Stopzeit

Stopzeit
Hitting time als Beispiel für eine Stoppzeit

In der Stochastik bezeichnet der Begriff der Stoppzeit eine spezielle Art von Zufallsvariablen, die auf filtrierten Wahrscheinlichkeitsräumen definiert werden. Stoppzeiten sind nicht nur von Bedeutung für die Theorie der stochastischen Prozesse (beispielsweise bei der Lokalisierung von Prozessklassen), sondern auch von praktischer Relevanz, etwa für das Problem des optimalen Ausübungszeitpunkts für amerikanische Optionen.

Definition

Sei  (\Omega, \mathcal{F}, P) ein filtrierter Wahrscheinlichkeitsraum, also ein Wahrscheinlichkeitsraum mit einer Filtrierung  (\mathcal{F}_t), \;t\ge 0 . Eine nichtnegative Zufallsvariable  \tau: \Omega \to \R_0^{+} \cup \{\infty\} heißt Stoppzeit, falls

 \forall t \ge 0: \;\;\{\omega \in \Omega: \; \tau(\omega ) \le t \} \in \mathcal{F}_t gilt.

Eine Stoppzeit kann man als die Wartezeit interpretieren, die vergeht, bis ein bestimmtes zufälliges Ereignis eintritt. Wenn wie üblich die Filtrierung die vorhandene Information zu verschiedenen Zeitpunkten angibt, bedeutet die obige Bedingung also, dass zu jeder Zeit bekannt sein soll, ob dieses Ereignis bereits eingetreten ist oder nicht.

Gestoppter Prozess

Zu einer Stoppzeit T und einem gegebenen Prozess X_t\; lässt sich leicht ein neuer Prozess X_t^T, der gestoppte Prozess, als

X_t^T = X_{t \wedge T} = X_t 1_{\{t < T\}} + X_T 1_{\{t \geq T\}}

definieren. Dabei bezeichnet 1_A (x)\; die Indikatorfunktion zur Menge A. Anschaulich gesprochen läuft der Prozess X_t^T so lange gemäß der Definition von Xt, bis die Stoppzeit T erreicht ist. Ab diesem Zeitpunkt wird der Prozess dann angehalten.

Für gestoppte Prozesse lässt sich zum Beispiel das Optional Sampling Theorem beweisen, zudem sind sie von Bedeutung für die Definition lokaler Eigenschaften für stochastische Prozesse.

Beispiele

  • Ein Glücksspieler beginnt in t=0 mit einem Startkapital von 10 € zu spielen; dabei absolviert er jede Minute ein Spiel (das der Einfachheit halber selbst keine Zeit in Anspruch nimmt), bei dem er mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit einen Euro gewinnt und ansonsten einen Euro verliert (der Kontostand des Spielers ist dann ein Martingal). Die Wartezeit, bis der Spieler sein gesamtes Geld verspielt hat, ist dann zum Beispiel eine Stoppzeit bezüglich der natürlichen Filtrierung des Experiments: zu jedem Zeitpunkt weiß der Spieler, ob er bereits Pleite ist oder nicht. Dagegen wäre die Wartezeit bis zum Augenblick seines vorletzten Spiels keine Stoppzeit: in dem Moment, da man sein vorletztes Spiel absolviert, weiß man noch nicht, dass das nächste Spiel das letzte sein wird.
  • Die Treffzeit (hitting-time) eines Wiener Prozesses mit Drift μ zum Level a ist nach einer inversen-Gauss-Verteilung verteilt. Die Dichte ist f_{IG}(t)=\frac{a \exp(a \mu)}{\sqrt{2\pi}}t^{-3/2}\exp{-\frac{1}{2}(a^2 t^{-1}+\mu^2 t)}, t>0
Beispiel einer hitting time: die 2-dimensionale Brownsche Bewegung berührt irgendwann die Ellipse
  • Eine Verallgemeinerung des einfachen Beispiels von oben: ist (X_t),\;t \ge 0 ein reellwertiger, adaptierter càdlàg-Prozess (also ein stochastischer Prozess, dessen Pfade alle rechtsseitig stetig und linksseitig konvergent sind) und A \subseteq \R eine abgeschlossene Menge, so ist die Treffzeit von X in A, definiert als
 \tau_A(\omega) := \inf\{ t \ge 0: \; X_t(\omega) \in A \}
eine Stoppzeit. τA gibt also den infimalen Zeitpunkt an, an dem X zum ersten Mal die Menge A betritt. Dabei ist es essentiell, dass A abgeschlossen ist: zum Zeitpunkt t könnte X bereits auf dem Rand von A, aber noch nicht in A sein und die Menge direkt im Anschluss betreten. Dann wäre zwar τA = t (man beachte das Infimum!), jedoch ist in t noch nicht bekannt, ob A gleich betreten wird oder nicht.

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