Tarifpluralität

Tarifpluralität

Die Tarifeinheit ist ein Grundsatz im kollektiven Arbeitsrecht, mit dem die Rechtsprechung den anzuwendenden Tarifvertrag bestimmt, wenn mehrere Tarifverträge dieselbe Tätigkeit regeln. Solche sog. Tarifkollisionen können entweder innerhalb eines Arbeitsverhältnisses (man spricht von "Tarifkonkurrenz") oder innerhalb eines Betriebes (man spricht von Tarifpluralität) vorkommen.

Tarifkonkurrenz

In Fällen der Tarifkonkurrenz wird ein Arbeitsverhältnis von mehreren Tarifverträgen erfasst, die dieselben Regelungsmaterien enthalten. Zu unterscheiden ist hierbei nach der Ursache der Konkurrenz: Die jeweiligen Tarifparteien können die kollidierenden Tarifverträge „autonom“ abgeschlossen haben, etwa wenn ein Verbandstarif und ein Firmentarifvertrag vorliegen. Die andere Möglichkeit ist, dass die Tarifkonkurrenz durch staatliche Einflussnahme verursacht wurde. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn es neben einem Firmentarifvertrag noch einen nach § 5 IV TVG für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag gibt, oder wenn der Arbeitgeber trotz Verbandwechsels nach § 3 III TVG an den bisherigen Tarifvertrag gebunden bleibt.[1] Die Rechtsprechung stellt in diesen Fällen nach dem Grundsatz der Spezialität die Tarifeinheit im Arbeitsverhältnis her. Danach ist der Tarifvertrag anzuwenden, der dem Betrieb räumlich und fachlich am nächsten steht. Dabei hat der Firmentarifvertrag Vorrang vor dem Verbandstarifvertrag, der fachspezifische vor dem fachübergreifenden und der regionale Tarifvertrag vor dem überregionalen. [2]

Tarifpluralität

Davon zu unterscheiden sind die Fälle der Tarifpluralität. Sie liegt vor, wenn mehrere Tarifverträge für unterschiedliche Arbeitsverhältnisse eines Betriebes Geltung beanspruchen, der Arbeitgeber also doppelt tarifgebunden ist. [3] Ein Beispiel dafür ist, dass der Arbeitgeber gleichzeitig an einen Verbandstarifvertrag und einen Firmentarifvertrag mit einer anderen Gewerkschaft gebunden ist. Möglich ist auch, dass dieser Verbandstarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt wurde. Die Rechtsprechung löst Tarifpluralitäten trotz massiver Kritik aus dem Schrifttum [4] wie Tarifkonkurrenzen (s.o.) grundsätzlich nach dem Prinzip der Tarif­einheit auf. Der Grundsatz lautet also „ein Betrieb – ein Tarif“. Insbesondere zur Wahrung der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit müsse auf den gesamten Betrieb bezogen ein einzelner Tarifvertrag gelten. Welcher das ist, ergibt sich aus dem Grundsatz der Spezialität.[5] Kritisiert wird daran vor allem, dass dieser Eingriff in die Koalitionsfreiheit (Art. 9 III 1 GG) des Arbeitnehmers und der (verdrängten) Gewerkschaft verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen sei. Insbesondere werde ein Arbeitnehmer, der in der "verdrängten" Gewerkschaft organisiert ist um die "Früchte seiner Koalition" gebracht und fällt auf den Status eines Nicht-Organisierten zurück, wenn keine Bezugnahmeklausel vereinbart wird. [6]

Quellen

  1. Junker, Abbo: Grundkurs Arbeitsrecht, 6. Auflage, München 2007, Rn. 559
  2. Wiedemann/Arnold, ZTR 1994, Tarifkonkurrenz und Tarifpluralität des BAG, S.402
  3. Jacobs, Matthias: Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz, Berlin 1999, S. 99 ff.
  4. Überblick in Fenn, Herbert; Festschrift Kissel, München 1994, S.229 ff.
  5. Giesen, Richard: Beck'scher Online Kommentar- Arbeitsrecht § 4 TVG Rn.16
  6. BAG AP Nr. 19 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz, Blatt 3

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