- Swadesh-Liste
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Swadesh-Liste bezeichnet zusammenfassend, aber ungenau, eine Reihe von Listen universaler Begriffe für lexikostatistische Testzwecke. Namensgeber ist der US-amerikanische Linguist Morris Swadesh, der diese in den 1950er Jahren in stark beachteten Aufsätzen bekannt machte. Er selbst wechselte häufig zwischen verschiedenen Bezeichnungen, wie „basic list“, „lexi/co(statisti)cal test list“ oder „diagnostic list“, definierte diese jedoch 1955 im oben genannten Sinn.
Inhaltsverzeichnis
Autoren und Wortumfänge
Swadesh begann mit einer Liste von 225 englischen Wörtern (1950:161), an gleicher Stelle fortgesetzt mit 165 Wörtern der Salesh-Sprache, 1952:456 f. mit 215 Wörtern (davon 16 zur Weglassung empfohlen und eine addiert, um auf runde 200 zu kommen), 1955:127 wieder eine „lexi(costatisti)cal test list“ mit 215 Lexemen, von denen 92 mit Sternchen markiert sind, und schließlich wird 1971 [1972 weitere Ausgabe] seine letzte mit 100 Lexemen veröffentlicht. Schon Swadesh benutzt ältere Wortlisten von Franz Boas. Eine Auswahl weiterer Versionen: R.B. Lees 1953, J.A. Rea 1958, D. Wilson 1969, 57 Begriffe, M.L. Bender 1969, R.L. Oswald 1971, W.P. Lehmann 1984, D. Ringe 1992, passim, versch. Versionen, ca 300 Begriffe, S.A. Starostin 1984, passim, völlig verschiedene Versionen, W.S. Wang 1994, M. Lohr 2000, mit 128 der stabilsten Begriffe in 18 Sprachen, B. Kessler 2002. Nicht wegen ihrer Qualität, sondern wegen ihrer Verfügbarkeit im Internet wird häufig die Liste von Isidor Dyen (1992, 200 Lexeme aus 95 Sprachvarianten) verwendet.
Auswahlprinzip
Ein häufiger Irrtum besteht in der Annahme, dass es sich um einen Basiswortschatz im Sinne der Spracherlernung handele. Ein zweiter Irrtum besteht in der Annahme, die Wörter seien nach ihrer Stabilität ausgewählt worden. Dies war nie beabsichtigt[1], sondern der Wortschatz wurde ausschließlich nach der Verfügbarkeit in möglichst vielen Wortlisten gewählt (vgl. z. B. Swadesh 1950:157). Darüber hinaus ist eine gleichmäßige „Stabilität“ auf Grund der Verteilungsgesetze in natürlichen Sprachen (vgl. z. B. Zipf 1949) überhaupt nicht möglich. Aus kladistischer Sicht ist eine hohe „Stabilität“ (und damit eine Übereinstimmung in möglichst vielen Sprachen) sogar kontraproduktiv, da sie „uninformativ“ ist. Entsprechende Untersuchungen[2] [3] erkennen diese essentiellen Zusammenhänge nicht.
Anwendung
Solche Listen werden in der Lexikostatistik verwendet, um Verwandtschaft und Ausgliederungsverhalten von Sprachfamilien zu bestimmen, sowie in der Glottochronologie, um darüber hinaus den Zeitraum seit der Trennung genealogisch verwandter Sprachen zu ermitteln. Dabei ist zu beachten, dass es alles andere als einfach ist und durchaus umstritten sein kann, die Zahl der verwandten Wörter in der Liste zu ermitteln, da diese nicht automatisch ähnlich aussehen, und das Erkennen verwandter Wörter eine vertiefte Fachkenntnis der Grammatik und Lautverschiebungsregeln der jeweiligen Sprachen voraussetzt. Dass selbst Linguisten dabei erhebliche Fehler unterlaufen, stellte sich am Beispiel einiger albanischer Testlisten heraus [4]. Auf Grund stochastischer Gesetze erlauben unmittelbare Summenvergleiche keinen verlässlichen Rückschluss auf die Verwandtschaft von Sprachen [5].
