- Stettiner Maschinenbau Actien-Gesellschaft Vulcan
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Die 1857 gegründete Stettiner Maschinenbau Actien-Gesellschaft Vulcan in Bredow bei Stettin war ein Pionier neuzeitlichen eisernen Schiffsbaus und lange Jahre sowohl im zivilen als auch im militärischen Schiffbau eine der führenden Werften in Deutschland, auf der die seinerzeit größten und schnellsten Passagierschiffe der Welt gebaut wurden. Zusätzlich wurden über 4000 Lokomotiven gebaut.
Als Tochterunternehmen wurde 1905 die Werft A.G. Vulcan Hamburg gegründet. Ab ca. 1913 wurde die Schreibweise Vulkan verwendet.
Beide Vulkan-Standorte wurden 1926 von der Deutschen Schiff- und Maschinenbau Aktiengesellschaft (Deschimag) übernommen. Der Stettiner Betrieb wurde 1928 von der Deschimag geschlossen und die Hamburger Werft 1929 an die Howaldtswerke AG verkauft.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
1851 wurde von den Hamburger Ingenieuren Früchtenicht und Brock in dem kleinen Ort Bredow bei Stettin die Schiffswerft und Maschinenfabrik Früchtenicht & Brock gegründet. Das erste Schiff war ein unter primitiven Bedingungen am Oderstrand gebauter 35 Meter langer eiserner Raddampfer mit Namen Die Dievenow für die Stettiner Reederei J.F. Braeunlich, der in der Schifffahrt auf dem Oderhaff zwischen Stettin und Swinemünde eingesetzt wurde. Es folgten eine Reihe kleinere Schiffseinheiten, währenddessen das Werksgelände kontinuierlich erweitert und ausgebaut wurde.
1856 geriet das Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten. Eine Gruppe von Investoren, Unternehmern und Politikern aus Stettin und Berlin stiegen daraufhin in das Unternehmen ein und gründeten 1857 die Stettiner Maschinenbau Actien-Gesellschaft Vulcan.
Bald darauf geriet auch dieses Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten. Als Ausweg sah man den Einstieg in den Lokomotiv-Bau, und so wurde 1859 die erste Lokomotive ausgeliefert. Zur Unterscheidung zum Werftbetrieb diente fortan der Zusatz Abteilung Locomotivbau in Bredow bei Stettin.
Das gut laufende Geschäft erlaubte die Erweiterung und den Ausbau des Werksgeländes. In der Folgezeit bildete sich eine Teilung des Geländes in „Unterhof" und „Oberhof" heraus. Der Unterhof an der Oder war für den Schiffbau zuständig, während im Oberhof die Motoren und Lokomotiven gefertigt wurden.
1867 begannen die militärischen Aktivitäten. 1876 wurde die Panzerkorvette Preußen erbaut und etwa drei Jahre später entstand auf der Werft unter der Leitung des damaligen Direktors Rudolph Haack das erste auf einer deutschen Werft gebaute ausschließlich motorbetriebene Panzerschiff, die Sachsen.
1880 erhielt die Werft das erste Schwimmdock, doch bereits 1883 wurde ein Teil der Werftanlagen durch ein Großfeuer zerstört. Anlass genug, die Werft zu modernisieren und durch Zukauf von Gelände zu erweitern, zusätzlich zu drei existierenden Helgen wurden vier weitere größere erstellt.
Bredow wurde 1900 nach Stettin eingemeindet und die Vulcan-Werke waren mit über 7.000 Mitarbeitern zu dieser Zeit eines der größten privaten Unternehmen in Deutschland. Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden immer größere Docks auf dem Gelände des Unterhofs. Schließlich wurden in Stettin Schiffe mit solch großem Tiefgang gebaut, die nur mühsam die flache Oder bis zur Ostsee hinunter kamen oder mit Hilfe von Schwimmpontons, die an den Seiten der Schiffe angebracht wurden, auf die offene See bei Swinemünde überführt werden mussten. Dieses Verfahren war kompliziert und risikoreich, passierten doch trotz größter Vorsichtsmaßnahmen gelegentlich immer wieder Grundberührungen. Mit der 24.581 BRT großen Kaiserin Auguste Victoria für die HAPAG und der 25.570 BRT großen George Washington für den Norddeutschen Lloyd wurden 1906 die größten Schiffe der Stettiner Werft erbaut. Damit war die Grenze der Schiffsgröße in Stettin erreicht.
Um weiter im Großschiffbau tätig sein zu können, wurde 1905 beschlossen, in Hamburg ein Tochterunternehmen zu gründen. Die Arbeiten begannen 1907 und im Juni 1909 wurde die Werft am Rosshafen in Hamburg-Steinwerder von Kaiser Wilhelm II. persönlich eingeweiht. Zu Beginn existierten zwei Helgen, auf denen 1910 mit dem Passagierschiff Imperator und dem Linienschiff Friedrich der Große die ersten Neubauten begonnen wurden. Weiterhin gab es bereits zwei Schwimmdocks.
