Tabletten

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Tabletten (von lat. tabuletta „Täfelchen“) sind einzeldosierte feste Arzneiformen, die unter Pressdruck aus Pulvern oder Granulaten auf Tablettenpressen gefertigt werden. Die Formen der Tabletten sind unterschiedlich. Insbesondere bei Tabletten zur oralen Einnahme hat sich die bikonvexe Form (rund, oben und unten gewölbt) durchgesetzt. Mit einem Anteil von nahezu 50% an allen Arzneiformen nehmen Tabletten eine besondere Stellung ein.

In den Arzneibüchern (Europäisches Arzneibuch (PhEur)) werden Tabletten als Compressi bezeichnet. Allerdings konnte sich dieser Name weder in der pharmazeutischen Technologie, noch in anderen medizinischen Bereichen durchsetzen.

Sehr viele Wirkstoffe können tablettiert werden. Einige direkt, das heißt ohne weitere Verarbeitung des Pulvers oder Pulvergemisches (Direkttablettierung), die meisten über die Zwischenstufe des Granulats. In aller Regel werden neben dem eigentlichen Wirkstoff zusätzliche Hilfsstoffe benötigt.

Skulptur "Meilensteine der Medizin" beim Berliner Walk of Ideas, links das Marie-Elisabeth-Lüders-Haus

Inhaltsverzeichnis

Vorteile von Tabletten

  • billige und massenhafte Produktion auf geeigneten Maschinen möglich
  • gut zu verpacken und zu transportieren
  • hohe Stabilität des Wirkstoffes in der Arzneiform
  • genau dosierbar
  • einfache Einnahme

Direkttablettierung

Unter Direkttablettierung versteht man das Verpressen der Pulver oder Pulvergemischen mit oder ohne Zusatz von Hilfsstoffen ohne weitere Vorbehandlung. Sie erscheint damit einfach und billig. Nachteilig ist, dass nur wenige Substanzen die zur Direkttablettierung notwendigen Eigenschaften, insbesondere die Fließfähigkeit der Haufwerke und die Bindungskräfte zwischen den Partikeln, besitzen.

Grob kristalline Pulver mit kubischen Kristallen lassen sich am besten verarbeiten. Eine Korngröße von 0,5 bis 1 mm ist optimal. Die Pulver sollen trocken sein, also eine Restfeuchte von max. 10% aufweisen und in Räumen verpresst werden, die eine maximale relative Luftfeuchtigkeit von 50% aufweisen.

Zur Direkttablettierung geeignet

Hilfsstoffe

Durch den Zusatz von Hilfsstoffen werden im Pulvergemisch die zur Tablettierung notwendigen Eigenschaften verbessert und die Eigenschaften der fertigen Tablette modifiziert.

Fließmittel

Sie verbessern die Fließeigenschaften des Haufwerkes: Hochdisperses Siliciumdioxid besitzt eine hohe spezifische Oberfläche und kann bis zu 40% Wasser aufnehmen, ohne seine Fließfähigkeit zu verlieren. Anderes Beispiel: Talkum

Binde- und Sprengmittel (Zerfallsmittel)

Sie verbessern das Verpressen zu haltbaren Tabletten (=Verbesserung der Partikelhaftung) und das spätere Zerfallen der Tabletten im Magen-Darm-Trakt:

Cellulose, besonders mikrokristalline Cellulose oder mikrofeine Cellulose, führt zu bruchfesten Tabletten, verschlechtert aber die Fließeigenschaften. Durch ihr Quellvermögen bedingt die Pulvercellulose eine kurze Zerfallszeit. Weitere Bindemittel sind die Cellulosederivate HPMC und HPC, sowie die Polyvinylpyrrolidon (PVP - Kollidone). Diese sind sehr effektive Feuchtbindemittel. Zu den Trockenbindemitteln (Granulation ohne Zusatz von Wasser) zählen wiederum die HPC-Varianten, sowie die Copovidone.

Die Gruppe der Sprengmittel oder auch zerfallsfördernde Mittel wird v.a. durch die quervernetzten PVP- Marken bestimmt (Kollidon CL).

