit zwei gleich langen Seiten. Eine seiner Hauptachsen fällt mit der Figurenachse zusammen, senkrecht dazu, durch seinen Schwerpunkt, hat er unendlich viele gleiche äquatoriale Hauptachsen. Das Trägheitsellipsoid eines symmetrischen Kreisels ist immer rotationssymmetrisch. Bei drei verschiedenen Hauptträgheitsmomenten spricht man von einem asymmetrischen Kreisel.
  • Bei einem sphärischen Kreisel sind alle drei Hauptträgheitsmomente gleich. Beispiele sind Würfel und Kugeln. Eine Kugel hat auch unendlich viele gleiche Hauptachsen.
  • Ein Kreisel ist kräftefrei, wenn auf ihn keine äußeren Drehmomente wirken, das heißt alle äußeren Kräfte außerhalb des Schwerpunkts müssen sich gegenseitig aufheben. Dazu muss der Auflagepunkt des Kreisels beispielsweise gerade unter dem Schwerpunkt des Kreisels liegen, als kardanische Aufhängung (Schwerpunkt im Mittelpunkt des Kardanrahmens), oder als Kleinscher Kreisel (Unterstützung unmittelbar im Schwerpunkt eines unten ausgehöhlten Kreiselkörpers). Die Bewegungsgleichungen für einen kräftefreien symmetrischen Kreisel sind leichter zu lösen als für einen schweren Kreisel. Seine Bewegung besteht im Allgemeinen aus der eigentlichen Drehung und einer Nutation. Bei der Nutation haben der Drehimpuls und die momentane Drehachse unterschiedliche Richtungen. Dazu kommt es, wenn das Trägheitsmoment richtungsabhängig ist (die Trägheitsmomente sind nicht alle gleich groß) und die Drehung nicht um die Achse eines Hauptträgheitsmomentes erfolgt. Ist der Kreisel nicht symmetrisch, kann es zu komplizierteren Bewegungen kommen.
  • Das Gegenteil ist der schwere Kreisel: Steht ein Spielzeugkreisel beispielsweise schräg, versucht die Schwerkraft ihn umzukippen. Da das dadurch entstehende Drehmoment senkrecht zum Drehimpuls steht, ändert der Drehimpuls nur seine Richtung, der Kreisel dreht sich um eine Achse die durch seinen Auflagepunkt senkrecht nach oben geht. Diese Drehung heißt Präzession. Die Bewegungsgleichungen sind hier nur näherungsweise (insbesondere für schnelle Kreisel) lösbar.

Beispiele für Kreisel

Knabe mit Tischkreisel

Das Spielzeug gibt es in zahlreichen Bauformen und Varianten:

Anwendung

Technische Anwendungen sind:

  • Gyroskop (Messung der Achse) und Gyrometer (Messung der Drehgeschwindigkeit)
  • Kreisel als Energiespeicher (siehe auch Schwungrad).
  • Das Levitron ist ein kreiselnder Magnet, der über einem gegensinnig gepolten, ringförmigen Magnetfeld in der Luft schwebt. Seine Kreiselbewegung verhindert, dass er kippt und vom Magnetring angezogen wird. Wikipediavideo
  • Der Kreiselkompass richtet sich, durch die Drehung der Erde, in Richtung Nordpol aus.

Anfang des 20. Jahrhunderts wurden Kreisel - z. B. der Musilsche Farbkreisel - zur Untersuchung der menschlichen Farbwahrnehmung eingesetzt.

Literatur

  • Felix Klein, Arnold Sommerfeld: Über die Theorie des Kreisels. Stuttgart: Teubner, 1965
  • Heinz Parkus: Mechanik fester Körper. 2. Auflage. Springer-Lehrbuch, Wien-Berlin 1966
  • H. Westphal: Physik. Ein Lehrbuch. 24. Auflage, Springer-Verlag Berlin-Heidelberg 1963, Kap.I und III
  • Renée Holler: Kreisel. Hugendubel, München 1989; ISBN 3-88034-401-9

Weblinks


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