- Sterbliche Überreste
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Unter einer Leiche oder einem Leichnam versteht man einen toten Körper. In Verwesung begriffene Leichen nennt man Kadaver. Der Begriff Leiche wird jedoch überwiegend nur für den toten menschlichen Körper verwendet, der Begriff Kadaver dagegen überwiegend für tote Tiere. In Teilen Österreichs und Süddeutschlands ist der Begriff Leich‘ auch für den Bestattungsvorgang inklusive dem anschließenden Leichenschmaus gebräuchlich.
Inhaltsverzeichnis
Recht
Totenfürsorge, öffentliches Recht
Die Totenfürsorge für eine menschliche Leiche obliegt in Deutschland den nächsten Angehörigen, soweit der Verstorbene gemäß seinem postmortalen Selbstbestimmungsrecht keine anderen Anordnungen getroffen hat. Sie besteht unabhängig von der rechtlichen Einordnung des Leichnams.
Durch die öffentliche Verwaltung können die Angehörigen zu den Kosten der Bestattung herangezogen werden, auch wenn sie weder Erben geworden sind (etwa nach Ausschlagung der Erbschaft) noch unterhaltspflichtig im Sinne des § 1615 Abs. 2 BGB sind. Die genauen Regelungen treffen die Bestattungsgesetze der Bundesländer.
Gleichzeitig besteht auch ein entsprechendes Recht zur Totenfürsorge, in das Dritte nicht eingreifen dürfen. Wer zur Totenfürsorge berechtigt ist, entscheidet etwa über die Art der Bestattung und den Ort der Beisetzung.
Das Gesetz trifft eine Reihe von Hygiene-Maßnahmen zum Schutz der Öffentlichkeit vor dem Leichnam. So existieren sogenannte Giftscheine ebenso wie Vorkehrungen für den Transport von Verstorbenen. So darf eine Leiche nur an einen anderen Ort als den vorgesehenen Bestattungsplatz befördert werden, nachdem das Ordnungsamt des Sterbeortes einen Leichenpass erstellt hat (siehe auch Bundesseuchengesetz, Infektionsschutzgesetz ).
Zivilrecht
Im Zivilrecht fällt der menschliche Leichnam unter den Begriff der Sache. Folglich kann Besitz an einer Leiche begründet werden (da es sich dabei lediglich um die Ausübung realer Herrschaftsmacht handelt) oder ein Abwehranspruch nach § 1004 BGB gegenüber störenden Eingriffen geltend gemacht werden. Es besteht aber, mit der Ausnahme von Anatomieleichen usw., kein Eigentumsrecht an einer Leiche - der Mensch ist auch nach dem Tod sein "eigener Herr".
Diese Aussagen sind in der Rechtswissenschaft freilich nicht unumstritten. Insbesondere wird die Auffassung vertreten, dass sich die Einordnung als Sache verbiete und die sachenrechtlichen Grundsätze (Besitz und dergleichen) wie bei Tieren nur entsprechend anzuwenden seien. Für Tiere findet sich diese Regelung in § 90a Satz 3 BGB. Eine gesetzliche Regelung z.B. über die Verwendung von Leichen in der Wissenschaft besteht nicht.
Strafrecht
Der Leichnam eines Menschen ist im Sinne des Strafgesetzbuches keine bloße Sache, da die Menschenwürde auch über den Tod hinaus wirkt. Nach anderer Ansicht handelt es sich zwar um eine Sache, die aber nicht eigentumsfähig ist. Jedenfalls ist eine Leiche kein taugliches Tatobjekt für einen Diebstahl oder eine Sachbeschädigung. Als Straftat kommt insofern nur die Störung der Totenruhe in Betracht.
Eine Ausnahme besteht, wenn eine Leiche zu Forschungs- oder Ausstellungszwecken verwendet wird und daher nicht mehr für eine Bestattung vorgesehen ist.
Eine Leiche kann im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens sichergestellt, nicht jedoch beschlagnahmt werden, da der Betroffene keinen Widerspruch einlegen kann und kein Eigentum am Leichnam vorliegen kann (demnach ist auch keine Eigentumsübertragung möglich).
Kultursoziologisches zur Leiche
Die Eigentümlichkeit einer Leiche kann mit dem Paradox der gleichzeitigen An- und Abwesenheit eines Menschen im Tod beschrieben werden (vgl. Thomas Macho, 1987). Ihre Gegenwart ist daher von einer ambivalenten Atmosphäre geprägt, die An- und Abwesenheit des Menschen im Tod kann zugleich Vertrautheit und auch Unbehagen erwecken.
Die Leiche ist dem Bild als körperlicher Doppelgänger ähnlich, denn was die Lebenden sehen, ist nur ein Hinweis auf ein fehlendes und bedeutungsvolleres Konzept oder Bild. Darüber hinaus beobachtet Elisabeth Bronfen (vgl.1992) eine Ambivalenz in Bezug auf Bilder von sterbenden Körpern. Sie verdecken oder verbergen etwas, das offen zu artikulieren zu gefährlich wäre, dennoch zu faszinierend, um es erfolgreich zu unterdrücken. Ihre Beobachtung gleicht der Argumentation Ariès, dass in der abendländischen Kultur der Tod fremd wird, aber gerade daher faszinierend bleibt und Neugierde weckt (vgl. Philippe Ariès, 1981). Anblicke von Körpern, wenn sie sich durch Tod oder Zerfall aufzulösen beginnen, erwecken aber auch starke Erinnerungen an die Zeichen für Gebrechlichkeit, Verwundbarkeit und Sterblichkeit (vgl. Elizabeth Hallam, 1999, 140f). Körperliche Umwandlungen werden durch den Verlauf der Zeiten offensichtlich. Die Umwandlungen erregen Ängste um die Vollständigkeit des Körpers, wenn die Zerstörung sichtbar wird.
