Bankenkrach

Bankenkrach

Bankenpleite oder „Bankencrash“ ist der umgangssprachliche Ausdruck für die temporäre oder dauerhafte Zahlungsunfähigkeit eines oder mehrerer Kreditinstitute in einem Staat. Der Begriff kann – aber muss nicht – identisch sein mit dem Rechtsbegriff der Insolvenz.

Gemälde Bankenkrach, Wladimir Jegorowitsch Makowskij, 1880

Inhaltsverzeichnis

Allgemeines

Kein Sektor in einer Volkswirtschaft hat eine derart zentrale, herausragende und systemsichernde Rolle wie die Kreditinstitute. Banken sind für das Funktionieren einer Volkswirtschaft unerlässlich: ohne Banken gibt es keinen geordneten Ablauf des allgemeinen Zahlungsverkehrs, werden früher oder später Nichtbanken insolvent (weil sie entweder keinen Kredit mehr erhalten oder nicht über ihre Geldanlagen verfügen können) und Börsen können das Wertpapiergeschäft nicht mehr abwickeln. Deshalb ist es das Ziel nationaler Regierungen, das Bankwesen funktionsfähig zu halten.

Ursachen und Symptome

Eine allgemeine Wirtschaftskrise oder eine spezifische Bankenkrise geht einer Bankenpleite meist voraus. Ausnahmen sind individuelle Schieflagen eines einzelnen Kreditinstituts, die lediglich isolierte Auswirkungen entfalten. Meistens jedoch geraten viele Institute gleichzeitig in eine Krise. Das liegt an den sich kaum unterscheidenden Anlagestrategien, die dazu beitragen, dass Banken über ähnliche Portfoliostrukturen verfügen und somit gleichgewichteten Risiken unterliegen. Tritt dann ein Risiko ein, sind aufgrund der hohen Korrelation der Bankrisiken auch viele Institute gleichzeitig betroffen[1]. Die engen Interbankbeziehungen (also Bankgeschäfte der Kredititinstitute untereinander) sorgen zudem für weitere gegenseitige Abhängigkeiten.

Für beide Formen der Bankenkrise gilt, dass der Außenstehende sie am ehesten an den Zinssätzen für Geldanlagen erkennen kann. Liegen die Zinssätze eines Kreditinstituts oder einer Institutsgruppe deutlich über dem durchschnittlich angebotenen - für die Anlageform und Laufzeit vergleichbaren – Zinssatz anderer Institute, kann dies als Indiz für eine sich abzeichnende Krise gewertet werden. Dann sind Gläubiger offenbar nur bereit, diesem Institut lediglich gegen höhere Risikoprämie Geld zu leihen, was im Rating der Ratingagenturen für dieses Institut zum Ausdruck kommen wird. Daher ist auch das Rating eines Instituts ein wichtiger Indikator für die Bonität einer Bank.

Bedeutung einzelner Banken für die Volkswirtschaft eines Staates

Für einige Kreditinstitute hat sich während der Finanzmarktkrise der Begriff „systemrelevant“ oder „systemtragend“ herausgebildet. Damit sind diejenigen Kreditinstitute oder Institutsgruppen eines Staates gemeint, die wegen ihrer Größe und/oder Bedeutung eine besondere Rolle im Rahmen des Kreditwesens wahrnehmen und deshalb bei etwaigen Staatshilfen ("bail-outs“) als erste mit einer Rettung durch den Staat rechnen können (siehe auch "Too Big to Fail"). Was systemrelevant konkret bedeutet, wird von Fall zu Fall entschieden. Jedenfalls werden davon Banken erfasst, die für das Funktionieren des (europäischen) Finanzsystems wichtig sind[2]. Das gilt jedoch nicht uneingeschränkt, wie die Insolvenzen von „Lehman Brothers“[3] und „Washington Mutual“ im September 2008 beweisen[4]. „Washington Mutual“ war die größte US-Bausparkasse und musste an „J. P. Morgan“ notverkauft werden[5]. Bei der Bausparkasse hatten die Kunden zwischen dem 15. und 26. September 2008 insgesamt US Dollar 16,7 Mrd. Liquidität abgezogen, sodass die Bausparkasse „nicht über ausreichend Liquidität verfügt, um ihren Verpflichtungen nachzukommen“[6]. Damit war „Washington Mutual“ – gemessen am Einlagevolumen – die größte Bankenpleite der USA. Bei nicht systemrelevanten, kleineren Banken mit lediglich regionaler Bedeutung ist indes die Insolvenzwahrscheinlichkeit noch wesentlich höher, wie die zahlreichen Insolvenzen von derartigen Instituten in den USA zeigen[7]. Die Insolvenzen führen jedoch nicht zu einem vollständigen Verlust der Einlagen, weil diese der FDIC (Federal Deposit Insurance Corp.) zufolge grundsätzlich abgesichert seien. Die FDIC rechnet mit weiteren Pleiten unter den weit mehr als 8.000 US-Banken[8]. Die US-Regierung hatte im Oktober 2008 - fast zeitgleich mit einigen anderen Staaten - ein Rettungspaket für Banken ("Troubled Asset Relief Program, TARP") in Höhe von US Dollar 700 Mrd. beschlossen, das mehr als 350 Banken stützen sollte[9] [10].

