Steuerparadies

Steuerparadies

Als Steueroasen werden Staaten oder Gebiete bezeichnet, die keine oder besonders niedrige Steuern auf Einkommen oder Vermögen erheben und so für Kapital aus Ländern mit höheren Steuersätzen attraktiv sind. Der Ausdruck Steueroase ist je nach Herkunft ein subjektiver Begriff, von dem keine allgemein anerkannte Definition existiert. Die Bedeutung ist abhängig vom politischen Lager des Verwenders und führt häufig zu Kontroversen und staatlichen Dissonanzen. Die Bezeichnung Offshore-Finanzplatz unterstreicht stärker regulatorische Besonderheiten: Die Bankenaufsicht ist liberal und es wird Wert auf Diskretion gelegt.

Inhaltsverzeichnis

Charakteristika

Steueroasen sind in den meisten Fällen kleine Länder, die im Verhältnis zu den dort stattfindenden finanziellen Transaktionen und dem vorhandenen Kapital eine geringe Wirtschaftsaktivität aufweisen. Oft handelt es sich um ehemalige Dependenzen Großbritanniens. Typisch für Steueroasen ist eine hohe Anzahl von Briefkastenfirmen.[1] Durch niedrige Steuersätze, liberale Wirtschaftspolitik und durch ein gehütetes Bankgeheimnis wird ausländisches Kapital angelockt. Wichtig sind aber auch politische Stabilität, durch die etwa die Sicherheit des angelegten Kapitals gewährleistet wird, und Good Governance („Gute Regierungsführung”, d.h. effiziente Verwaltungsstrukturen, niedrige Korruption etc.) [2].

Methoden der Nutzung

Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, die eigene Steuerlast unter Nutzung von Steueroasen zu optimieren. Allen gemeinsam ist das Ziel, Einkommen, das in Hochsteuerländern erzielt wird, nicht dort versteuern zu müssen.

Privatpersonen können durch Verlagerung ihres Wohnsitzes Steuerzahlungen entgehen, siehe Boris Becker, Michael Schumacher, Stefanie Graf. Der Anteil der verlagerten Einkommen von Privatpersonen wird in den USA auf etwa 10 % der gesamten verlagerten Einkommen geschätzt[2].

Für Unternehmen gibt es viele Wege, anfallende Gewinne zu verschieben:

  • Das Unternehmen kann eine Tochterfirma für seine Auslandsgeschäfte in einer Steueroase gründen, um so Steuern auf repatriierte Gewinne zu vermeiden.
  • Das Unternehmen kann Investitionen in Hochsteuerländern mit Krediten von Töchtern finanzieren, die in Niedrigsteuerländern angesiedelt sind. Es fallen so im Hochsteuerland keine (oder weniger) Gewinne an, da Zinszahlungen an die Tochter zu leisten sind.
  • Leistungen, die innerhalb eines Konzerns erbracht werden, können so verbucht werden, dass Gewinne aus Hochsteuerländern abgezogen werden. Zum Beispiel kann das Verwertungsrecht an einem Patent in einer Steueroase liegen und das inländische Unternehmen zahlt dafür Lizenzgebühren an seine ausländische Tochter. Dies ist ein legaler Vorgang, solange marktübliche Preise gezahlt werden; ob das der Fall ist, ist allerdings schwer zu überprüfen, da ein Markt dafür nicht existiert.

Problematik von Steueroasen

Als problematisch wird bei Steueroasen gesehen, dass sie größere Staaten in einen Wettbewerb um niedrige Steuern verwickeln. Während diese ein komplexes Gemeinwesen aufrechterhalten sowie Infrastruktur zur Verfügung stellen und damit Maßnahmen treffen, die für ein reibungsloses Funktionieren des Wirtschaftslebens und damit der Weltwirtschaft unverzichtbar sind, halten sich Steueroasen aus diesen Bereichen heraus, profitieren aber vom Funktionieren der Weltwirtschaft. Die NGO Tax Justice Network schätzt die durch Offshore-Finanzplätze entgangenen Steuereinnahmen auf weltweit etwa 255 Mrd. $ pro Jahr[3]. Die entgangenen Steuereinnahmen der USA werden auf etwa 70 Mrd. $ geschätzt[4].

