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Wolfgang Thierse (* 22. Oktober 1943 in Breslau) ist ein deutscher Politiker (SPD).
Er war von 1998 bis 2005 Präsident des Deutschen Bundestages und ist seit 2005 Vizepräsident des Deutschen Bundestags.
Inhaltsverzeichnis
Leben und Beruf
Wolfgang Thierse wurde am 22. Oktober 1943 als Sohn eines Rechtsanwalts in Breslau geboren. Nach der Vertreibung aus Breslau siedelte sich die Familie im thüringischen Eisfeld an, dort besuchte Thierse die Oberschule. Nach dem Abitur im südthüringischen Hildburghausen erlernte er den Beruf des Schriftsetzers beim „Thüringer Tageblatt“ in Weimar.
Thierse begann 1964 ein Studium der Germanistik und der Kulturwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin, welches er 1969 beendete. Anschließend war er als wissenschaftlicher Assistent an der Humboldt-Universität und ab 1975 beim Ministerium für Kultur der DDR tätig. Dort wurde er entlassen, nachdem er sich weigerte, eine Erklärung zu unterzeichnen, mit der er die Ausbürgerung Wolf Biermanns befürworten sollte.
1977 ging er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an das Zentralinstitut für Literaturgeschichte der Akademie der Wissenschaften der DDR. Zwischen 1970 und 1987 wirkte Thierse an den Drehbüchern für sieben DEFA-Dokumentarfilme mit und verfasste die Kommentartexte.[1] Im Jahr 2003 erschien ein von ihm vorgetragenes Hörbuch mit Charles Dickens „Ein Weihnachtsmärchen“.
Thierse ist verheiratet, hat zwei Kinder und ist katholisch. Er wohnt im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg am Kollwitzplatz.
Thierse ist langjähriges persönlich hinzugewähltes Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK).
Wolfgang Thierse ist Ehrenpräsident des Netzwerks Europäische Bewegung Deutschland und Schirmherr der Georg-Elser-Initiative Berlin.
Zudem ist Wolfgang Thierse Mitglied des Kuratoriums von Aktion Deutschland Hilft e.V., dem Bündnis der Hilfsorganisationen.
Partei
Thierse war bis zur Wende parteilos und trat im Oktober 1989 dem Neuen Forum bei. Anfang Januar 1990 wurde er dann Mitglied der Sozialdemokratischen Partei der DDR (SDP). Nach dem Rücktritt von Ibrahim Böhme wurde Thierse am 9. Juni 1990 auf einem Sonderparteitag zum Vorsitzenden der SPD der DDR gewählt.
Auf dem Vereinigungsparteitag der SPD wurde er am 27. September 1990 zu einem der stellvertretenden Parteivorsitzenden der SPD gewählt. Aus diesem Amt schied er im November 2005 aus, gehört aber weiterhin dem SPD-Parteivorstand an.
Abgeordneter
Von März bis Oktober 1990 gehörte Thierse der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR an. Hier war er zunächst stellvertretender Vorsitzender und ab dem 21. August 1990 Vorsitzender der SPD-Volkskammerfraktion.
Thierse zählte zu den 144 von der Volkskammer gewählten Abgeordneten, die am 3. Oktober 1990 Mitglied des Deutschen Bundestages wurden. Am 4. Oktober 1990 wurde er zum stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion gewählt. Von Dezember 1990 bis Dezember 1991 war er außerdem Vorsitzender des Fraktionsarbeitskreises Neue Länder/Deutschlandpolitik.
Am 26. Oktober 1998 wurde Thierse mit 512:109:45 Stimmen zum Präsidenten des Deutschen Bundestages gewählt und am 17. Oktober 2002 mit 357:219:20 Stimmen im Amt bestätigt.
In seine erste Amtszeit fiel auch die Spendenaffäre der CDU, die ihn als Parlamentspräsidenten insoweit betraf, als er qua Amt für die Überwachung der Einhaltung des Parteiengesetzes und die Ahndung eventueller Verstöße verantwortlich war. Er verhängte eine Strafe in Höhe von 7,8 Millionen D-Mark gegen die CDU und ließ die staatlichen Zuschüsse an die CDU um insgesamt 41 Millionen D-Mark kürzen. Über diese Geschehnisse sagte er selbst, es wäre ihm lieber gewesen, er hätte sich nicht mit ihnen beschäftigen müssen. Von Seiten der Union wurde Thierse wegen der verhängten Strafzahlung mehrfach angegriffen und seine Überparteilichkeit in Frage gestellt – dies unter anderem auch deshalb, weil Thierse, als Bundestagspräsident zu strenger Überparteilichkeit verpflichtet, weiterhin als Stellvertretender SPD-Parteivorsitzender amtierte. Das Bundesverfassungsgericht allerdings bestätigte die Rechtmäßigkeit dieses im Parteiengesetz ausdrücklich vorgesehenen Vorgehens.
Nachdem aus der Bundestagswahl 2005 die CDU/CSU-Bundestagsfraktion als stärkste Fraktion hervorging, schied er am 18. Oktober 2005 aus dem Amt und wurde mit 417:136:52 Stimmen zum Vizepräsidenten des Bundestages gewählt.
Wolfgang Thierse ist 1994 und 1998 über die Landesliste Berlin und sonst stets als direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Berlin-Mitte – Prenzlauer Berg – Weißensee I (1990) bzw. Berlin-Pankow (seit 2002) in den Bundestag eingezogen. Bei der Bundestagswahl 2005 erreichte er hier 41,1 % der Erststimmen.
Auszeichnungen (Auswahl)
Am 26. Februar 2004 erhielt Thierse die Ehrendoktorwürde der Philosophischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Gewürdigt werden mit dieser Auszeichnung seine besonderen Verdienste um die Verständigung zwischen Ost- und Westdeutschland, die Stärkung des demokratischen Bewusstseins in den neuen Bundesländern und die Zurückweisung radikaler Strömungen in der Gesellschaft.
2001 erhielt er von der Theodor-Heuss-Stiftung den Theodor-Heuss-Preis sowie im selben Jahr von der Stadt Frankfurt am Main den Ignatz-Bubis-Preis.
Literatur
- Thomas Kröter: Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse. In: Michael F. Feldkamp (Hrsg.): Der Bundestagspräsident. Amt – Funktion – Person. 16. Wahlperiode, München 2007, ISBN 978-3-7892-8201-0, S. 171–178.
Einzelnachweise
- ↑ „FilmDokument – Text: Wolfgang Thierse“, Programmtext – Kino arsenal, Dezember 2007
Weblinks
- Website von Wolfgang Thierse
- Biografie beim Deutschen Bundestag
- Literatur von und über Wolfgang Thierse im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Wolfgang Thierse in der deutschen und englischen Version der Internet Movie Database
- Wolfgang Thierse zu Denk ich an Deutschland Beitrag des Deutschland Radios
- Ein wortgewaltiger Moralist Portrait Thierses auf tagesschau.de
- Interview mit Wolfgang Thierse auf Planet-Interview
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Personendaten NAME Thierse, Wolfgang KURZBESCHREIBUNG deutscher Politiker (SPD) GEBURTSDATUM 22. Oktober 1943 GEBURTSORT Breslau
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