1911 wurde Hamburg zum Hauptsitz des Unternehmens, was auch eine Änderung des Namens in Vulcan-Werke Hamburg und Stettin Actiengesellschaft zur Folge hatte.
Die Zahl der Arbeiter und Angestellten stieg im Laufe der Zeit stark an. 1870 hatte der Vulcan eine Belegschaft von 1.800 Mitarbeitern, 1909 waren es bereits 8.000 und Ende des ersten Weltkrieges dann etwa 20.000 zusammen an beiden Standorten.
Zwischen 1871 und 1911 sind insgesamt 110 Kriegsschiffe gebaut worden, darunter eine große Anzahl für die chinesische[E 1], japanische, russische und griechische Marine. Während des Ersten Weltkriegs waren die Vulkan-Werften weitgehend mit Rüstungsaufträgen für die Kaiserliche Marine beschäftigt; die Hamburger Werft ausschließlich im Bau von Kriegsschiffen.
In der Nachkriegszeit konnte beide Vulkan-Standorte nicht mehr an die Vorkriegserfolge anknüpfen, weil der Bau von Kriegsschiffen durch den Versailler Vertrag untersagt war. 1926 bis 1928 wurden die Vulkan-Werke Teil der Deutschen Schiff- und Maschinenbau AG (Deschimag). Die Sparte Lokomotivbau wurde gänzlich abgetrennt und ging 1928 an Borsig in Berlin. Insgesamt wurden im Stettiner Vulkan-Werk 4.002 Lokomotiven gebaut.
Die Werft in Stettin wurde 1928 geschlossen, der schiffbauliche Teil des Hamburger Betriebes wurde Ende 1929 an die Howaldtswerke AG verkauft, der östliche Teil des Werftareals wurde 1930-31 abgeräumt. Mit dem Stettiner und Hamburger Vulkan verschwanden damit zwei große Namen der deutschen Schiffbaugeschichte. 1939 wurde der Versuch gemacht, durch eine Neugründung auf dem alten Vulkan-Gelände in Stettin-Bredow den Schiffbau wieder aufzunehmen. Bis 1945 wurden insgesamt 34 Schiffe, hauptsächlich U-Boote, gebaut, aber nur teilweise fertiggestellt.
Schiffe der Vulcan-Werft Stettin (Auswahl)
(Jahreszahlen beziehen sich auf Stapellauf/Indienststellung)
- 1872-74, Spierentorpedodampfer Notus, Zephir und Rival für die Kaiserliche Marine
- 1876, Bau Nr. 66, Panzerkorvette Preußen
- 1877/1878, Bau Nr. 77, Kreuzerkorvette Stosch der Bismarck-Klasse für die Kaiserliche Marine, 1907 abgewrackt. Hierbei handelte es sich um als Vollschiffe getakelte Korvetten mit zusätzlicher Expansionsmaschine, bewaffnet mit 10 x 15-cm-Ringkanonen und 2 x 8,8-cm-Schnellfeuerkanonen
- 1877/1878, Bau Nr. 74, Panzerschiff Sachsen; insgesamt 4 Schiffe der Sachsen-Klasse für die Kaiserliche Marine
- 1880, Bau Nr. 88, Glattdeckskorvette Olga für die Kaiserliche Marine
- 1882, Bau Nr. 114, Passagierdampfer Rugia für die Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actien-Gesellschaft (HAPAG), 1905 abgewrackt
- 1883, Bau Nr. 100, Panzerschiff Ting Yuen für die Kaiserlich-Chinesische Marine, Im Ersten Japanisch-Chinesischen Krieg 1895 von japanischen Torpedobooten versenkt
- 1884/1885, Bau Nr. 132, Panzerschiff Oldenburg für die Kaiserliche Marine
- 1891/1892, Linienschiffe Brandenburg und Weißenburg der Brandenburg-Klasse für die Kaiserliche Marine
- 1895, Bau Nr. 217, Passagierdampfer Palatia für die HAPAG, 1920 als russische Norodovoletz in Petrograd gekentert, 1925 abgewrackt
- 1896/1898, Bau Nr. 235, Großer Kreuzer Hansa für die Kaiserliche Marine
- 1896/1896, Bau Nr. 231, Passagierdampfer Friedrich der Große für den Norddeutschen Lloyd (NDL) in Bremen war das erste über 10.000 BRT große Passagierschiff Deutschlands, 1917 von USA beschlagnahmt, 1922 vor Los Angeles in Brand geraten, danach Wrack versenkt
- 1895/1897, Bau Nr. 234, Schnelldampfer Kaiser Wilhelm der Große für den NDL.
