Strafmaß

Strafmaß

Die Strafzumessung im Strafrecht hat eine komplexe Struktur und richtet sich an zahlreichen Kriterien aus.

Inhaltsverzeichnis

Deutsches Recht

Grundsätze der Strafzumessung

Grundsätzlich bedingt die Strafzumessung zunächst die Feststellung, dass eine Straftat schuldhaft begangen wurde. Bleibt es bei einer lediglich rechtswidrigen Tat, weil Schuldausschließungs- oder Entschuldigungsgründe vorliegen, so kann auf eine Maßregel der Besserung und Sicherung erkannt werden. In Deutschland, Österreich und der Schweiz kann neben der Strafe auch eine Maßregel verhängt werden (sog. zweispuriges System). Die Maßregel soll vor der Strafe vollzogen werden (sog. vikariierendes System).

Die Strafzumessung erfolgt grundsätzlich nach der Schwere der Schuld. Im deutschen Strafrecht sind die Grundsätze der Strafzumessung in § 46 StGB niedergelegt, sie erfahren insbesondere für das Jugendstrafrecht eine Differenzierung. Ausgangspunkte der Strafzumessung sind:

  • Die Strafe muss sich im Strafrahmen der rechtlich festgestellten (prozessualen) Tat bewegen.
  • Die Schuld ist Maßstab innerhalb des Strafrahmens.
  • Dabei ist am Maßstab zu beachten, welche Auswirkungen die Strafe auf die zukünftige Lebensführung des Täters haben wird (Prognose).
  • Die Strafe muss verhältnismäßig sein (daher Abwägungsgebot über die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen):
    • Motive des Täters (Ziele und Beweggründe)
    • die Gesinnung und der aufgewandte Wille des Täters zur Tatbegehung
    • die Pflichtwidrigkeit (insbesondere bei Fahrlässigkeitsdelikten)
    • die Art der Begehungsweise und die Folgen der Tat
    • das Vorleben des Täters (hier Vorstrafen), seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse.
    • das Nachtatverhalten, die Bemühungen um Schadenswiedergutmachung oder die Bemühungen um einen Ausgleich mit dem Opfer (Täter-Opfer-Ausgleich)(kurz T-O-A)
  • Es dürfen bei der Abwägung jedoch keine Merkmale des Tatbestandes in die Strafzumessung einfließen (da diese bereits den Strafrahmen begründen).

Im Jugendstrafverfahren wird vor allem auf Sanktionsvermeidung gesetzt. Da sich Jugendliche und teilweise Heranwachsende noch in der persönlichen Reifung und Entwicklung befinden, soll eher mit erzieherischen Maßnahmen als durch Strafe versucht werden, die Devianz in Zukunft zu vermeiden. Teilweise wird durch Populismus in der Kriminalpolitik dies jedoch in Frage gestellt. Anhand der Fälle, in denen das Prinzip versagte (jugendliche Mehrfach- oder Intensivtäter), wird die Umkehrung Strafe vor oder statt Erziehung gefordert.

Normative Strafzumessung

Grundsätzlich ist Strafe zu rechtfertigen. Strafe ist ultima ratio zu jeder Übertretung. Zu ihrer Rechtfertigung werden absolute und relative Straftheorien ("Strafzwecke") herangezogen: Die absoluten Straftheorien rechtfertigen Strafe als Vergeltung. Isoliert bieten die überkommenen absoluten Straftheorien jedoch nur unzureichend Begrenzungen für den Strafanspruch, insbesondere keine Verhältnismäßigkeit. Erst mit der Entwicklung der Talion ("Spiegelstrafe") war die Strafe auf das zugefügte Unrecht begrenzt. Die absoluten Straftheorien richten sich also zurückblickend auf Tat und Täter. Moderne absolute Straftheorien begründen den Zweck von Strafe in der verhältnismäßigen Vergeltung von Schuld durch Strafe. Anhänger der älteren absoluten Straftheorien waren Immanuel Kant und Georg Wilhelm Friedrich Hegel.

Relative Straftheorien suchen nach dem Zweck in Bezug zum Täter (Spezialprävention) und zur Allgemeinheit (Generalprävention). In ihren negativen Ausprägungen sollen der Täter oder die Allgemeinheit durch das Vorhalten von Strafe abgeschreckt werden, ebenfalls Straftaten zu begehen. Die Allgemeinheit soll ferner vor dem Straftäter gesichert werden. In ihrer positiven Ausprägung der relativen Straftheorien soll der Täter resozialisiert werden, um in Zukunft ein delinquenzfreies Leben führen zu können. Die Allgemeinheit soll in ihrer Rechtstreue ermahnt und bestärkt werden (teilweise auch als gemischte Theorie oder relative Vergeltungstheorie vertreten). Zugleich soll aber auch der Gesellschaft eine Genugtuung für das begangene Unrecht zukommen, um eine Lynchjustiz zu vermeiden (sog. Kanalisierung von Strafbedürfnissen) und die Bewältigung von Opfertraumata zu ermöglichen.