Nach Einschätzung des US-Notenbankchefs ist eine Wiederherstellung des Finanzsystems die Grundvoraussetzung für eine nachhaltige Erholung der Realwirtschaft. Dabei unterstrich er die Notwendigkeit, systemrelevante Banken und Finanzinstitute weiter zu unterstützen, um einen Ausfall zu vermeiden[11]. Die Insolvenz eines einzigen großen Finanzkonzerns kann aufgrund der engen Verzahnung der internationalen Finanzmärkte zu unkontrollierbaren Reaktionen an den internationalen Kapitalmärkten führen.

Bank Run

Da Kreditinstitute den größten Teil des Vermögens der Bevölkerung verwalten, ist das Vertrauen der Bevölkerung in ein krisensicheres Bankwesen von essentieller Bedeutung. Kommt es dann zu einer Bankkrise, ist die Gefahr des panischen Ansturms der Anleger auf die betroffene Bank sehr hoch („Bank Run“), wie etwa bei „Northern Rock“ in Großbritannien im September 2007 zu beobachten war. Banken sind von ihrer Bilanzstruktur lediglich auf normale Auszahlungs- (Barabhebungs-)gewohnheiten der Bevölkerung ausgerichtet. Ihre Barbestände und die Primärliquidität (die sofort in Barbestände umwandelbar ist) sind aus Rentabilitäts- und Sicherheitsgründen minimiert. Deshalb steht lediglich ein sehr geringer Teil der Geldanlagen bei einem Kreditinstitut als Bargeld und sog. Primärliquidität für sofortige Auszahlungen zur Verfügung. Diese Bestände entsprechen den zu erwartenden, normalen Abhebungsgewohnheiten der Bankkunden. Kommt es jedoch unerwartet zu einer massenhaften Auszahlung der Geldanlagen, können die Verfügungswünsche der Kunden insgesamt nicht mehr erfüllt werden. Diese panische Reaktion von breiten Bevölkerungsmassen hat negative psychologische Auswirkungen auf die gesamte Bank- und Volkswirtschaft eines Staates, sodass Regierungen daran gelegen ist, derartige Massenwirkungen durch frühzeitiges Erkennen von sich abzeichnenden Krisen zu verhindern. Dies kann durch präventive und detaillierte Bankaufsicht geschehen.

Berlin, Bankenkrach, Andrang bei der Sparkasse 1931

Die Zahlungsunfähigkeit einer Bank kann in deren Überschuldung begründet sein. Wäre die Bank zahlungsunfähig, aber nicht überschuldet, so könnte sie bei ihrer Zentralbank leicht Bargeld und andere Zahlungsmittel erwerben, wenn die Zentralbank bereit ist, die Schuldtitel der Bank als werthaltig zu akzeptieren ("notenbankfähige Wertpapiere") und daher diese Schuldtitel gegen Geld zu kaufen oder zu verpfänden. Oft kann die betroffene Bank jedoch keine als notenbankfähig anzusehenden Schuldtitel anbieten, weil sie lediglich über schwach geratetete Vermögenstitel verfügt.

Schutz vor Bankenkrisen

Wegen der zentralen Bedeutung für eine funktionierende Volkswirtschaft werden die Banken weltweit durch internationale und nationale Gesetze überwacht. Der Erlass von finanzmarktspezifischen Gesetzen obliegt den nationalen Regierungen (Bankenregulierung). In den Ländern mit den wichtigsten Finanzmärkten wurden spezielle nationale Behörden geschaffen, die diese Gesetze anwenden und das Bankwesen überwachen (Bankenaufsicht). Am Beispiel in Deutschland soll die Funktionsweise der Überwachungssysteme erläutert werden; fast identische Systeme sind in Österreich und der Schweiz vorhanden.

