Tapeten-Kutte

Tapeten-Kutte
Kurt Hager (1984)
1. März 1989 in Berlin: Kongress der Unterhaltungskunst der DDR. In einer Beratungspause des ersten Tages unterhielten sich Schlagersänger Michael Hansen, Kurt Hager, Chansonsängerin Barbara Kellerbauer, Rocksängerin Ines Paulke, Sängerin und Moderatorin Dagmar Frederic und Conferencier Heinz Quermann (von rechts)

Kurt Hager (* 24. Juli 1912 in Bietigheim (Württemberg); † 18. September 1998 in Berlin) hat als Mitglied des Zentralkomitees (ZK) und des Politbüros des ZK der SED die Kultur- und Bildungspolitik in der DDR maßgeblich mitbestimmt. Er galt als Chefideologe der SED.

Leben

Als Sohn eines Arbeiters legte Hager nach Besuch von Volks- und Oberrealschule 1931 das Abitur ab. Er war Mitglied des CVJM und des Sozialistischen Schülerbundes, arbeitete als Journalist und trat 1930 in die KPD, 1932 in den Roten Frontkämpferbund ein. Er war 1933 an der Störung der ersten Rede Adolf Hitlers im Radio (Stuttgarter Kabelattentat) beteiligt, wurde verhaftet und kam in das KZ Heuberg. Nach kurzer Haft emigrierte er 1936.

Bis 1937 war er u.a. als Kurier für den Kommunistischen Jugendverband Deutschlands in der Schweiz, der ČSR und Frankreich tätig. Von 1937 bis 1939 nahm er am Spanischen Bürgerkrieg als Journalist teil, wo er für den Deutschen Freiheitssender und das Auslandsprogramm von Radio Madrid arbeitete.

1939 wurde er in Frankreich interniert und emigrierte dann nach England. Dort war er für die Auslandsorganisation der KPD aktiv, schrieb unter dem Pseudonym Felix Albin, wurde dann zeitweilig erneut als Enemy Alien interniert, zunächst in Huyton, später auf der Isle of Man. Er war auch Mitglied des Vorstandes der Freien Deutschen Bewegung in Großbritanien. 1945 kehrte er nach Berlin zurück. Bis 1946 arbeitete er dann, zunächst als Forstarbeiter und Schweißer, später als Journalist für die Zeitschrift Freie Tribüne.

Nach seiner Rückkehr war er stellvertretender Chefredakteur des Vorwärts und absolvierte 1948 einen Dozentenlehrgang an der Parteihochschule in Kleinmachnow und wurde 1949 ordentlicher Professor für Philosophie der Humboldt-Universität Berlin.

1946 trat er in die SED ein. Dort wurde er Leiter der Abteilung Parteischulung und 1949 Leiter der Abteilung Propaganda. 1950 wurde er Kandidat und 1952 Leiter der Abteilung Wissenschaft des ZK der SED. 1954 wurde er Mitglied und 1955 Sekretär des Zentralkomitees der SED. In dieser Funktion war er verantwortlich für Wissenschaft, Volksbildung und Kultur. 1959 wurde er Kandidat und 1963 Mitglied des Politbüros des ZK der SED und Leiter der Ideologischen Kommission des Politbüros. Er wurde 1958 Abgeordneter der Volkskammer und 1967 Vorsitzender von deren Volksbildungsausschuss. Außerdem war er von 1976 bis 1989 Mitglied des Staatsrates und von 1979 bis 1989 Mitglied des Nationalen Verteidigungsrates. Im SED-Politbüro galt Hager als Chefideologe und oberster Kulturverantwortlicher.

In Reden und Schriften bestritt Hager die Existenz einer einheitlichen deutschen Kulturnation und einer gemeinsamen deutschen Geschichte. 1987 gab Hager in einem Interview mit der bundesdeutschen Illustrierten Stern zu den Reformen Gorbatschows in der Sowjetunion die Antwort: Würden Sie, wenn Ihr Nachbar seine Wohnung neu tapeziert, sich verpflichtet fühlen, Ihre Wohnung ebenfalls neu zu tapezieren?. Diese Absage an die Politik von Glasnost und Perestroika der sowjetischen Schutzmacht wurde sowohl an der Parteibasis als auch in der Bevölkerung der DDR mit Unmut aufgenommen. Wolf Biermann titulierte Hager in seinem Lied Ballade von den verdorbenen Greisen verächtlich als Professor Tapeten-Kutte. In einer spontanen Begegnung mit erstmals in das Wachobjekt Wandlitz einströmenden DDR-Journalisten gab Hager an, unfreiwillig in der Hochzeit des Kalten Krieges hier einquartiert worden zu sein. Man habe sich „den Beschlüssen der Partei gebeugt“, sagte Hager in Gegenwart seiner Frau. Wandlitz, das sich nach 1989 zum Inbegriff der Doppelzüngigkeit der DDR-Oberen einen Namen gemacht hatte, bezeichnete er als sein siebtes Internierungslager, in das er gekommen sei.

Im November 1989 schied Hager aus seinen Funktionen aus und wurde 1990 aus der SED-PDS ausgeschlossen. 1995 trat er in die Deutsche Kommunistische Partei in Berlin ein.

1995 wurde gegen Hager im so genannten Politbüro-Prozess Anklage wegen der Todesschüsse an der deutsch-deutschen Grenze erhoben. Ein Jahr später wurde das Verfahren wegen seines schlechten Gesundheitszustandes jedoch ausgesetzt.

Im Jahr 1998 starb Kurt Hager. Sein Grab befindet sich auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde.

Hager wurde in der DDR vielfach ausgezeichnet. Er erhielt 1956 die Hans-Beimler-Medaille, 1962 das Banner der Arbeit, 1964 den Vaterländischen Verdienstorden, 1969 den Titel Held der Arbeit sowie 1972, 1977 und 1982 den Karl-Marx-Orden.

Kurt Hagers Frau, Käthe Hager, war zu DDR-Zeiten Vertreterin des ZK der SED im Sekretariat der IDFF. Seine Tochter Nina Hager ist stellvertretende Parteivorsitzende der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP).

Schriften

Für dieses Buch schrieb Kurt Hager 1949 das Vorwort
  • "László Rajk und Komplicen vor dem Volksgericht", Berlin 1949 (Vorwort).
  • "Der dialiektische Materialismus - die theoretische Grundlage der Politik der SED", Berlin 1958.
  • "Humanismus und Wissenschaft", Berlin 1961.
  • "Zur geistigen Situation der Gegenwart", Berlin 1961.
  • "Der Parteiarbeiter. Bildung und Kultur im entwickelten gesellschaftlichen System des Sozialismus und die Aufgaben der Parteiorganisationen", Berlin 1967.
  • "Die Aufgaben der Gesellschaftswissenschaft in unserer Zeit", Berlin 1968.
  • "Grundfragen des geistigen Lebens im Sozialismus", Berlin 1969.
  • "Marxistisch-leninistische Philosophie und ideologischer Kampf"", Berlin 1970.
  • "Zur Theorie und Politik des Sozialismus", Reden und Aufsätze, Berlin 1972.
  • "Sozialismus und wissenschaftlich-technische Revolution", Berlin 1972.
  • "Wissenschaft und Technologie im Sozialismus", Berlin 1974.
  • "Die Gesellschaftswissenschaften vor neuen Aufgaben", Berlin 1981.
  • "Beiträge zur Kulturpolitik", Berlin 1981.
  • "Kontinuität und Veränderung", Berlin 1988.
  • "Erinnerungen", Leipzig 1996, ISBN 3-92866-080-2.

Weblinks


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