Swadesh-Listen

Swadesh-Listen

Eine Swadesh-Liste ist eine von mehreren Listen mit grundlegendem Vokabular aller Sprachen der Welt, entwickelt vom US-amerikanischen Linguisten Morris Swadesh in den 1940er und 1950er Jahren, die in der Lexikostatistik verwendet wird, also der quantitaiven Bewertung des Verwandtschaftsgrades von Sprachen, sowie in der Glottochronologie, der Datierung der Auseinanderentwicklung von Sprachen.

Es gibt eigentlich nicht die Swadesh-Liste, sondern zwei verschiedene Versionen, eine mit 200 und eine mit 100 Wortbedeutungen. In der zusammengesetzten Liste unten auf dieser Seite finden sich insgesamt 207 Bedeutungen, da 7 der Einträge der 100-Wörter-Liste nicht in der ursprünglichen 200-Wörter-Liste enthalten waren.

Inhaltsverzeichnis

Methode

Die Swadesh-Liste wird in der Lexikostatistik und Glottochronologie verwendet, um das ungefähre Datum der ersten Trennung von genetisch verwandten Sprachen zu ermitteln, wobei auch andere Listen verwendet werden können. Der Verwandtschaftsgrad zweier Sprachen ist demnach proportional zur Zahl der cognate words (verwandte Wörter), die in der Liste auftauchen. Der Grund, dass ein festgelegte Reihe von Begriffen verwendet anstelle einer Liste von zufällig augewählten Wörtern, ist, dass der Grundwortschatz einer Sprache, also Wörter, die schon während der Kindheit gelernt wurden, sich über sehr lange Zeiträume hinweg nur sehr wenig verändert.

Dabei ist zu beachten, dass es alles andere als einfach ist und durchaus umstritten sein kann, die Zahl der verwandten Wörter in der Liste zu ermitteln, da diese nicht automatisch ähnlich aussehen, und das Erkennen verwandter Wörter einiges Wissen über die Aussprachregeln und Lautverschiebungen der jeweiligen Sprachen voraussetzt. Ebenso ist auch in Fällen, in denen die Anzahl der verwandten Wörter unumstritten ist, die Verwendung der Swadesh-Liste wegen der zugrundeliegenden Annahme, dass die Rate der Ersetzung grundlegender Begriffe über längere Zeiträume hinweg konstant ist, umstritten. Während Swadesh-Listen also ein nützliches Hilfsmittel sind, um einen ungefähren Überblick zu erhalten, sind die meisten Linguisten sehr skeptisch, was Behauptungen über den Verwandtschaftsgrad angeht, die nur auf Swadesh-Listen basieren.

Der Prozentsatz an Wörtern bzw. Lexemen, die nach Verstreichen einer Zeitspanne von 500 Jahren erfahrungsgemäß noch bewahrt worden sind, beträgt für die 100-Wort-Liste durchschnittlich ca. 86 %, d. h., nach 1.000 Jahren sind es somit ca. 74 % (86 % von 86 %) usw.[1]

Anwendung

Die Verwendung der Swadesh-Listen in der Glottochronologie war am populärsten während der 1960 und 1970er Jahre, danach verging der Enthusiasmus und Diskussion über den Nutzen der Methode wurden zusehends emotional, was zu einem zeitweiligen Niedergang der Methode führte. Verfeinerungen seit den 70er Jahren beinhalten die Einbeziehung der geographischen Dimension in die Gleichungen, die Beactung von Entlehnungen und die Verwendung von robusten statistischen Modellen, die aus der Phylogenetik übernommen wurden.

Ein jüngeres Beispiel für die Anwendung der Swadesh-Liste zur absoluten Datierung ist die Studie von Gray und Atkinson aus dem Jahre 2003, die einen Stammbaum der indo-europäischen Sprachen mit exakten Daten für die Knotenpunkte berechneten und die proto-indo-europäische Sprache auf diese Weise auf das Jahr 7000 v. Chr. datierten. Diese Studie, die mit einer gnadenlosen Kritik an früheren Formen der Glottochronologie beginnt, basiert auf einer 200-Wort-Swadesh-Liste, die von Isidore Dyen für 87 indo-europäische Sprachen zusammengestelt worden war. Allerdings widerspricht das Ergebnis der Studie den allgemeinen Erkenntnissen der Indogermanistik, nach welchen die Auflösung der Protosprache wesentlich später anzusetzen ist.

