Störung der Geschlechtsidentität

Störung der Geschlechtsidentität

Geschlechtsidentitätsstörung (GID, englisch: Gender Identity Disorder, GIS wird nur sporadisch verwendet) ist eine psychologische bzw. medizinische Diagnose. Menschen mit GID empfinden sich als einem anderen [1] als ihrem körperlichem Geschlecht zugehörig. Richtungsweisend war hier 1994 das DSM-IV, mit welchem GID die älteren medizinischen Diagnosen Transsexualität und Transvestitismus ablöste.

Häufig, vor allem im nicht-medizinischen Bereich, wird das Wort Transgender analog zu GID und GIDNOS[2] verwendet. Im Bereich der Psychologie wird dagegen gelegentlich abgegrenzt zwischen dem Begriff GID einerseits (welcher den Begriff Transsexualität ersetzen sollte), und GIDNOS andererseits (der beispielsweise Transgender, als nicht-klinischen Begriff, einschließt).

Inhaltsverzeichnis

Klassifikation

Vergleichende Klassifikation nach
ICD-10   DSM-IV
F00-F99 psychische und Verhaltensstörungen
F60-F69 Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen
F 64 Störungen der Geschlechtsidendität Sexuelle Störungen / Geschlechtsidentitätsstörungen
F 64.0 Transsexualismus 302.85 Geschlechtsidentitätsstörung bei Jugendlichen oder Erwachsenen
F 64.1 Transvestitismus unter Beibehaltung beider Geschlechtsrollen Zusatzcodierung „mit Geschlechtsdysphorie“ oder
2 Diagnosen: Geschlechtsidentitätsstörung und fetischistischer Transvestitismus
F 64.2 Störungen der Geschlechtsidentität des Kindesalters 302.6 Geschlechtsidentitätsstörungen bei Kindern
F 64.8 Sonstige Störungen der Geschlechtsidentität
F 64.9 Störungen der Geschlechtsidentität, nicht näher bezeichnet 302.6 Störungen der Geschlechtsidentität, nicht näher bezeichnet
ICD-10 online DSM IV online
  • Transvestitismus unter Beibehaltung beider Geschlechtsrollen (F64.1) ist abzugrenzen vom fetischistischen Transvestitismus (F65.1).
  • Störungen der Geschlechtsidentität des Kindesalters (F64.2) sind abzugrenzen von der Ichdystonen Sexualorientierung (F66.1) sowie der sexuellen Reifungskrise (F66.0).

Abweichende Verwendung

Vor allem in den Vereinigten Staaten verwenden einige Psychologen diese Diagnose bei von der Geschlechterrolle abweichendem Verhalten, das sonst nicht die Bedingungen der Klassifikation entspricht und sehen es oftmals als einen hauptsächlichen Grund für Homosexualität. Manche akzeptieren auch keine Sexuelle Identität, sondern nur eine biologisch vorgegebene Geschlechtsidentität als Mann oder Frau und bezeichnen deshalb nicht der Fortpflanzung dienende Homosexualität als Verhalten einer sich klinisch entwickelten „Gender Identity Disorder“[3] oder eines „syndrome of male gender-identity deficit“. [4][5] Nach Gerard J. M. van den Aardweg entspringt das homosexuelle Gefühl einer Minderwertigkeitsklage bezüglich der eigenen geschlechtlichen Identität der Männlichkeit bzw. Weiblichkeit sowie der Klage, nicht zu den bewunderten Männern (Frauen) zu gehören[6].

Durch Übersetzungen, vor allem christlicher Organisationen oder Organisationen, welche oftmals mit ihnen zusammenarbeiten, gelangt diese Auslegung derzeit auch vereinzelt in den deutschen Sprachraum, insbesondere wenn es darum geht Homosexuelle „von ihren Leiden zu befreien“ und dafür eine Veränderung der sexuellen Orientierung anzustreben. Auf Deutsch werden auch Formulierungen folgender Art verwendet: „Geschlechts-Identitätsstörung“, „Störung der Geschlechtsidentität“, „Konflikte mit dem eigenen Frau- oder Mannsein“, „Identität als Mann oder Frau“.[7][8][9][10][11]

