Systemakkreditierung

Systemakkreditierung

Systemakkreditierung ist ein Begriff aus dem Kontext der Akkreditierung von Hochschulen; gleichbedeutend oder unklar abgegrenzt wird auch von Prozessakkreditierung gesprochen.

Unter Systemakkreditierung wird in Deutschland ein Verfahren zur Akkreditierung von Studiengängen an Hochschulen verstanden, bei dem eine Akkreditierungsagentur nicht die zu akkreditierenden Studiengänge (Programmakkreditierung) begutachtet, sondern stattdessen das Qualitätssicherungssystem einer Hochschule. Dahinter steht die Erwartung, dass ein leistungsfähiges Qualitätssicherungssystem die Gewähr dafür bietet, dass alle im Rahmen dieses Systems eingerichteten Studiengänge den Anforderungen der Programmakkreditierung genügen. Es handelt sich insofern um ein indirektes System der Akkreditierung.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung und Entwicklung der Systemakkreditierung

Wesentlicher Impuls für die Entstehung der Idee einer Systemakkreditierung war die verbreitete Unzufriedenheit mit Verfahren der (Programm-)Akkreditierung von Studiengängen, z.B. hinsichtlich

  • der direkten und indirekten Kosten (Kosten für Agenturen, Bindung von Personen und Ressourcen in den Hochschulen durch vielfach langwierige und aufwändige Verfahren),
  • des Missverhältnisses zwischen der hohen Zahl zu akkreditierender Studiengänge und der verfügbaren "Akkreditierungskapazität" der sechs zugelassenen Agenturen ("Akkreditierungsstau"),
  • des Nutzens fortgesetzter Programmakkreditierungen in Hochschulen bzw. Fachbereichen, die bereits einen oder mehrere Studiengangsakkreditierungen durchlaufen haben und
  • des Problems einer angemessenen Erfassung und Berücksichtigung institutioneller Aspekte durch wechselnde Gutachtergruppen, deren Begutachtungsauftrag jeweils auf einzelne Programme fokussiert ist.

Kritik an den Verfahren der Programmakkreditierung verdichtete sich mit dem Fortschreiten des Umstellungsprozesses. Ein erstes, als Pilotversuch angelegtes Verfahren der Prozessakkreditierung wurde in Anbindung an das "Projekt Qualitätssicherung" der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) durchgeführt. Beteiligt waren die Universitäten Bayreuth und Bremen, die Fachhochschulen Erfurt und Münster sowie die Akkreditierungsagentur ACQUIN. Die Finanzierung dieses Projekts durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF unterstreicht die damit verbundene Intention der institutionellen Weiterentwicklung des Akkreditierungssystems.

Auf einer Abschlusskonferenz im Oktober 2006 wurden Ergebnisse aus den sehr unterschiedlich angelegten und verlaufenen Pilothochschulen vorgestellt. Die dort vorgetragenen institutionellen Folgerungen hinsichtlich der Möglichkeit einer Ablösung der Programmakkreditierungen waren sehr zurückhaltend.

Ein weiteres Modellprojekt zur Systemakkreditierung fand an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) in den Jahren 2006–2008 statt. Das Projekt wurde u. a. von einem Beirat aus externen Expertinnen und Experten aus dem Bereich Akkreditierung und Qualitätssicherung an Hochschulen, dem Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur sowie der Akkreditierungsagentur ACQUIN begleitet. Seit dem 28. März 2011 hat die JGU bundesweit als erste Hochschule ein offizielles Akkreditierungssiegel für ihr funktionierendes Qualitätssicherungssystem erhalten.


Beratungen und Beschlüsse von Akkreditierungsrat, HRK und Kultusministerkonferenz (KMK) im ersten Halbjahr 2007 eröffneten den weiteren Weg hin zur Systemakkreditierung. Beauftragt von der KMK legte der Akkreditierungsrat am 8. Oktober 2007 eine erste Fassung von Kriterien der Systemakkreditierung sowie von Verfahrensregularien vor. Diese gaben Anstoß zu weiteren Diskussionen, die insbesondere zu einer erneuten Beratung und Beschlussfassung der KMK im Dezember 2007 führten, die wiederum Anlass zu einer Modifikation der Beschlüsse des Akkreditierungsrates gaben. Die zweite Fassung der Vorgaben des Akkreditierungsrates zur Systemakkreditierung wurde am 29. Februar 2008 beschlossen.