Schmiermittel

Sie verbessern die Eigenschaften zur Verpressung auf der Tablettenpresse und verringern die Reibung zwischen Tablette und Matrizenwand. Siehe dazu: Magnesiumstearat

Überzogene Tabletten (Dragees und Filmtabletten)

Arbeiterin bei der Dragierung, VEB Arzneimittelwerk Dresden, 1976

Überzogene Tabletten bestehen aus einem Kern und einer gleichmäßigen, lückenlosen Schicht. Der Kern besteht im Allgemeinen aus einer Tablette oder einem Granulatkorn, bzw. Pellet.

Die aufgetragene Schicht besteht entweder aus Zucker (=klassisches Zuckerdragee) oder aus einem anderen Filmbildner (= Filmtabletten). Die Schicht ist meist gefärbt und kann gegebenenfalls noch andere Substanzen enthalten, um die Eigenschaften der fertigen Arzneiform in der gewünschten Weise zu verändern (Geruch, Geschmack, ...)

Unter Dragieren versteht man das Umhüllen eines Kerns mit Zuckerschichten. Heute werden immer häufiger andere Überzugsmaterialien verwendet. Besteht die Schicht nur noch aus einem einzigen dünnen Film, spricht man von Filmtabletten.

Gründe für das Überziehen von Tabletten

  • Überdecken unangenehmen Geschmacks
  • Verbesserte Verarbeitung bei der Konfektionierung (Besseres Gleiten)
  • Verdecken eines unangenehmen oder uneinheitlichen Aussehens
  • Schutz der Arzneistoffe vor äußeren Einflüssen
  • Erzielung einer Resistenz gegen Magensaft
  • Ganz allgemein Steuerung / Modifizierung der Wirkstofffreisetzung
  • Erleichtern des Schluckens
  • Erleichterung der Identifizierung (Arzneimittelsicherheit)

Zuckerdragierung

Dies ist das klassische Dragieren, d.h. das Überziehen der Kerne mit Zuckerlösungen. Die hohen Produktionskosten, die Schwierigkeiten den Prozess zu standardisieren (automatisieren) und die lange Herstellungsdauer von bis zu einer Woche pro Charge lassen dieses Verfahren zugunsten der Filmtablette immer weiter zurücktreten.

Beim Kaltdragieren wird die Zuckerlösung bei normaler Zimmertemperatur aufgetragen, beim Warmdragieren (Heißdragieren) wird der erwärmte Zuckersirup verwendet (ca. 50 – 60° C).

Der Vorgang findet in Dragierkesseln statt, in der die Kerne durch Rotation der Trommel ins Rollen gebracht werden. Die Dragierflüssigkeit wird zugesetzt und überzieht nach und nach die Kerne. Gleichzeitig wird vorsichtig getrocknet (Warmluft oder IR-Strahler). Der Vorgang wird so lange wiederholt bis sich eine ausreichend dicke und stabile Schicht um den Kern gebildet hat. Dies kann bis zu 50 Dragiervorgänge erfordern. Die Kerne erfahren dadurch eine Gewichts- und Volumenzunahme.

Dragierprozess im Einzelnen

  • Imprägnieren
    • zum Schutz vor dem Eindringen der Dragierflüssigkeit in den Kern; z.B. mit Schellacklösungen oder Polymerisaten.
  • Andecken
    • zum mechanischen Schutz und zum Vorbereiten des Auftragens. Andecksirup enthält neben dem Zucker noch Bindemittel (PVP, Cellulose, usw.)
  • Auftragen (bis zu 50-mal)
    • Das Auftragen ist der eigentliche Dragiervorgang. Wird bis zum Erreichen der gewünschten Dicke wiederholt.
  • Färben
    • Zum Färben wird der letzten Auftragsschicht Farbstoff zugesetzt (1 – 3%).
  • Glätten
    • Der Glättsirup wird aufgetragen, um Unebenheiten zu beseitigen. Langsames Trocknen ist wichtig, daher keine Wärmezufuhr.
  • Polieren
    • Zum Verbessern des Aussehens wird mit Öl oder Polierwachs in besonderen mit Filz ausgeschlagenen Trommeln ohne Wärmeanwendung laufen gelassen.

Schnelldragierung

Die Schnelldragierung entspricht in ihren wesentlichen Arbeitsgängen der oben beschriebenen Dragierung. Die Zeitersparnis wird dadurch realisiert, dass man sich mit einer um 70% – 90% geringeren Schichtdicke zufrieden gibt. Ferner werden zum Schnelldragieren Dragieremulsionen verwendet. In wenigen Stunden lassen sich so Dragees herstellen.

