Synagoge Wilmersdorf

Synagoge Wilmersdorf
Einweihung der Synagoge am 16. September 1930

Die Synagoge Prinzregentenstraße war die Synagoge für die jüdischen Gläubigen im Berliner Ortsteil Wilmersdorf. Sie befand sich auf dem Grundstück Prinzregentenstraße 69/70. Nur acht Jahre nach der feierlichen Einweihung der nach Entwürfen von Alexander Beer errichteten Synagoge am 16. September 1930 wurde sie während der Reichspogromnacht von Nationalsozialisten angezündet und brannte nieder.

Teilweise wird heute die Bezeichnung Synagoge Wilmersdorf verwendet, die aber nicht historisch belegt ist.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Bereits 1913 hatte die jüdische Gemeinde Berlin das Grundstück an der Prinzregentenstraße erworben, mit dem Ziel dort eine Synagoge zu errichten. Es kam aufgrund des Ersten Weltkriegs jedoch nicht über einige bauvorbereitende Maßnahmen hinaus. Ab 1920 wurde dann wieder die Planung der Errichtung einer neuen Synagoge betrieben, wobei die Planungen ab 1922 in die Hände des Architekten Alexander Beer gelegt wurden. Beer sah ein Gebäude im Zuge der Bauflucht und in Traufhöhe vor, dem sich eine langgestreckte Bethalle kurz bis vor die Rückseite der Bebauung an der Babelsberger Straße anschließen sollte. In der Bebauung an der Prinzregentenstraße sollten Wochentagssynagoge, Trausaal und Wohnungen untergebracht werden.

Aufgrund der neuen Bauordnung, die 1925 erlassen wurde, machte die Baupolizei die Erteilung einer Baugenehmigung davon abhängig, dass die betroffenen Hauseigentümer an der Babelsberger Straße den Plänen zustimmten. Es zeigte sich, dass diese Zustimmung nur mit erheblichen Einschränkungen zu erhalten gewesen wäre, so dass die Gemeinde 1928 beschloss die Planung von Beer grundlegend ändern zu lassen. Anstatt der langgezogenen Bethalle, wurde nun hinter dem Gebäude im Verlauf der Prinzregentenstraße ein runder, überkuppelter Zentralbau angeordnet. So ließen sich bei gleicher Grundfläche, die notwendigen Abstände zur Nachbarbebauung erreichen. Nach diesen Entwürfen erfolgte 1928 bis 1930 die Bauausführung.

Neben den baupolizeilichen Schwierigkeiten wurde innerhalb der jüdischen Gemeinde darum gestritten, ob die Synagoge entsprechend des orthodoxen oder des liberalen Ritus ausgestattet werden sollte. Schließlich setzten sich die liberal gesinnten Gemeindemitglieder durch, was unter anderem zum Einbau einer Orgel (hergestellt von der Orgelbaufirma G.F. Steinmeyer & Co.) führte. Auch die nach orthodoxem Ritus vorgeschriebene Geschlechtertrennung wurde in der Synagoge Prinzregentenstraße aufgehoben. Um das Gotteshaus auch für profane Zwecke nutzen zu können, hatte Beer einen eisernen, im Boden versenkbaren Vorhang vorgesehen, mit welchem die Apsis mit dem Toraschrein vom Betraum getrennt werden konnte.

Am 16. September 1930 erfolgte die feierliche Einweihung der Synagoge, die Platz für 2300 Gläubige bot. Die Eröffnung fand unter dem Eindruck der zwei Tage zuvor abgehaltenen Reichstagswahl statt, bei der die NSDAP 107 Sitze errungen hatte. Der Vorsitzende des damaligen Gemeindevorstandes Georg Kareski sagte unter anderem in seiner Festrede:

„Leider ist es in diesem Augenblick nicht möglich sich restlos Gedanken des Stolzes und der Freude hinzugeben. Entscheidungen gerade der letzten Zeit werfen ihren Schatten auch auf die heutige Festesfreude. Noch wissen wir nicht, welche Auswirkungen auf unsere Stellung und unser Leben diese Entscheidungen haben werden.“[1]

Die anschließende Festpredigt hielt der Rabbiner Leo Baeck. Die Synagoge Prinzregentenstraße blieb der einzige Neubau einer Gemeindesynagoge im Berlin der Weimarer Republik.