Diese Strafzwecke sind bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Laufen die Strafzwecke (insbesondere bei Vergeltung versus Resozialisierung) verquer, spricht man von der Antinomie der Strafzwecke.

Praktische Strafzumessung

Die Strafzumessung erfolgt anhand der Strafzwecke und in Abwägung der Umstände von Tat, Täter und dessen Schuld. Grundsätzlich ist dann bei der zu verurteilenden prozessualen Tat auf die Art der Strafe zu achten.

Geldstrafe

Die Geldstrafe ist eine Strafe, die bereits im germanischen und römischen Strafrecht vorkommt. Die Geldstrafe dient im modernen Strafrechtssystem als Strafe bei leichten Delikten, um Freiheitsentzug zu vermeiden. Dabei zeigen sich sowohl Vor- als auch Nachteile auf: Die Geldstrafe vermeidet kurze Freiheitsstrafen, die hinsichtlich der Strafzwecke kaum dienlich sind (weder zur Resozialisierung noch zur Vergeltung). Zugleich bedeutet aber die Geldstrafe, dass die Höchstpersönlichkeit der Strafe gefährdet ist: Statt des Verurteilten kann auch ein Dritter die Geldstrafe für ihn zahlen (frühere Auffassung war die Annahme von Strafvereitelung). Damit würde der Sanktionscharakter gefährdet werden. Jedoch können die zahlreichen Bagatellverfahren mit einer Geldstrafe häufig schneller und auch verträglicher abgeschlossen werden. Die Geldstrafe wird in Tagessätzen bemessen. Dabei soll ein Tagessatz einem Tag Freiheitsentzug entsprechen. Maximal können 720 Tagessätze bei Gesamtstrafenbildung, sonst maximal 360 Tagessätze verurteilt werden. Minimum sind fünf Tagessätze. Die Höhe des Tagessatzes soll den Verurteilten so belasten, dass dieser von seinem Nettoeinkommen ausgehend auf das Sozialhilfeniveau für die Zahl der Tagessätze gedrückt wird. Die Höhe bewegt sich innerhalb von einem und fünftausend Euro. Diese Begrenzungen sind zwar wegen des Bestimmtheitsgebot aus dem Rechtsstaatsprinzip und Art. Art. 103 Abs. 2 GG notwendig, ihnen fehlt jedoch teilweise der Bezug zur Realität: Für vermögende Täter kann auch der Tagessatz von 10.000 Euro noch eine Bagatelle sein. Andererseits ist fraglich, ob nicht der Gleichheitsgrundsatz verletzt ist, wenn eine Tat mit einer Geldsumme von 100.000 (zehn Tagessätze zu 10.000 Euro) oder 10 Euro (zehn Tagessätze zu einem Euro) abgeurteilt wird. Dieses Dilemma wird durch die gesetzlichen Strafzumessungsregeln nicht abgefedert.

Ist die Schuld jedoch geringer, so bleibt dem erkennenden Gericht noch die Möglichkeit, von der Strafe abzusehen (es bleibt bei einem formalen Schuldspruch, sehr selten) oder eine Verwarnung mit Strafvorbehalt (sog. Geldstrafe auf Bewährung) auszusprechen.

Festzustellen ist aber, dass die Geldstrafe bei der Legalbewährung (also der zukünftigen delinquenzfreien Bewährung) des Verurteilten positive Auswirkungen hat. Ein Rückfall ist bei Geldstrafen weniger wahrscheinlich als bei Freiheitsstrafen. Dies erklärt sich aber auch dadurch, dass es sich dabei in vielen Fällen um Fahrlässigkeitstaten und auch um Täter mit positiver Legalprognose handelt. Geldstrafen dürfen jedoch nicht mit Maßregeln der Besserung und Sicherung verbunden werden.

Ist die Geldstrafe nicht einbringbar, so tritt an ihrer Stelle die Ersatzfreiheitsstrafe. Damit müssen so viele Tage Haft angetreten werden, wie Tagessätze noch ausstehen.

Freiheitsstrafe

Die Freiheitsstrafe ist der Freiheitsentzug, der in Justizvollzugsanstalten vollzogen wird. Während früher noch eine Differenzierung zwischen Festungshaft, Zuchthaus, Gefängnis, Einschließung und Haft bestand, gibt es seit 1969 nur noch die Freiheitsstrafe. Das deutsche System differenziert zwischen zeitiger Freiheitsstrafe, die mindestens ein Monat und höchstens fünfzehn Jahre andauern darf. Eine Verurteilung zu mehreren hundert Jahren Haft, wie sie in den USA nicht unüblich ist, kann in Deutschland nicht stattfinden. Keine zeitige Freiheitsstrafe ist die lebenslange Freiheitsstrafe. Grundsätzlich wird sie prinzipiell lebenslang (also bis zum Tod) vollzogen. Gemeinhin wird irrtümlich angenommen, dass auch Menschen, die zu lebenslanger Haft verurteilt wurden, nach 15 Jahren entlassen werden. Nach 15 Jahren ist es den Verurteilten jedoch erstmals möglich, einen Antrag auf vorzeitige Entlassung auf Bewährung zu stellen. Hat das Gericht zuvor sogar auf besondere Schwere der Schuld erkannt, ist dies nicht möglich. Bisherigen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die lebenslange Freiheitsstrafe hat das Bundesverfassungsgericht eine vorsichtige Abweisung erteilt.