Filmtabletten (Filmdragees) / film coated tablets

Der Unterschied zur Dragierung liegt darin, dass die Kerne mit einer einzigen, durchgehenden, gefärbten Schicht aus besonderen Überzugsmaterialien überzogen wird. Weder das Volumen noch die Form des Kerns wird dabei verändert. Gravuren bleiben sichtbar. Obwohl diese Schicht nur sehr dünn ist, so soll sie doch alle wesentlichen Vorteile der unter „Gründe für das Überziehen“ genannten Eigenschaften erhalten.

Der entscheidende Vorteil der Filmüberzüge ist die dramatische Zeitersparnis.

Überzugsmaterialien

Überzugsmaterialien werden üblicherweise nach chemischen oder funktionellen Gesichtspunkten eingeteilt.

Chemische Unterteilung

  • Cellulose und Cellulosederivate
  • Methacrylsäurecopolymere
  • Polyvinylpyrrolidon (PVP) und Derivate

Funktionelle Einteilung

Schnelllösliche Filmbildner
  • Methylcellulose
  • PVP
  • Polyvidonacetat

Magensaftlösliche und dünndarmlösliche Filmbildner
  • Hydroxpropylmethylcellulosephtalat
  • Carboxymethylcellulose
  • Polyvinylacetatphtalat
  • Schellack
  • Methacrylsäureester

Unlösliche Filmbildner
  • Ethylcellulose
  • Methacrylsäureester

Andere Hilfsstoffe wie Weichmacher (Citronensäureester. Phtalatsäureester, Polyalkohole, Polyoxyethylenderivate) erhöhen die Flexibilität des Filmes und setzen die Sprödigkeit herab. Als Farbstoffe werden (mit Einschränkungen) die üblichen Lebensmittelfarbstoffe verwendet. Die Verwendung von Farbstoffen in Arzneimitteln ist in der Arzneimittelfarbstoffverordnung (AMFarbV) geregelt.

Ablauf der Tablettenherstellung

in einer Tablettenfabrik (1904)
Drageeturbine

Tabletten werden aus Pulvergemischen gepresst. Meist - wenn auch nicht immer - werden diese Gemische vor dem Verpressen granuliert, d. h. in gröbere Teilchen überführt. Der wichtigere Grund dafür soll an einem Beispiel veranschaulicht werden:

Neigt man eine Schaufel mit feinem Mehl immer stärker, so geschieht zunächst gar nichts, bis bei starker Neigung plötzlich das ganze Mehl auf einmal in einer großen Staubwolke herabfällt. Nimmt man dagegen eine Schaufel mit körnigem Zucker, so gerät er viel früher und gleichmäßiger ins Fließen.

Zucker ist zwar kein Granulat, aber seine Kristalle fließen ähnlich gut wie Granulate. Ein solches Fließen ist für die Verarbeitung auf den Tablettenpressen sehr wichtig, denn wenn die Masse ins Stocken gerät, entstehen zu leichte Tabletten. Ein anderer Grund für das Granulieren liegt darin, dass im Granulat die verschiedenen Bestandteile aneinander haften und sich nicht wieder entmischen können. Uneinheitliche Gemische führen zu Schwankungen im Wirkstoffgehalt. Manchmal allerdings kann man auch auf das Granulieren verzichten und die Tabletten direkt aus den Pulvergemischen pressen. Diese Herstellungsart nennt man Direktverpressung. Insgesamt wendet man folgende Verfahren zur Herstellung von Tablettenmassen an:

  • Pulvermischung (zur Direktverpressung)
  • Feuchtgranulierung
  • Wirbelschichtgranulierung
  • Trockengranulierung

Die Direktverpressung ist die wirtschaftlichste und eleganteste Methode, sie lässt sich aber nur bei einem Teil der Tabletten verwirklichen, da Pulvergemische sich oft schlecht verarbeiten lassen.

Die Feuchtgranulierung ist das verbreitetste Verfahren zur Vorbereitung von Pressmassen. Dabei stellt man eine Art Teig her, der durch ein Sieb gepresst wird und getrocknet wird. Die Wirbelschichtgranulierung stellt eine Sonderform der Feuchtgranulierung dar. Die Trockengranulierung wird notwendig, wenn die Mischung feuchtigkeitsempfindlich ist.

Der Ablauf der Tablettenherstellung gliedert sich in folgende Schritte:

Vorbereitung der Substanzen und Einwaage - Granulierung - Verpressung

Siehe auch


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