Mit den ab 1933 zunehmenden Verboten für die Juden in Berlin, am öffentlichen Leben teilzunehmen, entwickelte sich die Synagoge in der Prinzregentenstraße zunehmend auch zu einem jüdischen Kulturzentrum. Es fanden nun regelmäßig Konzerte und andere Veranstaltungen zur Unterstützung jüdischer Künstler statt.

Während der Novemberpogrome 1938 brannte die Synagoge aus. Das Hauptliegenschaftsamt beschrieb in einem behördlichen Schriftwechsel den Grad der Zerstörung:

„Die Synagoge ist durch Brand stark zerstört; das Vordergebäude ist ebenfalls ausgebrannt, ebenso ist das Dach beschädigt und z. T. offen. […] Der Gehweg und ein Teil des Fahrdammes vor dem Gebäude sind gesperrt, weil Mauerteile vom Dach und Gebäude herabzufallen drohen.“[2]

Die jüdische Gemeinde wurde daraufhin aufgefordert die Ruine abzusichern, wofür sie auch noch die Kosten zu tragen hatte.

Gedenktafel am Haus Prinzregentenstraße 69–70

1941 wurde die jüdische Gemeinde gezwungen, das Grundstück an der Prinzregentenstraße für ein Zehntel des Wertes an die Stadt Berlin zu verkaufen. Noch 1938 war der Wert des Grundstücks auf 1.559.300 RM festgesetzt worden, der Kaufpreis 1941 betrug 160.000 RM. Zu einem Abriss der Ruine in der Zeit des Nationalsozialismus kam es aber nicht mehr.

Nach dem Zweiten Weltkrieg erreichte 1955 die Jewish Trust Corporation mit Sitz in London auf dem Klageweg die Rückerstattung des Grundstücks. 1956 gelangte das Grundstück dann im Rahmen eines Vertrages zwischen der Jewish Restitution Successor Organization bzw. der Jewish Trust Corporation und der Stadt Berlin auf legalem Wege in städtischen Besitz. Die Ruine wurde nun 1958 unter großen technischen Schwierigkeiten abgetragen. Bei der Sprengung der Kuppelfragmente kamen zwei Arbeiter ums Leben.[3]

Nach der Beräumung des Geländes überließ die Stadt das Gelände dem Allgemeinen Blindenverein Berlin, der hier 1959 mit Spendenmitteln der Deutschen Klassenlotterie Berlin 70 blindengerechte Wohnungen errichtete. Heute erinnert an diesen Häusern eine am 9. November 1988 enthüllte Gedenktafel an die ehemalige Synagoge Prinzregentenstraße. Diese ersetzt eine vorhergehende, kleinere Gedenktafel.

Literatur

  • Alexander Beer: Neubau der Synagoge Prinzregentenstraße in Berlin. In: Deutsche Bauzeitung, 64. Jg., Nr. 73/74 (1930), S. 521–525.
  • Lotte Pulvermacher: Die neue Synagoge Prinzregentenstraße in Berlin. In: Bayerische Israelitische Gemeindezeitung, 6. Jg., Heft 19 (1. Oktober 1930), S. 304.
  • Berlin Museum (Hrsg.): Synagogen in Berlin – Zur Geschichte einer zerstörten Architektur. Teil 1: Die Gemeindesynagogen. Verlag Willmuth Arenhövel, Berlin 1983, S. 148–155.
  • Karl-Heinz Metzger: Kirchen, Moschee und Synagogen in Wilmersdorf. Hrsg.: Bezirksamt Wilmersdorf von Berlin. Wilhelm Möller KG, Berlin 1986, S. 101–104.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Jüdische Rundschau vom 19. September 1930, zitiert nach „Synagogen in Berlin – Zur Geschichte einer zerstörten Architektur“, Teil 2, S. 92
  2. Landesarchiv Berlin, A Rep. 209, Acc. 1114b, zitiert nach „Synagogen in Berlin – Zur Geschichte einer zerstörten Architektur“, Teil 2, S. 90
  3. Berlin Museum (Hrsg.): Synagogen in Berlin – Zur Geschichte einer zerstörten Architektur. Teil 2, S. 92

52.48476666666713.3337972222227Koordinaten: 52° 29′ 5″ N, 13° 20′ 2″ O


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