Andererseits wird argumentiert, dass Steueroasen Druck auf die umliegenden Gebiete ausüben, ihre Steuern nicht zu sehr zu erhöhen, und sie so einen Nutzeffekt für die Bürger dieser Gebiete auch dann haben, wenn diese sich nicht der Steueroasen bedienen, um ihre Steuerlast zu senken.

Initiativen

Staatliche Initiativen

Als Reaktion auf die Steuerproblematik startete die OECD (zusammen mit einigen anderen Initiativen zur Regulierung von Offshore-Finanzzentren) im Jahr 1998 die sogenannte „Harmful Tax Competition” Initiative. Es wurden insgesamt 41 Länder identifiziert, deren Steuergesetzgebung offensichtlich nicht konform mit einem fairen Wettbewerb war. Probleme gab es beim Start der Initiative, weil die OECD-Mitglieder Schweiz, Österreich, Belgien und Luxemburg ihr Bankgeheimnis gefährdet sahen. Nachdem die Forderungen etwas gelockert worden waren, konnten allerdings die meisten identifizierten Länder zum Einlenken bewegt werden: Im Juli 2008 befanden sich noch Andorra, Liechtenstein und Monaco auf der „OECD-List of Uncooperative Tax Havens”.[5]

Regulierungserfolge im Bereich des Steuerwettbewerbs wurden auch durch bilaterale Verträge erreicht. Vor allem die USA und die EU können in ihren wirtschaftlichen Einflussbereichen kleinere Länder zur Kooperation nötigen. Zum Beispiel wurden manche Länder gezwungen, ihre Ungleichbehandlung von In- und Ausländern aufzugeben (Inländer mussten höhere Steuern entrichten als Ausländer) was aber in einigen Fällen nicht zu höheren Steuern für Ausländer führte, sondern Inländern niedrigere Steuersätze bescherte.[6]

Im Jahr 2005 wurde die Europäische Richtlinie zur Zinsbesteuerung eingeführt, die allerdings wie auch die anderen Initiativen zur Bekämpfung von Steuerflucht kein durchschlagender Erfolg war. Die blockierenden Länder waren wiederum die Schweiz, Luxemburg, Belgien und Österreich, die durchsetzten, dass statt des Austausches von Informationen (Meldeverfahren) alternativ auch eine Quellensteuer auf Kapitalerträge abgeführt werden konnte. Da die Definition von „Kapitalerträgen” sehr eng gefasst war, ist die abgeführte Quellensteuer der betreffenden Länder bisher sehr gering (210 Mio. € bis 2007).[6]

Die deutsche Bundesregierung hat mit dem Strafbefreiungserklärungsgesetz den Versuch unternommen, Steuerflüchtlinge dazu zu motivieren, nach Deutschland zurückzukehren, und ihnen Straffreiheit zugesichert.

Im Oktober 2008 kündigten die französische und die deutsche Regierung in Paris an, die Maßnahmen zur Austrocknung von Steueroasen zu verschärfen. Die derzeit gültige „OECD-List of Uncooperative Tax Havens” mit Andorra, Liechtenstein und Monaco sollte um weitere Länder, unter anderem die Schweiz, ergänzt werden. Die deutsche Bundesregierung plant das deutsche Steuerrecht zu ändern, um Geschäftsbeziehungen zu Ländern zu erschweren, die die OECD-Grundsätze nicht gewährleisten. So soll zukünftig die Steuerbefreiung für Dividenden von Unternehmen in unkooperativen Staaten ausgesetzt werden. [7]

Im März 2009 lenken die Steueroasen Liechtenstein und Andorra ein. So will Liechtenstein sein striktes Bankgeheimnis teilweise aufheben und die OECD-Standards für Transparenz und Informationsaustausch in Steuerfragen akzeptieren. [8] Am 13. März 2009 sagten auch Österreich, die Schweiz und Luxemburg eine Lockerung des Bankgeheimnisses zu.[9]

Am 14. März 2009 bestätigte auch der belgische Finanzminister, dass sich Belgien ab 2010 dem europäischen automatischen Informationsaustausch über Zinseinkünfte von Unionsbürgern anschließen werde. Monaco bekundete am 15. März 2009 seine Bereitschaft, die Zusammenarbeit im Bereich der Steuerhinterziehung gemäß den internationalen Kriterien zu verbessern. Das betreffe vor allem die Regeln der internationalen Wirtschaftsorganisation OECD für den Austausch von Informationen.