Swadesh-Liste des Deutschen

Im Folgenden sei die Swadesh-Liste für die deutsche Sprache angeführt:

  1. ich
  2. du
  3. er
  4. wir
  5. ihr
  6. sie (Plural)
  7. dieses
  8. jenes
  9. hier
 10. dort
 11. wer
 12. was
 13. wo
 14. wann
 15. wie
 16. nicht
 17. alle
 18. viele
 19. einige
 20. wenige
 21. andere
 22. eins
 23. zwei
 24. drei
 25. vier
 26. fünf
 27. groß
 28. lang
 29. breit
 30. dick
 31. schwer
 32. klein
 33. kurz
 34. eng
 35. dünn
 36. Frau
 37. Mann
 38. Mensch
 39. Kind
 40. (Ehe-)Frau
 41. (Ehe-)Mann
 42. Mutter
 43. Vater
 44. Tier
 45. Fisch
 46. Vogel
 47. Hund
 48. Laus
 49. Schlange
 50. Wurm
 51. Baum
 52. Wald
 53. Stock
 54. Frucht
 55. Samen
 56. Blatt
 57. Wurzel
 58. Rinde
 59. Blume
 60. Gras
 61. Seil
 62. Haut
 63. Fleisch
 64. Blut
 65. Knochen
 66. Fett
 67. Ei
 68. Horn
 69. Schwanz
 70. Feder
 71. Haar
 72. Kopf
 73. Ohr
 74. Auge
 75. Nase
 76. Mund
 77. Zahn
 78. Zunge
 79. Fingernagel
 80. Fuß
 81. Bein
 82. Knie
 83. Hand
 84. Flügel
 85. Bauch
 86. Gedärme
 87. Hals
 88. Rücken
 89. Brust
 90. Herz
 91. Leber
 92. trinken
 93. essen
 94. beißen
 95. saugen
 96. spucken
 97. sich übergeben
 98. blasen
 99. atmen
100. lachen
101. sehen
102. hören
103. wissen
104. denken
105. riechen
106. fürchten
107. schlafen
108. leben
109. sterben
110. töten
111. kämpfen
112. jagen
113. schlagen
114. schneiden
115. teilen
116. stechen
117. kratzen
118. graben
119. schwimmen
120. fliegen
121. laufen
122. kommen
123. liegen
124. sitzen
125. stehen
126. drehen
127. fallen
128. geben
129. halten
130. drücken
131. reiben
132. waschen
133. wischen
134. ziehen
135. drücken
136. werfen
137. verbinden
138. sähen
139. zählen
140. sagen
141. singen
142. spielen
143. fluten
144. fließen
145. frieren
146. schwellen
147. Sonne
148. Mond
149. Stern
150. Wasser
151. Regen
152. Fluss
153. See
154. Meer
155. Salz
156. Stein
157. Sand
158. Staub
159. Erde
160. Wolke
161. Nebel
162. Himmel
163. Wind
164. Schnee
165. Eis
166. Rauch
167. Feuer
168. Asche
169. brennen
170. Straße
171. Berg
172. rot
173. grün
174. gelb
175. weiß
176. schwarz
177. Nacht
178. Tag
179. Jahr
180. warm
181. kalt
182. voll
183. neu
184. alt
185. gut
186. schlecht
187. faul (verfault)
188. schmutzig
189. gerade
190. rund
191. scharf
192. trüb
193. glatt
194. nass
195. trocken
196. richtig
197. nah
198. fern
199. rechts
200. links
201. bei
202. in
203. mit
204. und
205. falls
206. weil
207. Name

Einzelnachweise

  1. Christopher Ehret: Language and history. In: Bernd Heine u. Derek Nurse (Hrsg.): African languages: an introduction. Cambridge University Press, 2000, S. 287 f.

Literatur

  • Russell D. Gray u. Quentin D. Atkinson: Language-tree divergence times support the Anatolian theory of Indo-European origin. In: Nature. Bd. 426, 2003, S. 435–439.
  • Morris Swadesh (postum hrsg. von Joel Sherzer): The origin and diversification of language. Aldine, Chicago 1971. (enthält die abschließende Wörterliste)

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