Bankenaufsicht

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) vereinigt seit ihrer Gründung im Mai 2002 die Aufsicht über Banken (vorher: BaKred) und Finanzdienstleister, Versicherungen und den Wertpapierhandel. Sie ist als Anstalt des öffentlichen Rechts organisiert, unterliegt der Rechts- und Fachaufsicht des Bundesministeriums der Finanzen und finanziert sich aus Gebühren und Umlagen der beaufsichtigten Institute und Unternehmen. Die Aufsicht über Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute (Institutsaufsicht) übt die BaFin in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bundesbank aus (§ 6 Abs. 1 und § 7 Abs. 1 KWG).

Aufsichtsgesetze

Die detektive und präventive Bankenaufsicht erfolgt aufgrund einer Vielzahl von Gesetzen und Verordnungen, die im Verhältnis zwischen Kreditinstituten und Bankenaufsicht gelten. An Stelle vieler sollen erwähnt werden das Bundesbankgesetz (BBankG), das Kreditwesengesetz (KWG), die Solvabilitätsverordnung (SolvV), die Verordnung über Groß- und Millionenkredite (GroMiKV) oder die Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk). In diesen, zum Teil hochkomplexen Regelwerken (z.B. die SolvV) wird detailliert vorgegeben, wie und innerhalb welcher Grenzen risikobehaftete Bankgeschäfte betrieben werden dürfen. Durch die hierin kodifizierten, oft monatlichen Melde- und Anzeigepflichten an die BaFin oder die Bundesbank (Monatsausweise nach § 25 KWG bzw. § 18 BBankG) erhalten diese ein genaues, zeitnahes Bild über die wirtschaftliche Lage der Kreditinstitute. Hauptziel ist die Gewährleistung eines funktionsfähigen, stabilen und integeren deutschen Finanzsystems. Bankkunden, Versicherte und Anleger sollen dem Finanzsystem vertrauen können[12].

Besondere präventive Bedeutung haben die Krisenregelungen des § 46a KWG, die Anzeigepflicht der Insolvenz nach § 46b KWG oder das Bankmoratorium bei schwerwiegenden Gefahren für die Gesamtwirtschaft durch die Bundesregierung nach § 47 KWG.

Zentralbanken

oder Zentralnotenbanken sind Institutionen, die für die Durchführung der Geld- und Währungspolitik eines Währungsraumes zuständig sind. Da es sowohl nationale als auch supranationale Währungsräume gibt, sind Zentralbanken sowohl auf nationaler Ebene (z.B. Deutsche Bundesbank) als auch auf supranationaler Ebene (z.B. Europäische Zentralbank) vorhanden. Zentralbanken sind meist staatliche Institutionen und haben in gewissem Umfang hoheitliche Aufgaben; sie werden wegen ihrer Funktion den Zentralregierungen gleichgestellt (§ 26 Nr. 2 b SolvV). Die Deutsche Bundesbank ist als bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts organisiert und kann nach § 18 BBankG statistische Erhebungen von den angeschlossenen Kreditinstituten verlangen. Sie bestimmt nach § 15 BBankG die Kredit- und Offenmarktpolitik und nach § 16 die Mindestreservepolitik, die beide zur Beeinflussung des Geldumlaufs und der Kreditgewährung dienen. Bundesbank und Europäische Zentralbank steuern somit den Geldmarkt, also die wichtigste kurzfristige Refinanzierungsquelle der Kreditinstitute. Deshalb hatten die Bundesbank und die Europäische Zentralbank im Oktober 2008 die Ausweitung des Sicherheitenrahmens "notenbankfähiger Wertpapiere" als Reaktion auf die Finanzmarktkrise zur Verbesserung der Bankenliquidität beschlossen. Neben der Liquiditätspolitik haben die Notenbanken auch mit der Zinspolitik auf die sich zuspitzende Finanzkrise und die damit verbundene Verschärfung der Wachstumsrisiken reagiert.

Einlagensicherungssysteme

Einlagensicherung ist die Bezeichnung für die gesetzlichen und freiwilligen Maßnahmen zum Schutz der Einlagen (Bankguthaben) von Kunden bei Kreditinstituten in deren Krise. Tritt der Stützungsfall ein, wird die Liquidität des betroffenen Instituts durch Mittel des zuständigen Einlagensicherungsfonds zur Verfügung gestellt[13]. Ähnlich lautende Regelungen sind in den Satzungen der Haftungsfonds der übrigen Institutsgruppen getroffen. Weitere umfassende Angaben zum Thema sind im Artikel Einlagensicherung zu finden.

staatliches bail-out

Die Finanzkrise ab 2007 hat weltweit zu nationalen Sondermaßnahmen zwecks finanzieller Sicherung der Banken geführt (bail-out). In Deutschland wurde hierfür der Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (Soffin) auf der Grundlage des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes (FMStFV) im Oktober 2008 gegründet. Die Anstalt entscheidet über Maßnahmen zur Stabilisierung einzelner Banken. Ihr obliegt die Verwaltung des auf 480 Mrd. Euro veranschlagten Finanzmarktstabilisierungsfonds, aus dem die staatlichen Hilfen für individuelle Stützungsmaßnahmen finanziert werden. Die Anstalt unterliegt der Rechts- und Fachaufsicht des Finanzministeriums. Fachlich, organisatorisch und banktechnisch wird der „Finanzmarktstabilisierungsfonds“, wie er amtlich heißt, von der Bundesbank unterstützt. Auch hier spielt bei der Stützung die Bedeutung des Unternehmens für die Finanzmarktstabilität eine Rolle [14].

