Strafprozessordnung (Österreich)

Strafprozessordnung (Österreich)

Die Strafprozessordnung 1975 (StPO) ist ein Bundesgesetz, das die zentralen, den Strafprozess in Österreich regelnden Bestimmungen enthält.

Entwicklung

Eine einheitliche gesetzliche Regelung des Strafprozesses sowie auch des materiellen Strafrechtes in Österreich enthielt erstmals die Constitutio Criminalis Theresiana 1768; es folgten (nur für das Prozessrecht) die Kriminalgerichtsordnung 1788 und hierauf das (wiederum materielles Strafrecht und Strafverfahrensrecht vereinigende) Strafgesetzbuch 1803. Diese Kodifikationen folgten noch den Grundsätzen des Inquisitonsprozesses: Der Richter (Inquisitor) war Ankläger und Urteiler in einer Person, das Verfahren erfolgte geheim und schriftlich. Die Folter war in Österreich zwar schon 1776 aufgehoben worden, doch noch immer existierten gesetzliche Beweisregeln.

Erst im Gefolge der Revolution 1848 wurden die Grundsätze des modernen Strafprozesses aus Frankreich übernommen, zunächst nur für Presseprozesse, dann, mit der Strafprozessordnung 1850, RGBl. Nr. 236, auch allgemein: Die Anklage übernahm ein vom Richter verschiedener Staatsanwalt, das Hauptverfahren folgte den Grundsätzen der Öffentlichkeit und Mündlichkeit, die Beweise unterlagen freier Beweiswürdigung. In besonderen Fällen, insbesondere bei politischen Delikten, sollten Geschworene anstelle des Berufsrichters über die Schuld des Angeklagten entscheiden. Zwar brachte die Strafprozessordnung 1853, RGBl. Nr. 151, eine Kehrtwende zurück zum Inquisitionsprozess, doch wurde der moderne Anklageprozess endgültig mit der Strafprozessordnung 1873, RGBl. Nr. 119, in Österreich eingeführt.

Die Strafprozessordnung 1873 gilt noch heute, wurde jedoch vielfach novelliert und dreimal (1945, 1960 und 1975) wieder verlautbart, das letzte Mal durch die Kundmachung vom 9. Dezember 1975 BGBl. Nr. 631 (daher heute: Strafprozessordnung 1975). Eine bedeutende Novellierung erfolgte mit Wirkung vom 1. Jänner 2006 durch die Strafprozessnovelle BGBl. I 2005 Nr. 119, mit der der Opferschutz deutlich verbessert wurde. Schon davor, mit dem Strafprozessreformgesetz, BGBl. I 2004 Nr. 19, war eine Gesamtreform des strafprozessualen Vorverfahrens beschlossen worden, die aufgrund ihrer Tragweite und der dafür notwendigen Vorbereitungen aber erst mit 1. Jänner 2008 in Kraft trat. Bis dahin waren die Voruntersuchen – als letzter Rest des Inquistionsprozesses – von einem Untersuchungsrichter geleitet worden, die kriminalpolizeilichen Vorerhebungen waren gesetzlich kaum geregelt. Nunmehr sollen Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft gemeinsam, unter Leitung der Staatsanwaltschaft, in einem einheitlichen Ermittlungsverfahren die Erhebungen durchführen.

Gliederung

1. Teil: Allgemeines und Grundsätze des Verfahrens

  • 1. Hauptstück: Das Strafverfahren und seine Grundsätze (§§ 1-17)
  • 2. Hauptstück: Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht (§§ 18-47)
  • 3. Hauptstück: Beschuldigter und Verteidiger (§§ 48-64)
  • 4. Hauptstück: Opfer und ihre Rechte (§§ 65-73)
  • 5. Hauptstück: Gemeinsame Bestimmungen (§§ 74-90)

2. Teil: Das Ermittlungsverfahren

  • 6. Hauptstück: Allgemeines (§§ 91-97)
  • 7. Hauptstück: Aufgaben und Befugnisse der Kriminalpolizei, der Staatsanwaltschaft (§§ 98-108)
  • 8. Hauptstück: Ermittlungsmaßnahmen und Beweisaufnahme (§§ 109-166)
  • 9. Hauptstück: Fahndung, Festnahme und Untersuchungshaft (§§ 167-189)

3. Teil: Beendigung des Ermittlungsverfahrens

  • 10. Hauptstück: Einstellung, Abbrechung und Fortführung des Ermittlungsverfahrens (§§ 190-197)
  • 11. Hauptstück: Rücktritt von der Verfolgung (Diversion) (§§ 198-209)

4. Teil: Haupt- und Rechtsmittelverfahren

  • 12. Hauptstück: Die Anklage (§§ 210-215)
  • 13. Hauptstück: Vorbereitungen zur Hauptverhandlung (§§ 220-227)
  • 14. Hauptstück: Hauptverhandlung vor dem Landesgericht als Schöffengericht und Rechtsmittel gegen dessen Urteile (§§ 228-296a)

5. Teil: Besondere Verfahren

  • 15. Hauptstück: Hauptverhandlung vor dem Landesgericht als Geschworenengericht und Rechtsmittel gegen dessen Urteile (§§ 297-351)
  • 16. Hauptstück: Wiederaufnahme und Erneuerung des Strafverfahrens sowie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 352-364)
  • 17. Hauptstück: Verfahren über privatrechtliche Ansprüche (§§ 365-379)
  • 18. Hauptstück Kosten des Strafverfahrens (§§ 380-395a)
  • 19. Hauptstück: Vollstreckung der Urteile (§§ 396-411)
  • 20. Hauptstück: Verfahren gegen Abwesende (§ 427)
  • 21. Hauptstück: Verfahren bei vorbeugenden Maßnahmen und bei der Abschöpfung der Bereicherung, beim Verfall und bei der Einziehung (§§ 429-446)
  • 22. Hauptstück: Verfahren vor dem Bezirksgericht (§§ 448-481)
  • 23. Hauptstück: Verfahren vor dem Landesgericht als Einzelrichter (§§ 483-491)
  • 24. Hauptstück: Verfahren bei bedingter Strafnachsicht, bedingter Nachsicht von vorbeugenden Maßnahmen, Erteilung von Weisungen und Anordnung der Bewährungshilfe (§§ 492 und 498)
  • 25. Hauptstück: Ausübung der Strafgerichtsbarkeit über Soldaten im Frieden (§§ 499-506)
  • 26. Hauptstück: Gnadenverfahren (§§ 507-513)


Siehe auch


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