Kritik an der Diagnose

Einige Transsexuellenorganisationen wie beispielsweise der Verein Aktion Transsexualität und Menschenrecht kritisieren den Begriff „Geschlechtsidentitätsstörung“ mittlerweile als unwissenschaftlich und unbewiesene Erfindung aus der Psychoanalyse. So berücksichtige der Begriff nicht die Erkenntnisse der Wissenschaft, dass weder Geschlechtschromosomen noch Genitalien eines Menschen eine eindeutige Aussage über das eigentliche Geburtsgeschlecht eines Menschen machen können[12], die Idee einer Geschlechtsidentitätsstörung aber die Behauptung über ein angebliches „biologisches Geschlecht“ benötige, von dem die Psyche der Betroffenen abweiche. Da das biologische Geschlecht eines Menschen weitaus komplexer ist als von der Psychoanalyse behauptet[13], und daher die Behauptung transsexuelle Menschen seien Menschen, die den Wunsch hätten „als Angehöriger des anderen Geschlechtes zu leben und anerkannt zu werden“ (ICD-10 F.64.0) nicht den biologischen Realitäten entspricht, wird von den Kritikern des Begriffs ebenso bemängelt, wie die dadurch verbundene Abwertung der „geschlechtlichen Identität“ transsexueller Menschen als psychische Störung. Hier sehen einige Betroffenen-Gruppierungen Parallelen zur Pathologisierung von Menschen mit abweichender sexueller Orientierung[14] bis Anfang der 1970er Jahre als „sexuell orientierungsgestört“[15]. Zudem sei der Begriff Geschlechtsidentitätsstörung Hauptauslöser für weltweite Transphobie, Diskriminierungen und Menschenrechtsverletzungen, an denen sich auch viele Staaten durch eine dementsprechende Gesetzgebung (wie z. B. die Bundesrepublik Deutschland mit ihrem 1980 eingeführten Transsexuellengesetz) beteiligen, indem sie unwissenschaftliche Geschlechterklischees übernehmen, die indirekt oder direkt mit ideologischen Begriffen wie der Geschlechtsidentitätsstörung oder Geschlechtsumwandlung in Verbindung zu bringen sind.

Siehe auch

Weblinks

Fußnoten

  1. Sich einem „anderen“ Geschlecht (Geschlechterrolle) zugehörig empfinden, als von der Gesellschaft zugewiesen,
    bedeutet nicht unbedingt sich dem „einzig“ anderen heteronormativem Geschlecht (Geschlechterrolle) zugehörig empfinden.
  2. „GID“: Englisches Akronym für „gender identity disorder“
    „GIDNOS“: Englisches Akronym für „GID not otherwise specified“ (deutsch = „GID nicht anderweitig spezifiziert“)
  3. Gregory & Cheryl Quinlan: Ex-Gay Activist Testifies at Ohio DOMA Hearing, Stand: 20. Dezember 2004
    Zwei Ex-Gay-Aktivisten mit dem Zitet: Homosexuality is a clinical developmental gender identity disorder.
  4. Gisela Wolf: Erfahrungen lesbischer Frauen im medizinischen/ psychologischen/ psycho-“therapeutischen“ System, lesbengesundheit.de, 4. Dezember 2006
  5. Jannik Franzen: Spielend ein richtiger Junge werden? – Zur Geschlechternormierung im medizinisch-psychologischen Umgang mit sogenannten „Geschlechtsidentitätsstörungen im Kindes- und Jugendalter”, Liminalis 2/2007, Editorial mit Abstrakt
  6. Gerard J. M. van den Aardweg: Das Drama des gewöhnlichen Homosexuellen, Neuhausen-Stuttgart: Hänssler, 1985, ISBN 3-7751-0983-8, S. 519; S. 516
  7. Joseph Nicolosi, Linda Ames Nicolosi: Herausforderung Adoleszenz, NARTH.com, 25. Jänner 2006
  8. Dale O'Leary: Warum der homosexuelle Lebensstil kein Vorbild für Kinder oder Jugendliche ist, Bulletin des DIJG, 01/2002 (Nr. 3)
  9. Detlef Grumbach: Ein Portrait Martin Danneckers, erschienen in Freitag 38/1998, bei Männerschwarm und
    Detlef Grumbach: Bürger wider Willen - die Schwulenbewegung zwischen Revolte und Integration. Ein Portrait Martin Danneckers, Eine Sendung des Deutschlandfunks, Ausstrahlung: 13. Juni 1998, bei: Detlef Grumbach
  10. Joseph Nicolosi & Linda Ames Nicolosi: Was ist Lesbianismus?, Bulletin des DIJG S/2003 (Sonderheft weibliche Homosexualität)
  11. Mike Haley: Homosexualität - Fragen und Antworten - (Original: 101 Frequently Asked Questions About Homosexuality), 2006, bei Sermon-Online, die Predigt-Datenbank
  12. CBX2: The Age of Chromosomes is Over! (Intersex News) [1]
  13. Science and Sexuality: The Biology of Sexual Identity, Sexual Orientation, and Intersexuality. [2]
  14. Robert Spitzer sagt: Homosexualität kann keine psychische Störung sein (in Englisch, 1973) [3]
  15. Homosexualität, Psychologie, Verhaltensforschung und Medizin [4]
  16. Madeline H. Wyndzen, transsexual psychologist, discusses how viewing transgenderism as a mental disorder (e.g., GID) leads to systemic biases in the research of sexologists.


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