- 1899, Bau Nr. 241, Passagierdampfer Patricia für die HAPAG, ab 1919 US-Truppentransporter,1921 in England abgewrackt
- 1900/1900, Bau Nr. 244, Schnelldampfer Deutschland für die HAPAG, ab 1909 umfangreiche Umbauarbeiten und aus Wirtschaftlichkeitsgründen Reduzierung der Antriebsleistung von 37.800 PSi auf 15.000 PSi; 1911 Umbenennung in Victoria Louise, 1914 Umrüstung zum Hilfskreuzer, wegen zu geringer Antriebsleistung jedoch nicht eingesetzt; 1921 erneute Umbenennung in Hansa
- 1901, Passagierdampfer Kronprinz Wilhelm für den NDL
- 1901, Bau Nr. 248, Linienschiff Mecklenburg der Wittelsbach-Klasse für die Kaiserliche Marine
- 1902/1903, Bau Nr. 250, Schnelldampfer Kaiser Wilhelm II für den NDL.
- 1903, Bau Nr. 257, Kanonenboot Eber der Iltis-Klasse für die Kaiserliche Marine
- 1903/04, Kleine Kreuzer Hamburg und Lübeck der Bremen-Klasse für die Kaiserliche Marine, die Hamburg wurde 1944 durch Fliegerbomben versenkt und 1956 abgewrackt; die Lübeck wurde 1920 an England ausgeliefert und 1922/23 abgewrackt
- 1905, Linienschiff Pommern der Deutschland-Klasse für die Kaiserliche Marine
- 1905/1906, Bau Nr. 264, Passagierdampfer Kaiserin Auguste Victoria für die HAPAG
- 1907, Leichter Kreuzer Stettin der Königsberg-Klasse für die Kaiserliche Marine
- 1908/10, Linienschiff Rheinland der Nassau-Klasse für die Kaiserliche Marine, 1921 in Holland abgewrackt
- 1922/1923, Bau Nr. 669, Passagierdampfer München für den NDL, ab 1931 General von Steuben, ab 1938 nur noch Steuben; 1945 als Lazarettschiff von sowjetischem U-Boot versenkt; ca. 3.000 Tote
Schiffe der Vulcan-Werft Hamburg (Auswahl)
- 1911/1912, Bau Nr. 310, Linienschiff Friedrich der Große der Kaiser-Klasse für die Kaiserliche Marine, von 1912 bis 1916 Flottenflagschiff, 1916 Teilnahme an der Skagerrak Schlacht, 1919 in Scapa Flow selbstversenkt, 1936 gehoben und verschrottet
- 1912/1913, Bau Nr. 314, Schnelldampfer Imperator für die HAPAG, die Imperator war mit 52.117 BRT seinerzeit das größte Schiff der Welt, 1914 in Hamburg aufgelegt, 1919 als Transporter an die US-Navy ausgeliefert, 1938 in New York teilweise ausgebrannt und danach abgewrackt
- 1913/1914, Bau Nr. 334, Passagierdampfer Cap Trafalgar für die Hamburg-Südamerikanische Dampfschiffahrts-Gesellschaft (Hamburg-Süd), 1914 zum Hilfskreuzer umgerüstet, noch im selben Jahr vor Trinidad vom britischen Hilfskreuzer Carmania versenkt
- 1915 bis 1918, Bau von insgesamt 68 U-Booten der Typen UC, UB und UE
- 1915, Bau von 25 Torpedobooten für die Kaiserliche Marine
- 1915 – 1916, Bau von 9 Zerstörern für die Kaiserliche Marine
- 1917, Bau Nr. 386, Linienschiff (Schlachtschiff) Württemberg, nicht mehr fertiggestellt
- 1922, Kombischiff Cap Norte für die Hamburg-Süd
Literatur
- Armin Wulle: Der Stettiner Vulcan. Koehlers Verlagsgesellschaft mbH, Herford 1989, ISBN 3-7822-0475-1.
- Dieter Grusenick: Lokomotivbau bei der Stettiner Maschinenbau AG Vulcan. Verlag B. Neddermeyer VBN, Berlin 2006
- Arnold Kludas: Die Geschichte der Deutschen Passagierschiffahrt 1850 - 1990. Ernst Kabel Verlag GmbH, Hamburg 1986
- Christian Ostersehlte: Von Howaldt zu HDW. Koehlers Verlagsgesellschaft mbH, Hamburg 2004, ISBN 3-7822-0916-8.
Einzelnachweise
- ↑ Hans Georg Prager: Vulcan. Schmiede der Kaiserlich-Chinesischen Marine. In: Die Pommersche Zeitung. Nr. 15/2009, S. 16.
Weblinks
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