Kriterien und Verfahren der Systemakkreditierung

Regulierungsbehörde in Akkreditierungsangelegenheiten von Studiengängen an Hochschulen ist der Akkreditierungsrat. Dieser hat Beschlüsse zu Kriterien und zu Verfahren der Systemakkreditierung gefasst, die über seine Website zugänglich sind.

Das Verfahren der Systemakkreditierung überträgt in der Industrie bekannte Verfahren des Qualitätsmanagements auf die Hochschulen. Kennzeichnend für diese Herangehensweise ist die Fokussierung auf Prozesse der Produktion bestimmter Produkte oder Dienstleistungen (in diesem Fall wohl: wissenschaftlicher Qualifikation), die insbesondere

  • umfassend und vollständig zu dokumentieren,
  • hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit zu überprüfen und
  • ggf. zu verbessern sind.

Gegenstand der Systemakkreditierung sind diese Strukturen der Qualitätssicherung, die hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit zu bewerten sind. Hinsichtlich der genauen Kriterien der Leistungsfähigkeit besteht bisher keine hinreichende Klarheit, als explizit und unbedingt zu erfüllen müssen sicherlich die insbesondere durch Gesetze und KMK-Beschlüsse definierten Anforderungen an zu akkreditierende Studiengänge gelten, zur Verunklarung tragen jedoch einerseits Akkreditierungsrat und -agenturen, die als eine Art "Quasi-Behörden" in einem Graubereich unklarer Legitimation eigentätig normsetzend wirken, andererseits die in hohem Maße idiosynkratischen, von personeller Zusammensetzung der Gutachtergruppe und kontingentem Begutachtungsverlauf abhängigen Ergebnisse der Begutachtung bei. Über die Begutachtung des Qualitätssicherungssystems hinaus sind außerdem exemplarisch bestimmte strukturelle Merkmale der Studiengänge (Merkmalsstichprobe) sowie beispielhaft ausgewählte Studienprogramme (Programmstichprobe) in die Systemakkreditierung einzubeziehen. Überdies ist vor der Zulassung einer Hochschule zur Systemakkreditierung eine Mindestzahl an Programmen in Verfahren der Programmakkreditierung zu akkreditieren.

Diese Beschlüsse zur Systemakkreditierung haben Anlass zu Diskussionen insbesondere der konkreten Anforderungen an Qualitätssicherungssysteme und der Ausgestaltung von Verfahren der Systemakkreditierung gegeben. Umstritten ist auch, ob angesichts der umfassenden Anforderungen, insb. der weiterhin vorgeschriebenen hohen Anteile an Programmakkreditierungen das ursprünglich verfolgte Ziel der Entlastung der Hochschulen von aufwändigen Verfahren überhaupt erreicht werden kann.

Literatur

  • Fähndrich, Sabine / Uwe Schmidt (Hrsg.) (2009): Das Modellprojekt Systemakkreditierung an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Mainz: Zentrum für Qualitätssicherung und -entwicklung. (= Mainzer Beiträge zur Hochschulentwicklung Band 15)
  • Grendel, Tanja / Rosenbusch, Christoph (2010): System accreditation: an innovative approach to assure and develop the quality of study programmes in Germany. In: Higher Education Management and Policy, Volume 22, Number 1, pp. 99-110.
  • Schmidt, Uwe/Jette Horstmeyer (2008): "Systemakkreditierung: Voraussetzungen, Erfahrungen, Chancen am Beispiel der Johannes-Gutenberg Universität Mainz", in: Beiträge zur Hochschulforschung, Heft 1, 30. Jahrgang, 2008, S.40-59, (herausgegeben vom Bayerischen Staatsinstitut für Hochschulplanung und Hochschulforschung, im Internet verfügbar unter http://www.ihf.bayern.de)
  • Winter, Martin (2007): "Programm-, Prozess- und Problem Akkreditierung. Die Akkreditierung von Studiengängen und ihre Alternativen", in: die hochschule, Jg.16, 2/2007, S.88-124

Weblinks

HRK, Projekt Q: Zentrale Anlaufstelle und Ressource für die deutsche Diskussion um Qualitätssicherung im Hochschulbereich. Neben aktuellen Themen und Vorhaben finden sich hier auch Informationen zu zurückliegenden Projekten, Tagungen, Workshops, etc., insb. auch zum o.g. Pilotprojekt "Prozessqualität für Lehre und Studium"

Die jeweils aktuellen Beschlüsse des Akkreditierungsrates, darunter auch die Vorgaben zur Systemakkreditierung, sind auf dessen Internetseite zu finden.


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