- 860-880 Lake Shore Drive Apartments
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Die 860-880 Lake Shore Drive Apartments bezeichnen zwei Hochhäuser am Michigansee in Chicago. Sie wurden 1951 durch den Architekten Ludwig Mies van der Rohe errichtet und gelten heute als wegweisende Bauwerke der Architektur der Moderne bzw. des Internationalen Stils.
Geschichte
1947 erhielt Ludwig Mies van der Rohe von dem Projektentwickler Herbert Greenwald und dem Grundstückseigentümer Robert Hall McCormick den Auftrag für die Planung von zwei Hochhäusern mit Eigentumswohnungen am Michigansee in Chicago.
Mies van der Rohe hatte 1921 mit seinem Wettberwerbsentwurf für ein Hochhaus an der Friedrichstraße in Berlin einen entscheidenden Impuls für die Weiterentwicklung für Hochhäuser überhaupt gegeben, indem er unter Verwendung eines modernen Stahltragwerks auf alle Grundriss- und Fassadenkonventionen verzichtend großflächig nutzungsvariable Innenräume und vollständig verglaste Fassaden vorschlug.
Bei den Lake Shore Drive Apartments setzte er nun dreißig Jahre später diese von ihm als "Haut- und Knochen" (=Glasfassade und Stahltragwerk) - Architektur bezeichnete und technisch innovative Bauweise das erste Mal in die Tat um. Dabei gelang es ihm hier im Hochhausbau als erstem Architekten alle Fassaden fast vollständig zu verglasen, die Wohnungen von konstruktiven Einschränkungen freizuhalten und durch eine konsequent technische Bauweise und subtile Gestaltung eine ganz neue Wahrnehmung zu schaffen, bei der die technischen Mittel selbst die ästhetische Wirkung entfalten.
Nach der Fertigstellung 1951 wurden die Apartmenthäuser von der Fachpresse meist sehr positiv aufgenommen und in der Folgezeit für Mies van der Rohe selber und zahlreiche andere Architekten zur Grundlage für die Planung ihrer Hochhausbauten, wobei die Nutzung mit Büros in den Vordergrund rückte ( z.B. Lever House von Gordon Bunshaft, Mile High Center von Ieoh Ming Pei, John Hancock Center von Bruce Graham).
Die 860-880 Lake Shore Drive Apartments stehen seit 1980 im "National Register of Historic Places" und zählen seit 1996 zu den "Chicago Landmarks".
Beschreibung
Die beiden fast baugleichen Hochhäuser stehen auf einem annähernd dreieckigen Grundstück am Ufer des Michigansees im Norden von Chicago direkt an der vielbefahrenen Uferstraße (Lake Shore Drive). Sie sind parallel an den beiden kurzen Seiten des Grundstücks ausgerichtet und stehen so im rechten Winkel zueinander, daß sie sich zum Michigansee hin öffnen.
Etwa 380 Eigentumswohnungen verteilt auf 26 Geschosse ergeben Gebäudehöhen von 266 Fuß (82m). Um die Erschließungskerne mit Treppen und Aufzügen in der Gebäudemitte ist ein quadratisches Stützenraster von 21 x 21 Fuß (6,47 x 6,47m) gelegt mit drei Feldern auf der Schmalseite und fünf Feldern auf der Längsseite. Die Stahlstützen sind zur Aussteifung des Gebäudes teilweise mit Wandscheiben aus Stahlbeton verbunden (Statik mit Frank Kornacker). Das gesamte Stahltragwerk ist feuersicher verkleidet.
Die Wohnungen werden durch einen Flur erschlossen, der in der Längsachse in Gebäudemitte den Erschließungskern durchschneidet. Sie sind bis auf eine Installationswand, die alle Sanitärleitungen aufnimmt, frei unterteilbar und an der Fassadenseite raumhoch verglast. Die Aluminiumfenster lassen sich im unteren Bereich aufklappen und darüber als Drehflügel ganz öffnen. In der Erstausstattung waren alle Wände weiß gestrichen und der Boden mit schwarzem Linoleum ausgelegt.
Die innen wie außen silbernen Rahmen der Aluminiumfenster blieben unbehandelt. Sie wurden über mehrere Geschosse vormontiert, an den Montageort gehoben und an den Außenstützen und Deckenrandträgern fixiert. Dieses Verfahren ermöglichte einen raschen Baufortschritt. Alle Rahmenpfosten und Stützen erhielten eine Verstärkung durch Doppel-T-Walzprofile, die der Konstruktion gebäudehoch und durchlaufend an der Außenseite vorgeblendet sind und die Fassadenstruktur optisch verschlanken.
Im Erdgeschoss mit einer Höhe von zwei Regelgeschossen ist die Fassade hinter die äußere Stützenreihe zurückgenommen, so dass ein kolonnadenartiger Umgang entsteht. Auch hier sind die Wände vollständig verglast, wobei etwa 60 Prozent der Gläser opak ausgeführt wurden. Neben einer großen Eingangshalle befinden sich in dieser Zone verschiedene Funktionsräume und ein Büro der Hausverwaltung bzw. ein kleines Lebensmittelgeschäft.
Innen wie außen sind die Standflächen der beiden Gebäude und der Verbindungsteil zwischen ihnen mit Travertinplatten bedeckt. In den zwei Untergeschossen, die fast die gesamte Grundstücksfläche einnehmen, befindet sich eine Tiefgarage mit etwa 115 Stellplätzen. An der Oberfläche ist ungefähr die Hälfte des Grundstücks mit Rasen und Bäumen begrünt.
Literatur
- Yilmaz Dziewior: Mies van der Rohe. Blick durch den Spiegel. Köln 2005, ISBN 3-88375-864-7
- Franz Schulze: Mies van der Rohe. Leben und Werk. Berlin 1986, ISBN 3-433-02249-6
41.898888888889-87.618888888889Koordinaten: 41° 53′ 56″ N, 87° 37′ 8″ W
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