Nichtstaatliche Initiativen

Globalisierungskritische Organisationen wie attac, Oxfam und das Tax Justice Network fordern seit langem die „Schließung” von Steueroasen, also international verbindliche Absprachen unter Staaten, dass nirgends Reiche steuerfrei leben können. Da aber gerade die Klein- und Kleinststaaten unter den Steueroasen ohne ihren Status als Oasen nur sehr schwer ihre Unabhängigkeit bewahren könnten und im Übrigen viele Großkonzerne, Wirtschaftsführer und insbesondere auch politische Entscheidungsträger der führenden Wirtschaftsnationen selbst zu den Nutznießern dieser Oasen zählen, ist dies politisch sehr schwer durchsetzbar.

Bekannte Steueroasen

Da der Status einer Steueroase nicht eindeutig definiert ist, ist ein Konsens über eine Aufzählung von Steueroasen nicht möglich. Die in diesem Artikel aufgeführten Listen werden deshalb je nach Sichtweise Länder enthalten, die nicht hineingehören oder es werden Länder bzw. Regionen fehlen (häufig genannt: der US-Bundesstaat Delaware). Um diesem Problem wenigstens teilweise Rechnung zu tragen sind im Folgenden zwei Listen aufgeführt.

Steueroasen 2000-2002

Hier kann deshalb nur eine beispielhafte Auswahl von Ländern genannt werden, die in zwei Quellen als Steueroasen bezeichnet werden. Bekannte Steueroasen sind (nach OECD[10] und Diamond und Diamond[11] ):

* - nur in der Liste der OECD enthalten [10]

** - nur in der Liste von Diamond und Diamond enthalten [11]

Einteilung nach Umsetzung der OECD-Standards (2009)

Im Rahmen des G 20-Gipfeltreffens in London einigten sich die Regierungschefs auf die Veröffentlichung einer neuen Liste durch die OECD, aufgrund der Umsetzung der OECD-Standards in Bezug auf Einkommen- und Vermögensteuern.[12][13] Dabei wurde diese Liste in vier Teile kategorisiert:[14]

Staaten, die sich dem internationalen Steuerstandard verpflichtet haben und diesen weitgehend umgesetzt haben. (sogenannte Weiße Liste):

a Volksrepublik China: Ohne die speziellen Verwaltungsgebiete, die sich dem internationalen Steuerstandard verpflichtet haben.


Staaten, die sich weitgehend dem internationalen Steuerstandard unterworfen haben, diesen aber noch nicht umgesetzt haben (sogenannte Graue Liste):

Steueroasen b:

b Diese 30 Staaten wurden im Jahr 2000 als Steueroasen nach Definition des OECD-Berichts von 1998 eingestuft.


Andere Finanzzentren:


Staaten, die sich nicht dem internationalen Steuerstandard verpflichtet haben und offiziell als Steueroasen gelten (sogenannte Schwarze Liste):

Am 7. April 2009 gab die OECD bekannt, dass sich die vier oben genannten Staaten, Costa Rica, Malaysia, Philippinen und Uruguay, dem internationalen Steuerstandard verpflichtet haben und sie bis Ende 2009 ein Gesetz zu dessen Umsetzung vorschlagen werden. Die vier Länder wurden damit von der sogenannten Schwarzen Liste gestrichen und in die sogenannte Graue Liste aufgenommen. Damit haben sich laut OECD-Generalsekretär José Ángel Gurría sämtliche vom OECD Global Forum beobachteten Staaten dem internationalen Standard in Bezug auf Einkommen- und Vermögensteuern verpflichtet. [15]