Die Freiheitsstrafe kann nicht unter einem Monat und soll nicht unter 6 Monaten verhängt werden. Damit sollen die entsozialisierenden und deprivatisierenden Effekte der Freiheitsentziehung auf den Täter vermieden werden. Die Freiheitsstrafe kann, wenn sie die Höhe von einem Jahr (in Ausnahmefällen: zwei Jahren) nicht überschreitet, zur Bewährung ausgesetzt werden. Die Bewährungszeit beträgt mindestens zwei und höchstens fünf Jahre. Die Legalbewährung von Verurteilten, die Bewährungsauflagen erhalten haben, ist durchaus günstiger (wenn auch nicht besonders auffällig) als bei Inhaftierung. Trotz der notwendigen Bestellung des Bewährungshelfers oder einer Führungsaufsicht sind die Kosten für den Staat geringer als bei Inhaftierung. Mit Ablauf der Bewährungszeit wird die Strafe erlassen.

Nach der Verbüßung der Haft zu zwei Dritteln kann der Strafrest zur Bewährung ausgesetzt werden.

Berechnung der Strafhöhe anhand des Strafrahmens bei Konkurrenzen

Da das Urteil nicht auf die materielle Tat, sondern auf die prozessuale Tat bezogen ist, bestimmt sich die Strafhöhe nach den vorliegenden Konkurrenzen. Dabei gibt es zahlreiche Sonderfälle und Einzelprobleme, die erörtert werden könnten. Die Ausführungen zu Ideal- und Realkonkurrenz beziehen sich sowohl auf Geld- als auch auf Freiheitsstrafe.

Idealkonkurrenz

Besteht zwischen den verurteilten Taten Tateinheit (Idealkonkurrenz), so ist die Strafe nach § 52 StGB zu bemessen: Aus dem schwersten Delikt wird der Strafrahmen entnommen und nach den weiteren verwirklichten Delikten erhöht, wobei die Strafe nicht milder sein darf als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen. (Absorptionsprinzip oder Kombinationsprinzip). Damit ist bei der Strafzumessung kaum geholfen: Die tatsächliche Ermittlung der Strafhöhe hängt folglich vom Gerechtigkeitsgefühl des oder der Richter ab. Es herrscht daher ein richterlicher Wertungskonsens, der teilweise regional sehr unterschiedlich ist.

Realkonkurrenz

Bei Tatmehrheit nach § 53 StGB wird eine Gesamtstrafe gebildet. Dies ist für den Täter regelmäßig ungünstiger als die Strafzumessung bei Tateinheit. Grundsätzlich beschränkt sich die Strafhöhe auch bei zeitigen Freiheitsstrafen auf fünfzehn Jahre und wenn eine der Strafen lebenslange Freiheitsstrafe sein sollte, auf eben dieses Strafmaß. Für alle Taten, die in Realkonkurrenz stehen, wird eine Einzelstrafe gebildet. Die Gesamtstrafe darf die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen. Die höchste Strafe wird als Einsatzstrafe herangezogen, diese wird dann um die weiteren verwirkten Strafen erhöht (Asperationsprinzip).

Nachträgliche Gesamtstrafenbildung

Es kann auch nachträglich eine Gesamtstrafe gebildet werden. Dies ein besonderer Fall der Realkonkurrenz. Dies tritt ein, wenn zwischenzeitlich Verurteilungen ergangen sind. Die Regelungen zur nachträglich gebildeten Gesamtstrafe richtet sich nach § 54 StGB.

Literatur

  • Wolfgang Ferner: Strafzumessung. Bonn 2003, ISBN 3-8240-0577-8.
  • B.-D. Meier: Strafrechtliche Sanktionen. 2. Auflage. Berlin - Heidelberg 2006, ISBN 3-540-29982-3.
  • G. Schäfer: Praxis der Strafzumessung. 3. Auflage. München 2001, ISBN 3-406-48242-2.
  • F. Streng: Strafrechtliche Sanktionen. 2. Auflage. Stuttgart 2002, ISBN 3-17-015789-2.
  • S. Höfer: Sanktionskarrieren. Freiburg i.Br. 2003, ISBN 3-86113-051-3.
  • H.-J. Albrecht: Strafzumessung bei schwerer Kriminalität. Berlin 1994, ISBN 3-428-08045-9.
  • Schweizer Recht: Bachmann/Stengel: Strafzumessung nach dem neuen AT StGB - Erste Erfahrungen aus der zürcherischen Praxis, in: Jusletter 31. März 2008, ISSN 1424-7410, Publikation frei erhältlich in PDF-Format.

Weblinks

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