Letztgültige Original-Swadeshliste (posthum 1971:283) mit deutschen Entsprechungen
Klarstellung von Mehrdeutigkeiten nach Angaben Swadeshs 1952 und 1955 (Hans J. Holm)
No. Originalbegriff Deutsche Entsprechung 1. I (Pers.Pro(noun) 1.Sg.) ich 2. You (2.sg! 1952 thou & ye) Du 3. we (1955: inclusive) wir 4. this dies(es) 5. that jenes 6. who? (“?” left off 1971) wer? 7. what? (“?” left off 1971) was? 8. not nicht 9. all (of a number) alle 10. many viele 11. one (numeral) Eins (Zahl) 12. two (numeral) Zwei (Zahl) 13. big groß 14. long lang 15. small klein 16. woman Frau 17. man (male human) Mann 18. person (human being) Person (menschliches Wesen) 19. fish (noun) Fisch 20. bird Vogel 21. dog Hund 22. louse Laus 23. tree (not log) Baum 24. seed (noun) (!) Samen, Saatgut 25. leaf (of plants) Blatt 26. root (of plants) Wurzel 27. bark (of tree) Borke v. Bäumen 28. skin (1952: person’s) Haut 29. flesh (1952 meat, flesh) Fleisch 30. blood Blut 31. bone Knochen 32. grease (1952: fat, orgc. subst.) Fett (Substanz) 33. egg Ei 34. horn (of bull etc, not 1952) Horn (z. B. eines Stieres) 35. tail Schwanz 36. feather (large, not down) Feder (große, nicht Daune) 37. hair (?) Haar 38. head (anatomic) Kopf (anatomisch) 39. ear Ohr 40. eye Auge 41. nose Nase 42. mouth Mund 43. tooth (front) Zahn 44. tongue (anat.) Zunge (nicht Sprache) 45. claw (not nail, not in 1952) Kralle (Löwe, Raubvogel) 46. foot Fuß 47. knee (not 1952) Knie 48. hand Hand 49. belly (abdomen, not stomach) Bauch (nicht Magen) 50. neck (not nape!) Hals (nicht Nacken) No. Originalbegriff Deutsche Entsprechung 51. breasts (female; 1955 breast) Brüste (weiblich) 52. heart Herz 53. liver Leber 54. drink (verb) trinken 55. eat (verb) essen 56. bite (verb) beißen 57. see (verb) sehen 58. hear (verb) hören 59. know (facts) wissen (nicht glauben) 60. sleep (verb) schlafen 61. die (verb) sterben 62. kill (verb) töten 63. swim (verb) schwimmen 64. fly (verb) fliegen 65. walk (verb) gehen (zu Fuß) 66. come (verb) kommen 67. lie (on side, later? recline?) liegen 68. sit (verb) sitzen 69. stand (verb) stehen 70. give (verb) geben 71. say (verb) sagen 72. sun Sonne 73. moon (not 1952) Mond 74. star Stern 75. water (noun) Wasser (allgemein) 76. rain (noun, 1952 verb) Regen (1952 noch Verb) 77. stone Stein 78. sand Sand 79. earth (= soil) Erde (Erdreich) 80. cloud Wolke 81. smoke (noun, of fire) Rauch (vom Feuer) 82. fire Feuer 83. ash(es) Asche 84. burn (verb intr.!) brennen 85. path (1952 road, trail) Pfad (1952 noch mehrdeutig) 86. mountain Berg 87. red rot 88. green grün 89. yellow gelb 90. white weiß 91. black schwarz 92. night Nacht 93. hot (1952 warm) heiß (1952 warm, vom Wetter) 94. cold (of weather) kalt (vom Wetter) 95. full voll 96. new neu 97. good gut (annehmbar) 98. round (not 1952) rund 99. dry (substance!) trocken (einer Substanz) 100. name Name Relevante Literatur von M. Swadesh
- Swadesh, M. (1952). Lexico-statistic dating of prehistoric ethnic contacts: With special reference to north american indians and eskimos. Proceedings of the American Philosophical Society, 96(4):452–463.
- Morris Swadesh (postum hrsg. von Joel Sherzer): The origin and diversification of language. Aldine, Chicago 1971. (enthält Seite 283 die hier leider nicht wiedergegebene abschließende 100er Wortliste)
Einzelnachweise
- ↑ M. Swadesh 1952:457
- ↑ Marisa Lohr (2000): New approaches to lexicostatistics and glottochronology. In: C. Renfrew, A McMahon & L. Trask (Eds), Time Depth in Historical Linguistics, Vol. 1, Chapt. 10: 209-223
- ↑ Holman, Eric W., Søren Wichmann, Cecil H. Brown, Viveka Velupillai, André Müller, and Dik Bakker. 2008. Explorations in automated lexicostatistics. Folia Linguistica 42.2: 331–354
- ↑ Hans J. Holm (2009): Albanische Basiswortlisten und die Stellung des Albanischen in den indogermanischen Sprachen. Zeitschrift für Balkanologie 45-2. (Verbesserte englische Version in The Journal of Indo-European Studies, Vol. 39-1,2/2011)
- ↑ Hans J. Holm (2003): The proportionality trap, Or: What is wrong with lexicostatistical subgrouping? In: Indogermanische Forschungen 108: 39-47
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