Kritik an Einteilung in Steueroasen

Gegenüber der Einteilung in Steueroasen kommt hinsichtlich der Kriterien Kritik aus den betroffenen Ländern auf, da in den OECD Listen gewisse Länder nicht bzw. in einer "weissen" Kategorie auftauchen. So zählen die britischen Kanalinseln trotz ihrer Trustgesetzgebung und einige US-Bundesstaaten, nach einem Artikel der schweizer Wochenzeitung Weltwoche, zu bekannten Plätzen der internationalen Geldwäscherei. Offenbar war die wirtschaftliche Macht dieser Länder aber ein Grund nicht gegen diese Zentren vorzugehen, obwohl Schätzungen allein für den US-Bundesstaat Delaware von ca. 6.000 MRD USD an verwalteten Vermögen ausgehen[16].

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Daniel Schönwitz: „Wo Palmen und Steuervorteile locken” In: Handelsblatt
  2. a b Dharmapala, Dhammika und Hines Jr., James R. (2006) Which Countries Become Tax Havens?
  3. TJN (2005) The Price of Offshore
  4. The Economist (2007) Places in the sun
  5. OECD (2008) List of Uncooperative Tax Havens
  6. a b The Economist (2007) All together now
  7. Tagesschau:Steinbrück droht der Steueroase Schweiz
  8. Süddeutsche:Steuerstreit: Liechtenstein und Andorra geben nach
  9. ORF: Der Spagat beim Bankgeheimnis vom 14. März 2009.
  10. a b OECD (2000) 2000 Progress Report: Towards Global Tax Co-operation: Progress in Identifying and Eliminating Harmful Tax Practices
  11. a b Liste nach: Diamond, W. H. und Diamond, D. B. (2002) Tax Havens of the World. Matthew Bender Books. nach: Dharmapala, Dhammika und Hines Jr., James R. (2006) Which Countries Become Tax Havens?
  12. OECD-Standards: „Articles of the Model Convention with respect to taxes on income and Capital“
  13. OECD, Centre for Tax Policy and Administration, 2. April 2009
  14. OECD, 2. April 2009: „A Progress Report on the Jurisdictions surveyed by the OECD Global Forum in Implementing the Internationally agreed Tax Standard“
  15. OECD, 7. April 2009: „Four more countries commit to OECD tax standards“
  16. Peter Hossli: Steueroasen in Delaware in Die Weltwoche, Ausgabe 11/09 vom 11. März 2009. Abgerufen am 5. Mai 2009

Weblinks

Bitte beachte den Hinweis zu Rechtsthemen!

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Steuerparadies — Steu|er|pa|ra|dies 〈n. 11〉 = Steueroase * * * Steu|er|pa|ra|dies, das (ugs.): Steueroase. * * * Steu|er|pa|ra|dies, das (ugs.): Steueroase …   Universal-Lexikon

  • Steuerparadies — Steu·er·pa·ra·dies das; gespr; ein Land, in dem man wenig Steuern zahlen muss …   Langenscheidt Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache

  • Steuerparadies — Steuerparadiesn Land,indemdieBürgersehrniedrigeSteuernzahlen.1955ff …   Wörterbuch der deutschen Umgangssprache

  • Steuerparadies — Steu|er|pa|ra|dies (umgangssprachlich) …   Die deutsche Rechtschreibung

  • AE-DU — دبي (arab.) Landesflagge Basisdaten Emirat: Dubai Geographische Lage …   Deutsch Wikipedia

  • BDS$ — Barbados Dollar Land: Barbados Unterteilung: 100 Cent ISO 4217 Code: BBD Abkürzung: BDS$ Wechselkurs: (17. März 2009) 1 …   Deutsch Wikipedia

  • Bawadi — دبي (arab.) Landesflagge Basisdaten Emirat: Dubai Geographische Lage …   Deutsch Wikipedia

  • Dubayy — دبي (arab.) Landesflagge Basisdaten Emirat: Dubai Geographische Lage …   Deutsch Wikipedia

  • Repubblica di San Marino — Republik San Marino …   Deutsch Wikipedia

  • Republik San Marino — Repubblica di San Marino Republik San Marino …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”