Bei obiger Reihenfolge handelt es sich um eine Art „Ablaufkaskade“. Wenn es trotz Bankenaufsicht aufgrund der umfangreichen aufsichtsrechtlichen Regelungen und dem Eingreifen der Zentralbanken auf den Geldmärkten dennoch zu Schwierigkeiten im Bankwesen kommen sollte, stehen letztlich die Einlagensicherungssysteme und die staatlichen bail-outs als Auffanginstrumente zur Verfügung.

Wege aus der Finanzkrise

Die seit 2007 bestehende SolvV konnte die Krisen einzelner Institute in Deutschland nicht verhindern. Deutliche Warnanzeichen (wie etwa der im Vergleich zum hervorragenden Rating von CDO's zu hohe "Credit Spread") wurden bei Banken nicht erkannt oder vernachlässigt. Bereits aus diesem Grunde wird der Nutzen von institutionalisierten Frühwarnsystemen weithin überschätzt. Sichere Krisenindikatoren existieren bislang nicht, zumal alle bisherigen Finanzkrisen aus den verschiedensten Konstellationen entstanden waren. Zudem gab es auch vor der aktuellen Finanzkrise durchaus Warnungen, etwa eine allzu liberale Kreditvergabe. Aus den wenigen Anzeichen konnte jedoch nicht das dramatische Ausmaß der Finanzkrise extrapoliert werden. Es ist deshalb zweifelhaft, ob es mit verschärften und noch detaillierteren regulatorischen Bestimmungen gelingt, künftige Finanzkrisen zu verhindern. Es kommt vielmehr darauf an, die bisherigen, umfangreichen Liquiditätsoperationen der Europäischen Zentralbank und Bundesbank weiterhin sensibel einzusetzen. Diese haben bisher eine weitere Eskalation der Finanzkrise verhindern können; die eigentliche Kernursache, das fehlende Vertrauen zwischen den Marktteilnehmern auf dem Interbankengeldmarkt, kann jedoch weder mit verschärften Gesetzen noch mit der Liquiditätspolitik beseitigt werden.

Einzelnachweise

  1. http://www.uwechristians.de/html/img/pool/1.pdf?sid=b5c99eb028894eb883203a8109abfe8a - Uwe Christians, "Finanzintermediation - Bankrisiken, Insolvenzen, Bankrun und Begründung für staatliche Bankenaufsicht", März 2008, S. 36f.
  2. Süddeutsche vom 7. Oktober 2008
  3. Focus vom 7. Oktober 2008
  4. Die Welt über die Insolvenz der "Washington Mutual"
  5. J. P. Morgan hatte im März 2008 bereits eine der 4 US- Investment-Banken "Bear Sterns" übernommen. Die vier übrigen sind im Zuge der Banken-Krise ebenfalls noch im September 2008 verschwunden: "Lehman Brothers" wurde liquidiert (11. September 2008), die "Bank of America" übernahm "Merrill Lynch" (15. September 2008), und "Goldman Sachs" und "Morgan Stanley" wandelten sich in Geschäftsbanken um (17. September 2008)
  6. FTD über die "Washington Mutual"
  7. Manager-Magazin mit einer Statistik über insolvente US-Banken
  8. Handelsblatt über die US-Bankenpleite
  9. International Herald Tribune vom 12. Februar 2009
  10. Quelle: Federal Reserve Bank
  11. Web.de vom 10. März 2009
  12. Homepage der BaFin
  13. z.B. liegt der Stützungsfall nach § 3 Absatz 1 der Satzung des Sparkassenstützungsfonds des Westfälisch-Lippischen Sparkassen- und Giroverbandes vor „bei drohenden oder bestehenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten einer Mitgliedssparkasse…, insbesondere wenn diese aus eigener Kraft nicht in der Lage ist, einen den eigenen Bestand gefährdenden Verlustausweis oder eine Zahlungseinstellung zu vermeiden“. In Abs. 2 sind dann noch financial covenants konkretisiert, deren Unterschreitung den Stützungsfall auslösen soll
  14. SoFFin Homepage

Weblinks


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