Die Kontrolle und die Disziplinierung des Körpers als Bedingung für die Wahrung der Selbst-Identität sind nach Hallam für die moderne westliche Gesellschaft von großer Bedeutsamkeit (vgl.Hallam, 1992). Im Gegenzug dazu werden sterbenden und toten Körpern beängstigende Eigenschaften zugesprochen. Die toten Körper offenbaren Prozesse, die die Verfolgung von Idealen behindern, die auf der Kontrolle der körperlichen Grenzen beruhen, d.h. sie symbolisieren vor allem Unstimmigkeit, Störung und Sterblichkeit und damit den Verlust der Identität (vgl. Elisabeth Bronfen, 1992).
Leichen in den Medien
Seit 2000 treten vermehrt amerikanische Fernsehserien hervor, die die Toten nicht nur als Ausgangspunkt für Ermittlungen betrachten, sondern in denen im Verlauf von Ermittlungen, Untersuchungen oder Bestattungen konkret an der Leiche gearbeitet wird. Das Besondere an diesen aktuellen Serienphänomenen ist die explizite Fokussierung auf den Tod, tote Körper und das Sterben. Detaillierte Beweisaufnahmen am toten Körper oder das Nachstellen des Tatherganges und des konkreten Sterbemoments bezeugen die Spurensuche. Die Toten stehen im Mittelpunkt, körperliche Zeugenaussagen und thanatologische Maßnahmen bestimmen die Szenerie. Im Zuge dieser medialen Entwicklungen verändert sich die Sichtbarmachung von Todesbildern durch die Kopplung von Verwissenschaftlichung und Ausdifferenzierung der Repräsentation von toten Körpern. (vgl. Tina Weber, 2007)
Die amerikanischen Serien sind z.B. Six Feet Under, CSI: Las Vegas (und Spin-offs wie CSI Miami, CSI New York, Navy CIS), Medical Detectives, Crossing Jordan, Tru Calling – Schicksal reloaded!, Dr. G. Beruf Gerichtsmedizinerin oder Bones - Die Knochenjägerin. Deutsche Serien mit ähnlichem Format sind u.a. Die Kuckelkorns - Ein Leben für den Tod, Post Mortem und R. I. S. – Die Sprache der Toten.
Kommerzialisierung des Umgangs mit Leichen
Seit 1996 hat der Anatom Gunther von Hagens mit seiner Ausstellung Körperwelten Leichen öffentlich zur Schau gestellt, die zuvor mit dem Verfahren der Plastination haltbar gemacht wurden. Im Jahre 2008 lässt von Hagens juristisch prüfen, ob Teile seiner Sammlung kommerziell verwertet werden, also an jedermann verkauft werden dürfen. Dabei ist an die Veräußerung von Scheibenschnitten bestimmter Körperteile ab Preisen von 250 Euro oder auch an Längsschnitte eines Körpers für ca. 12.000 Euro gedacht. [1]
Literatur
- Mary Roach: Stiff. The Curious Lives of Human Cadaver. New York, London 2003
- Cedric Mims: When we die. The Science, Culture, and Rituals of Death. New York 1998
- Mary Bradbury: Representation of Death. A social psycholical Perspective. Routledge 1999
- Elizabeth Bronfen: Die schöne Leiche: Weiblicher Tod als motivische Konstante von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis in die Moderne. 1987
- Elisabeth Bronfen: Over her dead body. Death, Femininity and the Aesthetic. Manchester and New York 1992
- Norbert Fischer: Vom Umgang mit toten Körpern. In: Liselotte Hermes da Fonseca/Thomas Kliche (Hg.): Verführerische Leichen – verbotener Verfall. „Körperwelten“ als gesellschaftliches Schlüsselereignis. Lengerich 2006, S. 113-124.
- Liselotte Hermes da Fonseca/Thomas Kliche (Hg.): Verführerische Leichen – verbotener Verfall. „Körperwelten“ als gesellschaftliches Schlüsselereignis. Lengerich 2006
- Christian Lenk und Nils Hoppe: Ein Modell zur Konstitution von Nutzungsrechten an menschlichem Gewebe und Körpermaterialien. In: Jochen Taupitz (Hrsg.): Kommerzialisierung des menschlichen Körpers. Springer 2007, S. 199-212
- Thomas Macho: Todesmetaphern – zur Logik von Grenzerfahrungen. Frankfurt/M. 1987
- Elisabeth Hallam: Beyond the body: Death and social Identity. Routledge 1999
- Norbert Stefenelli (Hrsg.): Körper ohne Leben. Begegnung und Umgang mit Toten. Wien 1998
- Tina Weber: Filmische Codierungen des Todes. In: Thomas Macho und Kristin Marek (Hrsg.):Die neue Sichtbarkeit des Todes., Fink Verlag, München 2007
- Friedrich Casimir Medicus: Vorlesung Ueber die unverweslichkeit menschlicher körper. In: Historia et commentationes Academiae electoralis ... Theodoro-Palatina, Bd. 2, Mannheim 1770, S. 309ff. (Digitalisat)
Quellen
Weblinks
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